Wie oft kann man sich eigentlich mit Corona infizieren?
Viele kennen mittlerweile solche Fälle - oder waren beziehungsweise sind sogar selbst davon betroffen: Trotz mittlerweile dreifacher Impfung machen sie bereits eine zweite Corona-Infektion durch. Aber kann das auch weitergehen - ist also auch eine dritte oder vierte Infektion möglich? Zum Thema der Reinfektionen gibt es jetzt mehrere neue Erkenntnisse.
Tatsächlich sind in Österreich Personen bekannt, die sich noch öfter als zwei Mal mit dem neuen Coronavirus infiziert haben - zumeist mit unterschiedlichen Varianten bzw. Subtypen. "Wir haben drei Mitarbeiter identifiziert, die haben von Beginn der Pandemie an vier Mal eine Coronavirus-Infektion durchgemacht", sagte der Infektiologe Florian Thalhammer vom Wiener AKH / MedUni Wien bei einer Online-Fortbildungsveranstaltung ("Giftiger Live-Stream") für Ärztinnen und Ärzte.
Und es habe bei einer Person auch eine Infektion mit der Omikron-Subvariante BA.2 nur zwei Wochen nach einer Infektion mit der Subvariante BA.1 gegeben. "Wahrscheinlich gibt es so etwas wie eine Herdenimmunität nicht", sagt Thalhammer - ein Befund, der mittlerweile von immer mehr Fachleuten geäußert wird.
10 Prozent Reinfektionen in Salzburg
In Salzburg etwa kam es seit Pandemiebeginn bei bisher zehn Prozent der Corona Infizierten zu einer Reinfektion. "Das bedeutet, dass sich rund zehn Prozent seit Beginn der Pandemie mehr als einmal angesteckt haben, was vor allem auf die neuen Varianten des Virus zurück zu führen ist und eine Genesung wie so vieles kein hundertprozentiger Schutz ist", wird der Leiter der Salzburger Landesstatistik, Gernot Filipp, auf salzburg24.at zitiert.
Genaue Daten zum Thema Reinfektion gibt es in einem Bericht aus England:
- Seit Beginn der Pandemie bis zum 20. März wurden dort 804.463 Reinfektionen registriert (bei insgesamt 16,3 Millionen Infektionen) . Voraussetzung für eine Einstufung als Reinfektion ist ein Abstand von mindestens 90 Tagen. Der überwiegende Teil waren Zweitinfektionen.
- 8.717 Personen hatten aber bereits ihre dritte Infektion.
- Und für 74 Personen war es schon die Viertinfektion.
Wobei alleine in der Kalenderwoche 12 (21. bis 27.3.) mehr als 50.000 Reinfektionen registriert wurden. Generell sind in der Omikron-Welle die Reinfektionen angestiegen. Die tatsächliche Zahl dürfte laut britischen Expertinnen und Experten noch höher sein, weil viele solcher Reinfektionen sehr mild verlaufen und oft gar nicht auffallen.
Zahlen gibt es auch aus Singapur: Dort kam es in den vergangenen fünf Monaten zu mehr als 8.800 Reinfektionen - mehrheitlich bei unter 60-Jährigen. Die allermeisten hatten dabei nur milde Symptome.
"Der Prozentsatz derer, die sich tatsächlich sehr kurz nach einer BA.1-Infektion auch mit BA.2 infizieren, ist gering", sagte die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien. Das zeigen auch Daten aus Dänemark: Bis Ende Februar wurden 47 Fälle bei zumeist jungen und ungeimpften Personen nachgewiesen, die sich zuerst mit BA.1 und 20 bis 60 Tage später mit BA.2 infiziert hatten.
Wenn es kurz hintereinander zu einer weiteren Infektion komme, könne das mit dem Ansteckungsmechanismus zu tun haben. Redlberger-Fritz: "Ich habe natürlich Antikörper nach einer durchgemachten Infektion, ich bin geboostert, ich habe auch Antikörper in den Schleimhäuten." Aber die besten Antikörper nützten nichts, wenn man mit jedem Atemzug mit extrem hohen Viruslasten konfrontiert werde: "Da habe ich einfach irgendwann einen Input Error, das geht sich von der Menge dann einfach nicht aus, nicht jedes Virus, das ich einatme, kann dann von Antikörpern in den Schleimhäuten abgefangen werden. Und damit hat das Virus die Chance, dass es irgendwo eine Wirtszelle erwischt und dort zu replizieren (sich vervielfachen, Anm.) beginnt."
Das Risiko für eine Reinfektion ist laut einer britischen Erhebung seit der Dominanz von Omikron deutlich höher als in der Delta-Welle - laut diesen Daten um das 16-Fache.
Und Ungeimpfte hatten in der Studie ein doppelt so hohes Reinfektionsrisiko.
Doch warum gibt es gerade in der Omikron-Welle so viele Reinfektionen?
"Die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen eine Infektion hat bei der Omikron-Variante um fast die Hälfte gegenüber früheren Varianten abgenommen", sagte der Impfstoffspezialist Herwig Kollaritsch bei der Online-Fortbildung. "Dadurch gibt es häufiger Infektionen - aber der Schutz gegen schwere Verläufe und Todesfälle hat gegenüber den vorherigen Varianten praktisch nicht abgenommen."
Gleichzeitig sind BA.1 und BA.2 deutlich infektiöser als die Delta-Variante, wobei BA.2 noch einmal etwas infektiöser als BA.1 ist.
Die Virologin Redlberger-Fritz betonte aber: "Je öfter wir uns infizieren, desto breiter wird die Immunität." Denn dadurch reifen über die Jahre die Gedächtniszellen, die Bindungsfähigkeit der Antikörper werde immer stärker. "Dadurch werden wir in eine Situation hineinkommen, in der wir häufig Antigentkontakt (Kontakt mit Oberflächeneinweiß des Virus, Anm.) haben und uns nicht symptomatisch infizieren."
Irgendwann werde es zu einer Situation wie bei einer Erkältung kommen: "Wir haben auch immer Kontakte mit Rhinoviren (Schnupfenerreger, Anm.), in einer Saison 15, 16 oder 17 Mal, wenn wir Pech haben, erkranken wir vier Mal, oder drei Mal - oder auch gar nicht." Und genauso werde es mit SARS-CoV-2 sein: "Wir werden während der Saison immer wieder Kontakt mit dem Virus haben, ohne daran zu erkranken, aber irgendwann wird der Kontakt so massiv sein, dass wir doch erkranken."
Sehr unwahrscheinlich ist es übrigens, sich kurz hintereinander zwei Mal mit derselben Subvariante zu infizieren, also zwei Mal mit BA.1 oder BA.2: Virologen gehen davon aus, dass in diesem Fall zumindest für zwei, drei Monate ein Schutz vor einer neuerlichen Ansteckung besteht - wenn nicht sogar deutlich länger.
Wer im Übrigen geimpft ist und dann eine Durchbruchsinfektion mit Omikron hat, bei dem führt das auch zur sehr guten Kreuzneutralisation gegenüber den alten Varianten "und vor allem zu einer deutlichen Zunahme spezifischer B-Gedächtniszellen im Vergleich zu Dreifachgeimpften ohne Infektion", sagte Kollaritsch. Bei jedem neuen Kontakt mit einem Erreger lösen diese eine rasche Antikörperproduktion aus. "Geimpfte Genesene haben unabhängig von der Zahl der Impfungen ein niedrigeres Risiko für einen Spitalsaufenthalt als nur Genesene."
„Auch wenn eine Infektion einen Schutzeffekt bietet, der ähnlich dem einer Impfung ist, sollte man nicht versuchen, sich bewusst zu infizieren, sagt der Virologe Lukas Weseslindtner von der MedUni Wien: "Für mich ist das aber kein Argument, die Infektion einer Impfung vorzuziehen, weil ja die Infektion auch bei Geimpften unangenehme Folgeerscheinungen haben kann - die Auswirkungen, etwa auf das Gehirn, können wir derzeit noch gar nicht überblicken."
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