Mann ließ sich 87 Mal Covid-impfen: Das sagt ein Virologe dazu
Es ist ein aufsehenerregender Fall aus Deutschland: Ein 60-jähriger Mann soll sich in Sachsen über Wochen knapp 90 Mal Covid-Impfungen verabreichen haben lassen, um dann gefälschte Impfausweise mit echten Chargennummern verkaufen zu können. Das wurde jetzt bekannt, nachdem der Mann verhaftet wurde.
Der 60-Jährige aus Magdeburg hat seit Sommer 2021 nachweislich 87 Mal eine Coronavirus-Impfung erhalten – in verschiedenen Impfzentren, manchmal mehrere pro Tag. Unter den 87 Impfungen waren Impfstoffe verschiedener Hersteller.
Der wegen unbefugten Ausstellens von Impfausweisen und Urkundenfälschung beschuldigte Mann hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Polizei machte zu seinem Gesundheitszustand keine Angaben. Bei der Festnahme des 60-Jährigen seien aber keine gesundheitlichen Auffälligkeiten offensichtlich gewesen, sagte eine Leipziger Polizeisprecherin dem Spiegel.
Gesundheitliche Schäden?
Sind bei jemandem, der sich so oft in kurzer Zeit impfen lässt, gesundheitliche Schäden zu erwarten? Nein, meint Virologe Lukas Weseslindtner von der MedUni Wien. Ein "Überimpfen" sei nicht möglich. Im Gegenteil, der Fall sei ein Beweis dafür, dass die Impfung nicht so gefährlich ist, wie von manchen behauptet werde.
Allerdings ist es nicht sinnvoll, den Körper derart häufig mit Virusbestandteilen zu konfrontieren. "Es ist anzunehmen, dass der Mann anfangs große Mengen Antikörper gebildet hat. Allerdings funktioniert das nicht endlos – irgendwann erfolgt keine Immunreaktion mehr", sagt Weseslindtner.
Der bei einer normalen Auffrischungsimpfung gewünschte Booster-Effekt werde über die Zeit schwächer, irgendwann reagiere das Immunsystem nicht mehr, da bereits ausreichend Antikörper vorhanden sind.
"Wir wissen, dass das Immunsystem besonders dann gut reagiert, wenn zwischen Auffrischungsimpfungen ein Abstand ist – sonst werden die Impfungen als eine Episode wahrgenommen und keine neuen Antikörper gebildet."
Booster-Effekt entsteht nicht mehr
Ziel der Auffrischung sei, die Gedächtniszellen durch erneuten Kontakt mit dem Spike-Protein aus ihrer Reserve zu holen, sodass sie erneut Antikörper produzieren. Gedächtniszellen sind darauf spezialisiert nach Kontakt mit einem Krankheitserreger über Monate bis Jahre zu ruhen. Bei jedem erneuten Kontakt mit dem Erreger lösen sie eine rasche Immunantwort aus und bilden so das immunologische Gedächtnis.
"Erfolgt der Kontakt mit dem Erreger allerdings täglich oder gar mehrmals täglich, entsteht dieser Booster-Effekt nicht mehr, die Gedächtniszellen können sich nicht mehr bilden. Aus diesem Grund braucht es bei Auffrischungsimpfungen einen Mindestabstand von drei bis vier Monaten", so Weseslindtner. Bei diesem Abstand funktioniere das Immunsystem besonders gut, wie Studien zeigen.
Weseslindtner: "Das Prinzip 'Viel hilft viel' gilt hier nicht. Man kann aus Studien mit älteren Menschen sehen, dass die Größe des Abstands zwischen Impfungen mit der Konzentration der Antikörper korreliert. Das heißt: Lag mehr Zeit zwischen den Impfungen, waren die Antikörper-Titer höher, war es weniger, waren die Antikörper-Titer niedriger."
Keine höhere Schutzwirkung
Eine höhere Schutzwirkung sei durch die Vielzahl an Impfungen nicht gegeben. Zwar habe der Mann anfangs sehr wahrscheinlich eine große Menge Antikörper produziert. Irgendwann ende dies allerdings.
Über seinen Gesundheitszustand könne nur spekuliert werden, da es dazu keine Informationen von der Polizei in Deutschland gibt. Es sei laut Weseslindtner jedoch anzunehmen, dass der 60-Jährige keine lebensbedrohliche Situation durch die Impfungen hatte, was für die Sicherheit der Impfung spreche. Auch durch die Tatsache, dass der Magdeburger unterschiedliche Impfstoffe erhalten hat, seien keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten.
Denkbar wäre laut Weseslindtner, dass es zu den normalen Impfreaktionen kam, etwa Schmerzen an der Einstichstelle. "Es gibt aber auch viele, die sehr gut reagiert haben und keine Impfreaktionen hatten."
Schäden für das Immunsystem seien nicht zu erwarten, da die Schutzwirkung der Gedächtniszellen immer spezifisch gegenüber einem bestimmten Krankheitserreger sei. Die Wirkung gegenüber anderen Erregern ist dadurch nicht beeinträchtigt.
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