Corona: Was man über den Impfstoff von Astra Zeneca bisher weiß
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Impfstoff.
Welche Entscheidung wird die europäische Arzneimittelagentur EMA heute in Amsterdam treffen?
Der schwedisch-britische Pharmakonzern Astra Zeneca hat die Zulassung seines Corona-Impfstoffes am 12. Jänner bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA beantragt. Das zuständige Expertengremium der europäischen Arzneimittelagentur wird höchstwahrscheinlich heute am Nachmittag eine Empfehlung für die Zulassung in der EU aussprechen - möglicherweise aber nur für unter 65-Jährige. Damit wäre der Impfstoff von Uni Oxford und Astra Zeneca nach den Wirkstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna das dritte in der EU eingesetzte Vakzin. Nach der Empfehlung der Arzneimittelagentur muss die EU-Kommission noch die formale Zulassung erteilen, das kann aber innerhalb weniger Stunden der Fall sein.
Ist damit zu rechnen, dass sich die Arzneimittelagentur von Zurufen aus der Politik drängen lassen wird?
EMA-Experten haben bisher immer betont, dass sie sich nicht unter Druck setzen lassen und ihre Beschlüsse "ausschließlich auf Basis der wissenschaftlichen Datenlage treffen".
Um welche Technologie handelt es sich bei dem Impfstoff von Astra Zeneca?
Der Impfstoff ist ein sogenannter Vektorimpfstoff: Für solche Vektorimpfstoffe nutzt man ein Trägervirus ("Vektor"), das für Menschen harmlos ist. Beim Impfstoff von Astra Zeneca handelt es sich um ein abgeschwächtes Schnupfenvirus von Schimpansen. Es wird genetisch so verändert, dass es die genetische Information für das Oberflächeneiweiß des Coronavirus enthält. Das Trägervirus gelangt in Körperzellen, die daraufhin mit der Produktion des Oberflächeneiweiß beginnen. Das Immunsystem erkennt es als fremd und bildet Abwehrstoffe. Der Impfstoff kann normal gekühlt (plus zwei bis plus acht Grad) für mindestens sechs Monate aufbewahrt und transportiert werden.
Wie unterscheiden sich Vektorimpfstoffe von den Boten-RNA-Imfpstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna?
Bei diesen bekommt der Körper die Bauanleitung für ein Protein der Hülle des SARS-CoV-2-Virus injiziert. Dabei handelt es sich um genetisches Material, "Boten-RNA", die in den Zellen abgelesen wird und die Bildung des Proteins anregt. Der Körper erkennt dieses als fremd und produziert Abwehrstoffe. Die Präparate von Pfizer/BioNTech und Moderna sind beide mRNA-Impfstoffe und in Wirkung und Aufbau nahezu identisch.
Man liest von unterschiedlichen Wirksamkeitsdaten beim Impfstoff von Astra Zeneca - einmal 60, dann 70, dann 90 Prozent. Wie erklärt sich das?
Wurden zwei volle Dosen im Abstand von mindestens einem Monat verabreicht (die "Standarddosis", lag die Wirksamkeit bei 62 Prozent - im Vergleich zu der Placebo-Gruppe wurden also 62 Prozent der symptomatischen Covid-19-Erkrankungen verhindert. Allerdings: Wurde bei der ersten Impfung nur eine halbe Dosis verabreicht, gefolgt von einer vollen Dosis nach einem Monat, lag die Wirksamkeit bei 90 Prozent. Bei der ersten halben Dosis handelte es sich offenbar um ein (möglicherweise aber sehr glückliches) Versehen bei der Dosierung. In dieser Gruppe waren allerdings nur 1367 Personen, und alle waren jünger als 55 Jahre.
Die kombinierte Analyse beider Dosierungsschemata ergab eine durchschnittliche Wirksamkeit von 70 Prozent. Laut einem Experten der britischen Regulierungsbehörde für Arzneimittel (sie hat den Impfstoff bereits zugelassen) steige die Wirksamkeit auf 80 Prozent, wenn zwischen der ersten und der zweiten Dosis drei Monate vergingen.
Gab es in der Gruppe der Geimpften auch schwere Krankheitsverläufe?
Nein. "Auch der Impfstoff von Astra Zeneca ist sehr wirksam, in der Gruppe, die damit behandelt wurde, gab es keine Spitalsaufnahmen, was schon eine wesentliche Information ist", sagt der Rektor der der MedUni Wien, Markus Müller, bei der Präsentation der Kampagne "Österreich impft". "Das Gute ist: Was die schweren Krankheitsverläufe betrifft, scheint der Impfstoff hochwirksam zu sein", betonte Müller. In der Placebogruppe hingegen mussten zehn Personen im Krankenhaus behandelt werden, eine Person starb an den Folgen der Infektion.
Ist jetzt der Astra Zeneca-Impfstoff schlechter als die mRNA-Impfstoffe?
Beide mRNA-Impfstoffe haben eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent. Trotzdem könne man jetzt noch überhaupt nicht sagen, dass der Astra Zeneca-Impfstoff nicht so gut sei, betont kürzlich die Impfstoffspezialistin Ursula Wiedermann-Schmidt. "Uns liegen nur die ersten Zwischenergebnisse vor, aber noch keine Zulassungsdaten. Wir müssen jetzt abwarten, was die Zulassungsbehörde EMA zur Wirksamkeit sagt." Vor allem aber bei den 18- bis 60-Jährigen seien auch die bisherigen Daten sehr gut.
Sollte es bei der Schutzrate von 70 Prozent bleiben, so sei dies immer noch höher als jene des Influenza-Impfstoffes, sagt etwa der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger. Und zumindest bei der Influenza-Impfung ist es auch so, dass die, die trotz Impfung erkranken, in der Regel einen milderen Verlauf mit weniger Komplikationen haben. Für die Herdenimmunität, den Gemeinschaftsschutz, sei überdies jede Impfung wichtig. Denn damit wird die allgemeine Zirkulation des Virus in einer Bevölkerung gebremst bzw. gestoppt – und damit sinkt auch das individuelle Infektionsrisiko. Zeitlinger rät deshalb dazu, den Impfstoff zu nehmen, der als erster verfügbar ist.
Wieso wird diskutiert, dass der Impfstoff nur für die Altersgruppe bis 65 Jahre zugelassen werden könnte?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt angeblich in einer Überarbeitung ihrer Impfempfehlungen, dass der Impfstoff von Astra Zeneca in Deutschlandnur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren verwendet wird. "Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor", heißt es in einem Textentwurf, der frühzeitig an die Öffentlichkeit kam. Es handelt sich noch um keine endgültige Empfehlung.
Aus dem geleakten STIKO-Dokument geht hervor, dass das Expertengremium die zusammengenommenen Daten aus vier randomisiert-kontrollierten Studien des Herstellers AstraZeneca begutachtet hat, schreibt das deutsche Science Media Center. "Nur knapp sechs Prozent der eingeschlossenen Probanden waren 65 Jahre und älter, was die Ursache für die reklamierte unzureichende Datengrundlage der Wirksamkeit in dieser Altersgruppe und damit die eingeschränkte Empfehlung darstellt. Die kolportierten Daten zur Wirksamkeit beruhen auf bisher zu geringen auswertbaren Fallzahlen über 65 Jahren – jeweils ein Fall in der Impfstoff- und Placebogruppe – und sind statistisch völlig wertlos."
Wie kann man erklären, dass die Wirkung bei der halben Dosis höher ist?
Bei diesen Vektorimpfstoffen tritt folgendes Problem auf: Der Körper bildet auch eine Immunantwort gegen das Trägervirus, das ja den eigentlichen Impfstoff in die Zellen transportieren soll. "Astra Zeneca verwendet ja deshalb ein Schimpansenvirus, weil wir dagegen noch keine Immunantwort gebildet haben", erklärt der Virologe Florian Krammer. Allerdings baut er nach der ersten Impfdosis eine Immunantwort auf und produziert Antikörper gegen das harmose Trägervirus. Wird dann die zweite Dosis verabreicht, fängt das Immunsystem einen Teil der Vektorviren ab und zerstört sie: "Damit wird aber natürlich auch ein Teil des Impfstoffes neutralisiert." Wird aber bei der ersten Impfung nur die halbe Dosis verwendet, scheint die Reaktion des Immunsystems bei der Zweitimpfung schwächer auszufallen. Das ist aber nur eine Theorie. Bei Astra Zeneca erklärt man die höhere Wirksamkeit mit einem längeren Abstand zwischen erster und zweiter Teilimpfung in dieser Studiengruppe. "Es ist nicht die Frage der Dosis, sondern eher eine Frage des Intervalls", so ein Firmenexperte. Deshalb stehe in den englischen Zulassungsunterlagen auch, dass die zweite Teilimpfung bis zu zwölf Wochen nach der ersten verabreicht werden könne. Allerdings hat Astra Zeneca dieses Dosierungsschema gar nicht bei der EMA eingereicht.
Warum will Astra Zeneca mit dem Moskauer Gamaleja-Institut zusammenarbeiten, das den russischen Sputnik-V-Impfstoff hergestellt hat?
"Das ist ein sehr sinnvoller Ansatz", sagt Krammer: Verwendet man nämlich für die zweite Impfung einen anderen Vektorimpfstoff, den das Immunsystem noch nicht kennt, verhindert man das Problem, dass dieses Trägervirus sofort erkannt und bekämpft wird. Schließlich muss das Immunsystem erst Antikörper gegen den Vektor entwickeln und das dauert einige Zeit. "Ich finde diese Kooperation sehr interessant, da könnte etwas Gutes herauskommen."
Wir der Impfstoff gegen die neuen Virusvarianten wirken?
Für Aufsehen hat dieser Tage auch die Meldung gesorgt, dass Wissenschafter der Universität Oxford den Impfstoff überarbeiten wollen, damit er gezielt gegen die neuen, hochansteckenden Coronavirus-Mutationen eingesetzt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass die Experten davon ausgehen, dass er zum Beispiel gegen die in England stark verbreitete neue Virusvariante nicht wirkt. Theoretisch könnte die Wirkung etwas vermindert sein, wenn die Antikörper, deren Bildung durch den Impfstoff ausgelöst wird, schlechter an die neue Virusvariante binden können. Allerdings löst der Impfstoff auch die Bildung von Abwehrzellen aus (T-Zellen). Eine endgültige Aussage ist allerdings noch nicht möglich. Theoretisch könnte es in Zukunft zu einer ähnlichen Situation wie beim Grippe-Impfstoff kommen, dass er jährlich an die aktuell zirkulierenden Virenstämme neu angepasst werden muss.
Kommentare