Corona: Warum die Omikron-Variante so infektiös ist
Menschen, die mit der Alpha-, Delta- oder Omikronvariante von SARS-CoV-2 infiziert sind, stoßen deutlich höhere Virenmengen aus als mit anderen (früheren) Varianten Infizierte. Das zeigt jetzt eine Studie von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der University of Maryland. Die Alpha- Delta- und Omikronvarianten sind leichter und rascher von Mensch zu Mensch übertragbar als die Ursprungsvariante des Coronavirus (Wildtyp). Gleichzeitig zeigt eine andere Untersuchung, dass die meisten Menschen mit einer Omikron-Infektion von dieser nichts wissen. Was die neuen Erkenntnisse für den Fortgang der Pandemie jetzt bedeuten.
Insgesamt wurde zwischen Juni 2020 und März 2022 die Ausatemluft von 93 Probandinnen und Probanden im Alter von 6 bis 66 Jahren (Durchschnittsalter: 25 Jahre) untersucht. Alle hatten zum Zeitpunkt der Probennahme eine aktive Infektion mit der Alpha-, Delta- oder Omikronvariante. Die Delta- und Omikron-Infizierten waren zumindest zweifach geimpft. 97 Prozent hatten eine milde Symptomatik, 3 Prozent waren asymptomatisch, heißt es in der Studie, die als Preprint veröffentlicht und noch nicht von externen Forschern begutachtet wurde.
Für die Probennahme atmeten die Probanden 30 Minuten lang in einen trichterförmigen Apparat mit der Bezeichnung "Gesundheit-II" (siehe Bild oben), der an der University of Maryland School of Public Health entwickelt und konstruiert wurde. In diesem Zeitraum von 30 Minuten husteten und niesten sie auch in den Trichter - für die Studienautoren ein Aerosolmix, wie er etwa auch bei einem Restaurantbesuch ausgestoßen würde.
Diese Vorrichtung kann dann jene kleinsten Teilchen abtrennen, die einen Durchmesser von fünf Mikrometern (millionstel Meter) oder weniger haben, und die lange in der Luft bleiben und auch beim Tragen von Stoff- sowie herkömmlichen (blauen) Operationsmasken für Infektionen sorgen können. Anschließend wurden die Viruspartikel gemessen, die an diesen gesammelten kleinsten Schwebeteilchen anhafteten.
Einer der mit Omikron infizierten Studienteilnehmer schied 1.000 Mal so viel Virus-RNA über seine kleinsten Aerosole aus im Vergleich zur gemessenen Maximalmenge an Virus-RNA bei mit Alpha- oder Delta-Infizierten.
Was die Probandinnen und Probanden mit einer Delta- oder Omikron-Infektion betraf, fand sich in ihren feinen Aerosolpartikeln im Durchschnitt fünf Mal so viel Virusmaterial wie in ihren ausgestoßenen größeren Tröpfchen.
Auf der Homepage des Wissenschaftsmagazins Nature befasste sich kürzlich ein ausführlicher Bericht mit den Ergebnissen der Studie. Sie zeigte auch das unterschiedliche Ausmaß der ausgeatmeten Virenmenge zwischen verschiedenen Menschen auf. Die Bandbreite reichte von nicht nachweisbar bis hin zu Mengen, die man gemeinhin "Superspreadern" zuschreibt. Die genauen Ursachen dafür seien unklar, sagen die Forscher, aber sie könnten mit biologischen Faktoren wie dem Alter einer Person zu tun haben. Auch das individuelle Verhalten könnte eine Rolle spielen. Der Superspreader in der Studie hustete häufiger als andere.
"Diese Forschung zeigt, dass diese drei Varianten, die das Infektionsrennen gewonnen haben, effizienter vom Körper ausgestoßen werden, wenn Menschen reden oder schreien, im Vergleich zu den frühesten Varianten des Coronavirus", zitiert Nature den nicht an der Studie beteiligten Public-Health-Experten John Volckens von der Colorado State University. Zu diesen weniger infektiösen früheren Varianten zählen die Ursprungsvariante, die als erste in Wuhan entdeckt wurde, oder die Gamma-Variante, die Ende 2020 nachgewiesen wurde.
Das Forscherteam brachte im Labor auch Zellkulturen mit Aerosolproben der infizierten Probanden in Kontakt. Vier dieser Proben - alle von Omikron- und Delta-Erkrankten - infizierten die Zellen tatsächlich.
"Ausgeschiedene Viren sind nicht immer infektiös", sagt einer der Autoren der Studie, der Epidemiologe Jianju Lai von der University of Maryland: "Aber der Umstand, dass diese Proben Laborzellen infizieren konnten, bedeutet, dass Virus-RNA in ausgeatmeten Tröpfchen die Krankheit weiter verbreiten kann."
Auffällig war auch, dass mit SARS-CoV-2-Infizierte geringere Mengen an Virus-RNA ausscheiden als jene, die mit Influenza infiziert sind. "Das ist etwas, worüber man besorgt sein sollte", sagt Malin Alsved von der Universität Lund in Schweden: Denn das bedeute, dass SARS-CoV-2 durchaus noch Varianten hervorbringen könnte, bei denen sogar noch größere Virusmengen ausgeatmet werden - und die damit noch infektiöser sein könnten.
Fazit der Studienautoren: "Dieses Ergebnis bedeutet, dass Menschen ihre Regierungen drängen sollten, in die Innenraum-Luftqualität zu investieren, indem sie Lüftungs- und Filtersysteme verbessern", sagt etwa Co-Autorin Kristen Coleman.
Jeder Zweite merkt Infektion nicht
Derartige Appelle aus der Forschung für Maßnahmen zur Risikoreduktion in Innenräumen werden auch von den Ergebnissen einer weiteren Studie gestützt, die im Fachjournal JAMA Network Open erschienen ist: Denn laut einer Untersuchung des Cedars-Sinai Medical Center wusste mehr als jeder Zweite, der mit Omikron infiziert war, nichts davon.
Die Forschergruppe wertete die Daten von 210 Personen (zwischen 23 und 84 Jahren, das Durchschnittsalter waren 51 Jahre) aus, 65 Prozent waren Frauen. Bei allen wurden nach dem Ende der Delta-Welle und dann nochmals nach dem Beginn der Omikron-Welle zwei Antikörpertests durchgeführt. Und zwar waren das Tests auf Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein. Diese Antikörper werden nach einer Infektion gebildet, aber nicht nach einer Impfung, da werden Antikörper gegen das Spike-Protein gebildet. Das bedeutet: Diese Personen waren mit SARS-CoV-2 infiziert, und das, aufgrund der Testzeitpunkte, höchstwahrscheinlich mit der Omikron-Variante.
Das Ergebnis dieser Studie:
- Nur 44 Prozent der Probandinnen und Probanden wussten, dass sie kürzlich eine Omikron-Infektion durchgemacht hatten.
- 56 Prozent aber sagten, dass sie nicht gewusst hatten, mit Omikron infiziert gewesen zu sein. Unter diesen waren übrigens 10 Prozent (12 von 118), die von Symptomen berichteten, die sie aber einer Erkältung beziehungsweise einer anderen Nicht-Corona-Infektion zugeordnet hatten.
Die Studienautoren betonen, dass dieses Nichtbemerken einer Infektion ein wichtiger Faktor für die rasche Ausbreitung des Virus in größeren Gruppen sein kann. ""Wir hoffen, dass Menschen diese Ergebnisse lesen und sich dann denken, ich war bei einem Treffen, wo eine Person positiv getestet wurde, ich sollte mich auch testen. Oder wenn sie sich ein wenig unwohl fühlen und das auf das Wetter schieben, dass sie sich auch in diesem Fall testen", wird Susan Cheng, eine der Studienautorinnen, in einer Aussendung zitiert. "Je besser wir unsere eigenen Risiken verstehen, umso besser werden wir die Gesundheit der Gesellschaft als auch unsere eigene schützen."
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