Dominiert wird das derzeitige Infektionsgeschehen von der Omikron-Subvariante JN.1, in Medien oft auch als "Juno" bezeichnet. Sie gilt als besonders infektiös. Denn JN.1 hat eine genetische Veränderung (Mutation) im Spike-Protein, die - wie Laboruntersuchungen zeigten - zu einer starken Immunflucht führt. Das bedeutet: Bestehende Antikörper können die Bindung dieser Coronaviren an menschliche Zellen nur in beschränktem Ausmaß blockieren, JN. 1 entkommt diesen Antikörpern und Infektionen werden erleichtert.
Bei JN.1 handelt es sich um eine Tochtervariante von BA. 2.86, die als "Pirola" bekannt wurde. Bereits sei einiger Zeit gibt es immer wieder Berichte von neueren Symptomen im Vergleich zu früheren Varianten, dass etwa bei JN.1 neben für Covid-19 typischen Symptomen wie Husten oder Kopfschmerzen auch Magen-Darm-Probleme gehäuft auftreten. Vor einigen Tagen etwa berichtete die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien, dass Magen-Darm-Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Appetitlosigkeit) derzeit bei Erwachsenen "ein sehr häufiger Hinweis auf Covid-19" sind.
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"Wir haben in der Ordination bereits vor Weihnachten immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Patientinnen und Patienten, die mit Beschwerden wie Durchfall oder Erbrechen kommen, dann im Schnelltest Covid-positiv sind", sagt die Allgemeinmedizinerin Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Wien, die eine Kassenpraxis in Wien betreibt.
Das Problem dabei: "Diese Patienten sind wirklich total arm, weil diese Durchfälle relativ lange anhalten und auch relativ schwer zu behandeln sind". Denn normalerweise dauern die meisten Durchfallerkrankungen nur zwei bis drei Tage, aber solche durch eine Infektion mit dem neuen Coronavirus ausgelösten Durchfälle "können sich schon eine oder sogar zwei Wochen hinziehen".
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Neu sind Berichte aus England, wonach JN.1 vermehrt zu Schlafproblemen, erhöhtem Puls und Angststörungen führen soll. Dazu Allgemeinmedizinerin Naghme-Kamaleyan-Schmied: "Persönlich habe ich keine Häufung von Schlafstörungen gesehen, aber es kann natürlich folgenden Hintergrund geben: Bei Durchfall ist der Flüssigkeitsverlust groß und das führt dazu, dass der Blutdruck tendenziell sinkt. Aber immer, wenn der Blutdruck hinunter geht, steigt die Pulsfrequenz, und das spüren die Patientinnen und Patienten." Der erhöhte Puls könne natürlich eine Ursache für einen schlechteren Schlaf sein. "Und generell schläft man schlechter, wenn man krank ist."
Generell seien Schlafstörungen aber immer schon mögliche Symptome von Covid-19 gewesen: "Bei früheren Varianten wie Delta wurden auch ganz schlimme Albträume berichtet, die sehen wir jetzt aber nicht."
"Covid ist wie eine Lupe"
Laut einer Umfrage unter britischen Covid-Patienten berichteten rund zehn Prozent auch über Angstzustände. "Covid-19 ist ein wenig wie eine Lupe", sagt dazu Kamaleyan-Schmied: "Wer zum Beispiel bereits Probleme mit der Schilddrüse hat, bei dem geht Covid wie eine Lupe über diese Beschwerden und verstärkt sie. Ähnlich ist das bei bereits bestehenden Angst- oder Schlafstörungen und anderen Symptomen: "Covid zeigt uns unsere Schwachstellen - im Gesundheitssystem ebenso wie auf der Ebene des einzelnen Patienten."
Häufige und typische Covid-Symptome seien derzeit auch Gliederschmerzen, schmerzende Augen und Halsweh.
Keine Influenza-Tests auf Kassenkosten
Problematisch sei, dass derzeit bei symptomatischen Patientinnen und Patienten nur Schnelltests auf das Coronavirus als Kassenleistung abrechenbar sind: "Die Kosten von Schnelltests auf Influenza und RSV werden nicht von den Kassen übernommen."
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Das sei aber eine absurde Situation: "Das ist ungefähr so wie wenn ich jemandem von 100 Blutwerten nur einen erheben lassen kann." In die Ordination kommen unzählige Patientinnen und Patienten mit Husten, Fieber und Gliederschmerzen: "Ich kann einen Covid-Test machen. Aber wenn dieser negativ ist, weiß ich immer noch nicht, ob die Person z.B. mit Influenza oder RSV infiziert ist." Gleichzeitig aber müsste eine antivirale Therapie - bei Influenza mit dem Präparat Tamiflu - rasch nach dem Einsetzen der Symptome beginnen. Dasselbe gelte für Paxlovid bei einer Covid-Infektion von Risikopersonen.
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Kamaleyan-Schmied fordert, dass für symptomatische Patientinnen und Patienten Tests auch auf RSV und Influenza als Kassenleistung sichergestellt werden. "Wenn es einem Patienten schlecht geht und ich muss ihn in ein Spital schicken, dann wäre es wichtig, von vornherein zu wissen, ob er Influenza hat oder nicht. Denn mit Influenza ist ein Einzelzimmer notwendig. Und es macht auch einen großen Unterschied, ob ich eine Patientin oder einen Patienten ohne genaue Diagnose nach Hause schicke, oder mit der konkreten Information, sie oder er hat Influenza. Das entscheidet, ob sie sich dann zuhause isolieren oder nicht."
Darüber hinaus gebe es Patienten, die gleichzeitig mit Covid und Influenza, oder sogar mit Covid, Influenza und RSV infiziert seien: "Diesen geht es oft besonders schlecht. Und da ist für die Therapie eine sichere Diagnose, die auf Testergebnissen beruht, besonders wichtig."
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