Was kann der in England zugelassene erste Omikron-Booster?
Diese Nachricht hat international für Aufsehen gesorgt: Die britische Arzneimittelbehörde MHRA hat am Montag, 15.8., als erste weltweit eine Zulassung für einen Impfstoff gegen verschiedene Varianten des Coronavirus erteilt. Das Präparat mit dem Namen „Spikevax bivalent Original/Omicron“ soll laut der britischen Behörde vor dem Originalvirus (Wildtyp) als auch vor der ersten Omikron-Variante BA.1 gut schützen. Aber was bedeutet das für die derzeit zirkulierende Omikron-Subvariante BA.5? Und können damit schwere Erkrankungen reduziert werden - im Vergleich zu den bisherigen Impfstoffen?
Eine Studie von Moderna mit 814 Erwachsenen zeigte: Bei den 437 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die den neuen Impfstoff als vierten Stich erhalten hatten, erhöhte sich das Niveau der virusneutralisierenden (schützenden) Antikörper gegen Omikron BA.1. um das 8-Fache gegenüber dem Ausgangswert. Das ursprüngliche Vakzin, das nur auf das Spikeprotein des Wuhan-Virus zugeschnitten war, erhöhte die neutralisirenden Titer gegen Omikron BA.1 umd das 4-Fache, erklärte der Pharmakologe Markus Zeitlinger von der MedUni Wien bereits nach der Veröffentlichung dieser Daten im Juni.
Jetzt präsentiere Moderna auch eine "Forschungsanalyse" (exploratory analysis"), wonach der adaptierte Impfstoff gegen BA.4 und BA.5 einen um das 1,7-fache höheren neutralisierenden Antikörperspiegel generiert als der ursprüngliche Impfstoff.
Die britische Arzneimittelbehörde MHRA schreibt von einer "guten Immunantwort" gegen die Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5. Was das allerdings in der Praxis bedeutet, ist offen.
"Es ist bei weitem nicht klar was das bedeutet im Hinblick auf das Verhindern von schweren Erkrankungen", schreibt etwa die BBC. Ähnlich auch die Einschätzung in der britischen Tageszeitung The Guardian: "Es ist unklar, welchen Effekt dieser Antikörperanstieg auf die Schutzwirkung hat, die von der Impfung ausgeht."
Dieser spezielle Booster wird in Großbritannien ab Herbst aber nur speziellen Gruppen angeboten:
- Personal in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen
- Betreuungspersonen (etwa von pflegebedürftigen Angehörigen)
- Allen Menschen ab 50 Jahren
- Personen ab fünf Jahren mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf, einschließlich Schwangeren
- Personen ab fünf Jahren die im selben Haushalt mit einer Person wohnen, die ein geschwächtes Immunsystem hat.
Gedämpfte Erwartungen
Zurückhaltend ist auch Danny Altmann, Professor für Immunologie am Imperial College London: Er geht davon aus, dass der neue Booster keine großen Vorteile im Kampf gegen die jüngsten Omikron-Subvarianten bringen wird. "BA.5. zeigt eine große Immunflucht, so dass sogar geboosterte Personen einen beeinträchtigten Schutz haben. Und sogar eine Infektion mit der ursprünglichen Omikron-Variante BA.1, wie sie in diesem neuen bivalenten Booster verwendet wird, bringt nur einen ziemlich kleinen Vorteil, was die Antikörper-Antwort betrifft", sagt er zum Guardian.
Trotzdem begrüßt Altmann die Zulassung des neuen Impfstoffes: "Wir gehen aus einer furchtbar verletzlichen Position in den Winter. Deshalb ist jedes Booster-Programm besser als nichts, und dieser bivalente Booster bedeutet ziemlich sicher eine Verbesserung gegenüber den Impfstoffen der ersten Generation."
Altmanns Fazit: Meine Sicht der Dinge ist: Dieser Ansatz bringt eine kleine Verbesserung in unserem Kampf gegen BA.5, aber wir müssen uns die verschiedenen Impfstoffkandidaten genauer ansehen. In der Zwischenzeit gilt: Get boosted - holt euch einen Booster."
Der Wiener Pharmakologe Zeitlinger hat die Daten zum Moderna-Booster so zusammengefasst: "Das sind Daten, die in die richtige Richtung zeigen, aber es sind keine Daten, bei denen ich jetzt komplett euphorisch werde."
Debatte: Eine oder zwei Impfstoffkomponenten?
Sehr kritische äußerte sich der deutsche Mediziner Jan Hartmann auf Twitter: "Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche wollen Sie zuerst hören?" - "Die gute". - "UK hat bivalenten Booster von Moderna zugelassen." - "Und die schlechte"? - "Für 3 und 4x Geimpfte taugt er nicht viel". Hartmann kritisiert einerseits, dass es sich "nicht mal um den BA.5-Update handelt, dem die MHRA die Zulassung erteilt hat, sondern um die bivalente BA.1-Version von Moderna (25µg BA.1, 25 µg wild-type)". - "Wahrlich kein Grund zur Begeisterung."
Hartmann krtisiert aber auch das Konzept eines bivalenten Boosters: Es sei zwar für die Produzenten und Regierungen bequemer, nicht verschiedene Kombinationen produzieren uned anbieten zu müssen. Gerade bei dreifach oder vierfach mit dem derzeitigen Impfstoff Geimpften sei es wenig sinnvoll, nochmals auch mit einer Wildtyp-Komponente des Virus zu impfen: "Weil es wichtig ist Immunantwort bestmöglich zu verbreitern und nicht weiter auf den Wildtyp auszurichten" Diese Meinung ist aber umstritten, es gibt auch Gegenstimmen, die einen solchen Zweit-Komponenten-Impfstoff für besser halten.
Der britische Genetiker Jeffrey Barrett sieht es hingegen positiv-pragmatisch: "Das sind gute Nachrichten: Ich denke, ein BA.1-Booster im Herbst ist beser als ein BA.5-Booster im Jänner."
Dieser Omikron-Booster von Moderna mit der BA.1-Komponente und auch ein vergleichbares Produkt von Biontech/Pfizer könnten in der EU Mitte September zugelassen werden. Auf einen Booster, der eine Komponente gegen die Omikron-Subvarianten BA.4/BA.5 enthält, wird man wohl noch etwas länger warten müssen - das zuständige britische Kommitee hält eine Zulassung im Herbst für nicht mehr wahrscheinlich.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Firmen bereits Ende Juni aufgefordert, Zwei-Komponenten-Impfstoffe zu entwickeln, die an die aktuell dominierenden Omikron-Subvarianten BA.4/BA.5 angepasst sind. Eine entsprechende Festlegung seitens der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA gibt es nicht.
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