Corona-Schutzimpfung: Wer soll sich jetzt den vierten Stich holen?
Ein wunderbarer Urlaubstermin: Gesundheitsminister Johannes Rauch, 63, hat in Dornbirn seine Auffrischungsimpfung – vierte Impfung – gegen Covid-19 erhalten. Seit 10.8. fällt er altersmäßig in jene Gruppe, der das ausdrücklich empfohlen wird. Aber die Unklarheiten zum vierten Stich sind groß: Jetzt impfen oder auf angepasste Impfstoffe warten? Und ist ein vierter Stich überhaupt notwendig? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wem wird die vierte Impfung empfohlen?
Eine dezidierte Empfehlung für eine vierte Impfung gibt es vom Nationalen Impfgremium (NIG) seit 10.8. für alle Personen ab 60 Jahren statt wie davor ab 65 Jahren. Und zwar frühestens vier Monate, „jedenfalls aber ab 6 Monaten nach Abschluss der Grundimmunisierung (3. Impfung) oder nach einer (PCR-bestätigten) Infektion“.
Die Gecko-Kommission hielt Ende Juli fest, dass US-Daten zur Subvariante BA. 4/5 „noch ausgeprägter auf ein frühzeitiges Schwinden der Impfimmunität hindeuten“. Möglicherweise sei das Alterslimit von 65+ zu hoch angesetzt und Österreich sollte die vierte Impfung „schon bei etwas jüngeren Personen“ forcieren. Risikopersonen wird die vierte Impfung unverändert ab zwölf Jahren empfohlen.
Soll man als Älterer auf die an Omikron angepassten Impfstoffe warten?
Erste angepasste Impfstoffe werden frühestens Mitte / Ende September verfügbar sein – ob sie wirklich viel besser sind als die derzeitigen Vakzine, ist noch offen. „Vor allem Älteren und Vorerkrankten würde ich raten, sich zügig eine vierte Impfung zu holen“, sagte der deutsche Impfstoffforscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité zu Zeit online. Auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch rät über 60-Jährigen, nicht auf die angepassten Impfstoffe zu warten. Denn laut neueren Studiendaten könne durch die vierte Impfung das Sterberisiko im Vergleich zu dreifach Geimpften nochmals gesenkt werden.
Der renommierte US-Experte Eric Topol wies erst kürzlich darauf hin, dass es fünf Studien gibt, die alle in der Altersgruppe zwischen 50 und 80 Jahren bei Vierfachgeimpften eine weitere Reduktion des Risikos, an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung zu versterben, im Vergleich zu dreifach Geimpfen zeigen. "Die Zusammenfassung der Daten spricht für einen Überlebensvorteil durch die vierte Impfung."
Anders sieht das Andreas Radbruch, wissenschaftlidher Direktor des deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin: „Die Bilanz der bisher durchgeführten vierten Impfung ist ernüchternd. Sie deutet darauf hin, dass drei Impfungen reichen, um ein stabiles immunologisches Gedächtnis gegen SARS-CoV-2 und seine Varianten aufzubauen.“ Da werde die vierte Impfung nicht viel draufsetzen für die Jüngeren, eher für die Älteren, „und da kann man diskutieren, ob ab 60 , 70 oder 80“, schreibt er in einer Stellungnahme für das deutsche Sciencemediacenter.
Und wie ist das bei den unter 60-Jährigen?
Für sie ist eine vierte Impfung weiterhin „nicht allgemein empfohlen“. Auf persönlichen Wunsch soll ihnen aber eine vierte Impfung nicht vorenthalten werden. Infektiologe Kollaritsch: „Wenn mich impfwillige unter 60-Jährige fragen, ob sie auf einen an Omikron angepassten Impfstoff warten sollen, sage ich immer, das hänge auch vom persönlichen Risiko ab: Wer viel reist, hat ein anderes Risiko als jemand, der viel zu Hause ist.“
Auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach meinte kürzlich, er sei missverstanden worden und habe nie die vierte Impfung für alle empfohlen: Bei jüngeren Menschen könne es durchaus Sinn machen, „dass man noch etwas zuwartet“ und sich mit den neuen Impfstoffen impfen lasse.
Aber brauchen Jüngere überhaupt den 4. Stich?
Wie sehr und ob unter 50-Jährige überhaupt von einer vierten Impfung profitieren, ist noch unklar, zumal es dazu noch kaum Daten gibt. Eine israelische Studie unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitssystem kam zu dem Ergebnis, dass eine Impfung für Jüngere nur marginale Vorteile hatte. Bereits drei Impfungen bieten einen hohen Schutz vor schweren Erkrankungen – und Jüngere haben dafür generell ein geringeres Risiko. Deshalb dürfte der Effekt, was eine zusätzliche Reduktion des Risikos schwerer Erkrankungen betrifft, gering sein. Allerdings kann die vierte Impfung für einige Zeit das Ansteckungsrisiko im Vergleich zu dreifach Geimpften deutlich senken, wie ebenfalls eine israelische Studie unter Gesundheitspersonal ermitteln konnte.
Wird die vierte Impfung besser oder schlechter vertragen als die ersten drei?
„Ich sehe bisher keine Hinweise darauf, dass es mehr Impfreaktionen gibt“, sagt der Impfexperte Karl Zwiauer. „Sie sind ziemlich vergleichbar mit den bisherigen Impfungen.“
Wie ist das, wenn man nach drei Impfungen eine Infektion durchmacht?
Eine Infektion zählt dann wie eine Impfung, eine weitere Impfung ist dann frühestens vier, besser aber ab sechs Monaten nach der Infektion bei über 60-Jährigen empfohlen. Bisherige Studien zeigen, dass dreifach Geimpfte, die auch eine Infektion hinter sich haben, einen besonders breiten Immunschutz haben.
Können zu viele Impfungen auch negative Folgen haben, also die Immunabwehr gegen neuere Varianten möglicherweise auch schwächen?
Laut Andreas Radbruch gebe es erste Hinweise darauf, dass eine starke Immunität gegen eine bestimmte Variante des Virus - in diesem Fall das Originalvirus - das Immunsystem so prägt, dass es schlecht gegen eine neue Variante reagiert. Es bleibe abzuwarten, ob sich dieser Effekt auch durch zu viel "blindes" Boostern einstellen werde. Und: "Zu viel des Guten birgt gewisse Risiken, deren man sich bewusst sein sollte."
Andreas Thiel, Immunologe an der Charité-Universitätsmedizin in Berlin, sieht das, ebenfalls in einer Stellungnahme an das Sciencemediacenter, anders: Für die vierte Impfung gebe es schon Studienergebnisse, die zumindest mehrmonate starke Effekte demonstrieren. "Es gibt meines Erachtens keine Studien die das Gegenteil, also negative Effekte auf Immunitäten, aufzeigen. Ich würde daher auch infrage stellen, dass es im Moment bekannte immunologische Risiken gibt."
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