Fallen Zähne nach Covid-19 aus? Neue Daten zu Long Covid
Gehirnnebel, Muskelschmerzen, Nervenschmerzen und jetzt auch Zahn-Ausfall. Diana Zicklin Berrent, Gründerin einer US-Long-Covid-Selbsthilfgruppe "Survivor Corps" macht auf eine neue Langzeitfolge aufmerksam, die nach einer Infektion mit Covid-19 eventuell auftreten kann.
Sie selbst hatte vor einiger Zeit auf Twitter publik gemacht, das ihr 12-jähriger Sohn nach seiner Infektion mit Covid-19 einen gesunden Zahn verlor. Daraufhin berichteten weitere Long-Covid-Betroffene von Zahnproblemen.
Die New York Times berichtet, dass 80 Prozent der 240 von Berrent befragten "Long Haulers" von ungewöhnlichen Zahnproblemen wie Brökeln der Zähne und Zahnverlust erzählten. Die Betroffene Farah Khemili teilte zum Beispiel ihre Erfahrungen, dass ein Zahn ohne Blut und ohne Schmerzen einfach aus dem Mund fiel.
Unter den Mitgliedern der Selbsthilfegruppe fand sie andere, die ebenfalls über ausfallende Zähne, empfindliches Zahnfleisch und grau werdende oder bröckelnde Zähne berichteten. Sie und andere Überlebende, die von den gut dokumentierten Auswirkungen von Covid-19 auf Kreislaufsystem und Gefäße sowie von Symptomen wie geschwollenen Zehen und Haarausfall betroffen sind, vermuten hinter den ungewöhnlichen Zahnproblemen eine bisher unbekannte Langzeitfolge.
Warum der Zahnverlust keine Schmerzen verursacht
Laut New York Times zeigen sich Zahnärzte eher skeptisch, dass eine Infektion mit dem Coronavirus allein zahnmedizinische Symptome verursachen könnte, und berufen sich auf einen Mangel an Daten. "Es ist extrem selten, dass die Zähne aus den Zahnhöhlen fallen", sagt David Okano, Parodontologe an der Universität von Utah in Salt Lake City.
Aber bestehende Zahnprobleme könnten sich durch Covid-19 verschlimmern, merkte Okano an, vor allem wenn sich die Patienten von akuten Infektionen erholen und mit deren Langzeitfolgen zu kämpfen haben.
"Wir fangen jetzt an, einige der verwirrenden und manchmal behindernden Symptome zu untersuchen, unter denen die Patienten noch Monate nach ihrer Genesung von Covid leiden", einschließlich dieser Berichte über Zahnprobleme und Zahnverlust, sagte William W. Li, Präsident und medizinischer Direktor der Angiogenesis Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die die Gesundheit und Krankheit von Blutgefäßen untersucht.
Eine Erklärung von Li: Dass Zähne ausfallen, ohne dass Blut fließt, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Blutgefäße im Zahnfleisch beteiligt sind, weil SARS-CoV-2 bekanntermaßen Blutgefäße schädigt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum einige Betroffene keine Schmerzen empfunden haben.
Eine andere Erklärung könnte den so genannten Zytokinsturm betreffen: Bei den meisten Patienten, die schwer an Covid-19 erkranken, klingen Entzündungsprozesse nicht ab. Stattdessen entsteht ein Zytokinsturm, eine hyperinflammatorische Reaktion, die eine dysregulierte Aktivierung von Immun- und Entzündungszellen beinhaltet.
"Wenn die Reaktion eines Long-Covid-Patienten im Mund stattfindet, ist das ein Abwehrmechanismus gegen das Virus", vermutet Scherer, ein Prothetiker in Sonora, Kalifornien. Andere entzündliche Gesundheitszustände wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes korrelieren seiner Meinung nach ebenfalls mit Zahnfleischerkrankungen bei denselben Patienten.
"Zahnfleischerkrankungen sind sehr anfällig für hyperinflammatorische Reaktionen, und Long Haulers fallen sicherlich in diese Kategorie", so Scherer.
Kalzium-Mangel bei Long Covid-Patienten
Eine aktuelle australische Studie der Griffith University berichtet davon, dass Long-Covid-Patienten Probleme haben, Mineralstoffe wie Kalzium aufzunehmen und zu verarbeiten. Die Wissenschafter aus Queensland sprechen von einem Durchbruch, da diese Erkenntnis sich mit Beeinträchtigungen beim chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS) decken.
Ihre Studie legt nahe, dass Covid-19 ein potenzieller Auslöser für ME/CFS sein könnte, und ihre langjährige Forschung könnte dazu beitragen, das Verständnis und die Behandlung von Long Covid zu beschleunigen.
Australische Medien wie das Portal 9news berichten, dass die Betroffenen mit dem speziellen Medikament Naltrexon behandelt werden könnten: Das Arzneimittel ist verschreibungspflichtig und wird normalerweise nach einer erfolgten Opioid-Entgiftung angewendet.
Warum Long Covid entstehen könnte
Eine der bekanntesten Long Covid-Forscherinnen, die Yale-Professorin Akiko Iwasaki, veröffentlichte in dieser Woche eine neue Studie darüber, welche Prozesse bei Long Covid im Körper beteiligt sind. Die Studie ist noch nicht begutachtet worden. (Sie können Sie hier auf Englisch nachlesen.)
Es gibt einige Hypothesen, warum Langzeitfolgen nach einer Corona-Erkrankung entstehen können: Es könnten etwa Virusbestandteile im Körper zurückgeblieben sein, es könnte sich um eine Autoimmunerkrankung handeln, eine Störung der Darmflora oder es gibt einen Zusammenhang mit Gewebeschäden. Iwasaki untersucht für ihre neueste Studie Patienten aus der ersten Welle 2020 mit und ohne Long Covid: Die Patienten waren eher jüngeren und mittleren Alters und wurden großteils nicht im Krankenhaus behandelt.
Die Long-Covid-Gruppe berichtete von einer signifikanten Zunahme der Intensität der Symptome und einer dramatisch verschlechterten Lebensqualität. Sie berichteten über zahlreiche Symptome: am häufigsten über Müdigkeit, Gehirnnebel und Erkrankungen des Nervensystems.
"Die Long Covid-Patienten hatten reduzierte zentrale Gedächtnis-T-Zellen und erhöhte erschöpfte CD4- und CD8-T-Zellen. Die erschöpften T-Zellen deuten auf chronische Antigene hin, die diese T-Zellen stimulieren. Welche das sind, wissen wir noch nicht", so die Wissenschafterin auf Twitter.
Ein interessantes Ergebnis, das auf Virusbestandteile hindeuten könnte, gegen die der Körper ankämpft: Jene Long Covid-Patienten, die mit zwei Doesen mRNA-Impfstoffen geimpft waren, produzierten höhere IgG-Antikörperspiegel gegen das Spike-Protein. Ungeimpfte Long Covid-Patienten hatten hingegen höhere IgG-Antikörperspiegel gegen das Nukleokapsidprotein. Zudem hatte die Long-Covid-Gruppe einen niedrigeren Cortisolspiegel im Plasma als die Kontrollgruppen.
Darüber hinaus wurde ein unerwarteter Anstieg der Antikörperreaktionen gegen virale Erreger, die nicht zu SARS-CoV-2 gehören, beobachtet, insbesondere gegen das Epstein-Barr-Virus: "Diese Daten deuten auf eine kürzlich erfolgte Reaktivierung von Epstein-Barr-Virus und Varizella-Zoster-Virus bei Long Covid hin."
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