Vierte Corona-Schutzmpfung auch für 30- und 40-Jährige?
In Deutschland sorgt das Thema vierte Impfung für heftige Diskussionen. Bisher empfiehlt sie die Ständige Impfkommission (Stiko) Menschen über 70 und bestimmten Risikogruppen. Laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach sollte es – spätestens, wenn an Omikron angepasste Impfstoffe verfügbar sind – „klare Ansagen auch für die unter 60-Jährigen geben“. Für jedes Alter brauche es eine Botschaft.Der deutsche Gesundheitsminister hat eine vierte Impfung für alle für grundsätzlich sinnvoll erklärt. Doch das hat ihm auch Kritik von Experten eingetragen. Eine Diskussion, für welches Alter die vierte Impfung dezitiert empfohlen werden sollte, gibt es aber auch in Österreich.
Der deutsche Gesundheitsminister Lauterbach musste Kritik für seine weitgehende Impfempfehlung hinnehmen: „Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass sich jeder alle drei Monate impfen lassen sollte“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der Bild am Sonntag. Eine vierte Impfung halte er bei Gesunden unter 70 Jahren für unnötig. Der Vizepräsident der Europäischen Immunologischen Fachgesellschaften, Andreas Radbruch, äußerte sich in Interviews ebenfalls kritisch: "Herr Lauterbach verabschiedet sich von der Wissenschaft." Immer mit dem gleichen Impfstoff weiterzuimpfen helfe überhaupt nicht gegen die virulente Infektionslage,wird er etwas in der FAZ zitiert. Fachleute würden darauf verweisen, dass die gleiche Impfung den Immunstatus sogar schwächen könne.
Doch im ZDF erklärte Lauterbach jetzt, "ich habe nicht gesagt, für alle die vierte Impfung, ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir auch eine Botschaft für die unter 60-Jährigen oder die unter 70-Jährigen benötigen".
Die EU empfiehlt die vierte Impfung gesunden Menschen ab 60 Jahren - und seit Mittwoch, 10.8., auch Österreich, Davor lag die Altersgrenze bei 65 Jahren - abgesehen von Risikogruppen wie immungeschwächten Personen aller Altersgruppen. Die Gecko-Kommission hält in ihrem Bericht von Ende Juli fest, dass USA-Daten zu BA. 4/5 „noch ausgeprägter auf ein frühzeitiges Schwinden der Impfimmunität hindeuten“. Möglicherweise sei das Alterslimit von 65+ zu hoch angesetzt und Österreich sollte die vierte Impfung „schon bei etwas jüngeren Personen“ forcieren - das ist jetzt mit den aktualisierten Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums für die Corona-Schutzimpfungen geschehen.
Niemand darf abgewiesen werden
Infektiologe Herwig Kollaritsch, Mitglied im Nationalen Impfgremium, schließt nicht aus, dass vor der nächsten Welle im Herbst „die Empfehlung noch allgemeiner gefasst wird“. Schon jetzt bekomme jeder unter 65, der die vierte Impfung wünsche, diese auch."Unsere Anwendungsempfehlung ist ja so verfasst dass jede und jeder, selbstverständlich die vierte Impfung erhalten kann, wobei zumindest vier Monate Abstand zur dritten Impfung bestehen sollten."
Und es dürfe niemand von einer Impfstelle abgewiesen werden: "Ich habe da immer die Situation vor meinem geistigen Auge, dass ein Paar zur vierten Impfung geht, sie ist 59 und er ist 66. Und dann wird er geimpft und sie wird ohne Impfung nach Hause geschickt - das ist das absolut Blödeste, was man machen kann. Selbstverständlich soll auch die Frau die Impfung erhalten, wenn sie das wünscht."
Kollaritsch verweist auf neue Daten die zeigen, „dass eine vierte Impfung ab 50 sinnvoll wäre“. Laut US-Gesundheitsbehörde CDC kann dadurch das Sterberisiko im Vergleich zu dreifach Geimpften nochmals gesenkt werden, wenngleich der größte Unterschied in der Sterblichkeit sich zwischen Ungeimpften und dreifach Geimpften zeigte:
- Um das 29-Fache erhöht war das Risiko an Covid-19 zu sterben bei Ungeimpften im Vergleich zu vierfach (oder noch öfter) Geimpften.
- Um das 4-Fache erhöht war das Risiko an Covid-19 zu sterben bei dreifach Geimpften im Vergleich zu vierfach (oder noch öfter) Geimpften.
Weniger Infektionen
Eine Studie unter israelischem Gesundheitspersonal zeigte in den ersten Wochen nach der vierten Impfung ein geringeres Infektionsrisiko. Kollaritsch betont, es komme bei der Entscheidung für die vierte Impfung bei Unter-60-Jährigen immer auch auf das individuelle Risiko an, wie viele Kontakte man habe. Besonders schlimm sei aber, dass knapp die Hälfte noch keine dritte Impfung hat und bei den meisten dreifach Geimpften diese bereits mehr als sechs Monate zurück liegt.
Kollaritsch betont auch, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass eine vierte Impfung mit dem derzeitigen Impfstoff das Immunsystem schwächen könne.
Salzburger Analyse belegt Impfschutz
Eine Datenanalyse, die das Land Salzburg mit der Uni Salzburg durchgeführt hat, belegt die deutliche Wirkung der Corona-Schutzimpfung. Erstmals in Österreich wurden mehrere Millionen Datensätze aus verschiedenen Quellen (aus dem Meldesystem EMS, den Kliniken und dem E-Impfpass) für eine umfangreiche Studie zusammengeführt. Demnach haben Ungeimpfte ein höheres Risiko, sowohl was eine Ansteckung betrifft als auch einen Krankenhausaufenthalt.
Auch ihr Sterberisiko ist bei der Delta- und der Omikronvariante höher. Landesstatistiker Gernot Filipp: „Ungeimpfte über 65-jährige hatten während der Delta-Welle ein 4,3-mal höheres Sterberisiko als vollständig Geimpfte.“ Das Risiko, ins Spital zu kommen, war in der Deltawelle bei Ungeimpften über 65-jährigen um das 3,5-Fache höher, in der Omikron-Welle um das 2,6-Fache. Die Analyse belege auch, dass der Schutz ohne Auffrischung nach vier Monaten nachlasse. Derzeit wächst die Bereitschaft für den vierten Stich. Ab 18. August werden wieder in allen Salzburger Bezirken Impfstraßen eingerichtet. 13.000 Impfungen gab es im Juli – meist Auffrischungen. Das ist doppelt so viel wie in den Monaten davor.
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