Corona-Booster: Wann kommen welche Omikron-Impfstoffe?
Die Tage vom 12. bis 15. September könnten entscheidend sein – für die erste EU-Zulassung eines an eine Omikron-Subvariante angepassten Impfstoffes. An diesen Tagen tagt das zuständige Gremium der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Offen ist: Was für ein Booster-Impfstoff wird da eigentlich zugelassen?
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Firmen bereits Ende Juni aufgefordert, Zwei-Komponenten-Impfstoffe zu entwickeln: Diese sollten sich einerseits – wie die bisherigen – gegen die ursprüngliche Wildtyp-Variante richten, und andererseits zusätzlich auch an die aktuell dominierenden Omikron-Subvarianten BA.4/5 angepasst sein.
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat sich öffentlich noch nicht festgelegt, ob die Auffrischungsvakzine an BA.4/5 oder die ältere Subvariante BA.1 angepasst sein sollen. Biontech/Pfizer hat vor Kurzem bei der EMA den Zulassungsantrag für einen Booster mit der Omikron-Subvariante BA.1. eingereicht.
Erst diese Woche hat die EMA mit der Überprüfung von Daten zu einem Biontech-Booster mit der neueren Omikron-Subvariante BA.4/5 begonnen, auch hier erwartet die EMA einen baldigen Antrag auf Zulassung.
Moderna berichtete am 11. Juli, dass man die behördlichen Einreichungen für eine Zulassung eines Zwei-Komponenten-Boosters (Wildtyp sowie BA.1) bei der EMA abgeschlossen habe - er führe auch zu höheren neutralisierenden Antikörperspiegel gegen BA.4 und BA.5 als der ursprüngliche Impfstoff, hieß es in einer Firmenaussendung. Ein Moderna-BA.4/5.-Booster ist in Entwicklung.
Mittwoch gab die EMA bekannt, dass sie zuerst die Zulassung jener zwei Booster von Biontech/Pfizer und Moderna mit der ursprünglichen Variante des Coronavirus und der früheren Omikron-Subvariante BA.1 erwarte. Dies könnte eben Mitte September der Fall sein.
Der Impfstoffexperte der Berliner Charité, Leif Erik Sander, erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass mit den angepassten Impfstoffen die Antikörper „noch einmal etwas verstärkt und verbreitert“ werden und sich daraus „auch ein besserer Schutz“ ergeben werde. „Natürlich werden diese Impfstoffe einen Vorteil haben“, sagt auch Infektiologe Herwig Kollaritsch: „Aber es kristallisiert sich heraus, dass ein an BA.4/BA.5 angepasster Impfstoff mehr bringen könnte als einer, der an BA.1 angepasst ist.“
Die EMA verlangt dafür aber neue Studien mit Probanden – das würde eine Zulassung im Vergleich zu den BA.1-Impfstoffen über September hinaus verzögern. „Das Problem ist, dass die Hersteller noch immer nicht das gemacht haben, was es bei den Grippe-Impfstoffen seit Jahrzehnten gibt“, sagt Kollaritsch, nämlich „Mock-up-Lizenzen“ („Attrappen-Lizenzen“): Der Herstellungsprozess des Impfstoffes hat eine generelle Zulassung, es ändert sich Jahr für Jahr nur die Komponente, die den Impfschutz hervorruft (Antigen) – das beschleunigt die Zulassung.
Millionen BA.1-Dosen auf Lager
Gleichzeitig sind Millionen Booster-Dosen mit der BA.1-Komponente produziert und auf Lager. Laut Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel soll allein Biontech "bis zu 100 Millionen Dosen Omikron-Booster" eingelagert haben, die gegen BA.1 ausgerichtet sind. Viele Experten drängen aber auf eine BA.4/BA.5-Komponente in den Vakzinen - auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach: "Wir gehen in Deutschland davon aus, dass BA.4/5 bei der aktuellen Variante die bessere Impftstoffzusammensetzung ist."
Ähnlich Infektiologe Kollaritsch: „Je näher ein Impfstoff an der aktuellen Variante ist, umso besser ist das natürlich.“ Nachsatz: „Andererseits wissen wir heute nicht sicher, welche Variante wirklich im Oktober dominieren wird.“
Diskutiert wird auch, ob ein bivalenter Impfstoff (also Komponenten gegen Wildtyp und gegen einen Omikron-Subtyp) oder ein monovalenter Impfstoff (nur Komponente gegen Omikron-Subtyp) besser ist. Der deutsche Mediziner Jan Hartmann etwa verweist auf Twitter auf Studiendaten von Pfizer und Moderna, wonach monovalente BA.1-Impfstoffe (ohne zusätzliche Wildtyp-Komponente) zu deutlich höheren Antikörpertitern gegen Omikron führen als bivalente.
Andere Experten halten es hingegen für sinnvoll, auch nochmals den Schutz gegen den Wildtyp zu boostern, darunter auch Infektiologe Kollaritsch: Bis jetzt gebe es keinen Hinweis darauf, dass dies zur sogenannten "Antigen-Erbsünde" führe: Das würde bedeuten, dass durch die neuerliche Wildtyp-Komponente im Impfstoff nur Antikörper gegen dieses dem Immunsystem schon bekannte Virus gebildet werden, aber nicht gegen die Omikronvariante. Denn nach der Theorie der "Antigen-Erbsünde" verstärkt eine Booster-Dosis, die auch die Merkmale der Virusvariante der Grundimmunisierung enthält, vor allem die Produktion von Antikörpern, die sich gegen die Stellen des Virus richtet, auf die bereits die Basis-Immunisierung ausgerichtet war.
"Aber das hat sich bis jetzt eben nicht gezeigt", betont Kollaritsch.Im Gegenteil: Für eine breitere Immunantwort sei es sinnvoll, Impfstoffe zu produzieren, die vor zwei Virus-Varianten einen Schutz bieten.
Eines zumindest ist fix: Ab sofort ist vom Nationalen Impfgremium die vierte Impfung bereits ab 60 statt 65 Jahren allgemein empfohlen.
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