Brustkrebs-Monat: Leben mit der Diagnose - Betroffene erzählen
Vier Frauen - vier Schicksale. Und viele Betroffene. Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Die meisten Erkrankungen können geheilt werden. Doch nichts bleibt, wie es war.
Renate Unterscheider fühlt sich durch die Krankheit gestärkt. Sie sei achtsamer geworden, auch vertrauter mit ihrem Körper, erzählt die heute 56-Jährige.
„Wenn mich heute was zwickt, reagiere ich nicht panisch. Ich warte ein paar Tage. Nur wenn die Beschwerden nicht nachlassen, gehe ich zum Arzt.“
Vor sechs Jahren, an einem Vormittag im April, spürte die Buchhalterin einen Knoten in ihrer Brust. Intuitiv wusste sie, „dass das jetzt was Ernstes ist“. Die heute 56-Jährige aus einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Villach wurde in den folgenden Tagen durch alle ärztlichen Untersuchungen bestätigt.
„Das war eine Vollbremsung in meinem Leben“, erinnert sich Frau Unterscheider. „Ich hatte zuvor viel gearbeitet und meinen Fünfziger ausgiebig gefeiert. Mir war sofort bewusst, dass ich operiert werden muss. Aber ich habe mir gesagt: Ich werde das schon schaffen.“
Zudem wurde sie von Familie, Freunden und Kollegen von Anfang an gut aufgefangen, sagt die Alleinerzieherin einer inzwischen erwachsenen Tochter. Gerne erinnert sie sich an ihren Vorgesetzten, der zu ihr sagte: „Sie waren jetzt 18 Jahre für unsere Firma da, jetzt werden wir für Sie da sein.“
Der Tumor wuchs schnell, war triple negativ. Somit war klar, dass ihr nur eine OP, Chemotherapie und Bestrahlungen helfen. Dankbar sagt sie, dass die Behandlung gut anschlug. Jedoch wollten die Tage in Quarantäne im Spital (durch die Medikamente war ihr Immunsystem sehr geschwächt) „kein Ende nehmen“.
Heute nimmt es Renate Unterscheider mit Humor: „Irgendwann konnte ich die gelben Türen im Spital nicht mehr sehen.“
Sechs Jahre sind seither vergangen, alle Nachsorgeuntersuchungen waren bis dato erfreulich. Wichtig war für sie, „so schnell wie möglich wieder in die Normalität zurückzukehren“. Sie konnte den Spieß umdrehen, sagt sie heute: „Ich wurde gestärkt durch die Krankheit. Ich passe besser auf mich auf, lasse es auch zu, wenn ich einmal müde bin.“
Isabella Alferi-Lafer möchte sich auch weiterhin nicht verstellen, will keine Geheimnisse vor ihren Kindern haben. Damit ist die 35-Jährige bisher gut gefahren.
Der Kurzhaarschnitt steht ihr gut, er erinnert an die Schauspielerin Verena Altenberger. Jedoch ist Isabella Alferi-Lafer keine Schauspielerin, die sich wegen einer Rolle die Haare abrasiert. Der Verlust ihrer schulterlangen Haare war einer Chemotherapie geschuldet, die sie aufgrund eines hormonell bedingten Tumors erhielt.
Bis zum November 2020 war diese Diagnose für die 35-Jährige undenkbar. „Man ist jung, denkt nicht an Krebs“. Doch es traf sie. Und zwar mit voller Wucht. Nach dem Abstillen ihrer dritten Tochter – damals etwa ein Jahr alt – entdeckte sie einen Knoten in ihrer Brust. Eine ähnliche Situation hatte sie bereits während der Stillphase ihrer zweiten Tochter erlebt. „Damals wurde ein Fibroadenom, also ein gutartiges Gewebe, diagnostiziert.“ Doch diesmal war die Diagnose relativ eindeutig. Es war ein ziemlich großer Tumor.“
Innerhalb von zwei Wochen durchlief die Physiotherapeutin alle Untersuchungen, dann folgten acht fordernde Monate: Mit 16 Einheiten Chemotherapie, einer kompletten Entfernung der Brust und anschließend einer Strahlentherapie. Durchgestanden habe sie diese Zeit nur mit viel Hilfe, nicht nur der Ärzte. „Meine Familie hat mir sehr viel Rückhalt gegeben, mein Mann war im Homeoffice und konnte sich um unsere Kinder kümmern. Denn nach der Chemo steht man manchmal ziemlich neben sich.“ Immerhin: „Je dreckiger es mir geht, desto dreckiger geht’s auch dem Tumor.“
Vor ihren Kindern verheimlichte das Paar nicht, dass die Mama „ein Brust-Aua“ hat, wie die mittlere Tochter (3) es nennt. „Meiner ältesten Tochter, heute sechs, erklärten wir, was ich habe – aber nur, so weit sie es brauchte. Sie wollte dabei sein, als mir mein Mann die Haare abrasierte.“ Dieser Akt war der Grazerin wichtig. „Es war ein Trauerprozess für uns alle.“ Auch verstellen wollte sie sich nicht – sie verzichtete auf eine Perücke.
Verstellen will sie sich auch weiterhin nicht. Noch fünf bis sieben Jahre wird ihre Antihormontherapie laufen. Die Nebenwirkungen machen ihr mehr zu schaffen als der frühzeitige Wechsel, der aufgrund des hormonell bedingten Tumors eingeleitet wurde.
Beatrix Miksche-Janku versucht, das Beste daraus zu machen. Der Krebs riss sie aus ihrer Komfortzone.
Das Intervall zwischen zwei Chemotherapien nutzt die studierte Pharmazeutin Beatrix Miksche-Janku derzeit für einen mehrwöchigen Aufenthalt in ihrem Haus in der Türkei. „Ich genieße jede Auszeit“, erzählt sie im Video-Call.
Der 6. Mai 2019 hat ihr Leben verändert – da bekam sie die Diagnose Brustkrebs, im Rahmen einer Routine-Untersuchung des Mammografie-Screeningprogramms. „Zuerst habe ich den Boden unter den Füßen verloren. Aber dann dachte ich mir: Es ist jetzt so und ich werde lernen, damit umzugehen.“
Der Tumor wurde operativ entfernt. Bei der Operation zeigte sich: Der Krebs hatte bereits Metastasen gebildet. „Ich erfuhr nach dem Aufwachen, dass mir 15 befallene Lymphknoten entfernt worden waren.“ Mit Bestrahlungen und einer Antihormontherapie kam die heute 70-Jährige längere Monate gut durch. Da ihre Krebsform hormonbedingt ist, ließ sie auch Eierstöcke und Eileiter entfernen. Genau jetzt begann der Krebs aber, nicht mehr hormonabhängig zu sein, die Tumormarker stiegen. „Als mein Onkologe sagte, dass ich eine Chemotherapie brauche, bin ich erst mal wirklich zusammengebrochen.“ Doch sie behielt das Vertrauen – und verträgt auch die Chemotherapie gut. Ihre Ärzte bezeichnet sie als ihre Engel: „Sie begleiten mich voller Empathie, ich bin ihnen wie Freunden verbunden.“
Ihr Resümee: „In gewisser Weise bin ich dem Krebs dankbar.“ Warum? „Ich hatte alles, was man sich vorstellen kann: Tolle Kinder, einen wunderbaren Mann, ein Haus in Mexiko und ein wunderschönes Leben in der Pension. Aber ich habe es für selbstverständlich genommen. Die Diagnose hat mich aus meiner Komfortzone rausgerissen.“ Die Erkrankung hat Miksche-Janku verändert: „Dinge, die mir früher wichtig waren, sind es heute gar nicht mehr. Ich bin sensibler geworden gegenüber Menschen, prüfe, ob die Chemie stimmt, und auch dankbarer. Auch mein Mann merkt, dass ich mich verändert habe.“ Anderen Betroffenen möchte sie Mut machen: „Das meiste findet im Kopf statt. Das, was ist, können wir nicht ändern. Wir können nur das Beste daraus machen und selbst in einer Situation wie dieser das Positive daran sehen.“
Zorica Steinwendtner kann nicht mehr selber erzählen. Sie ist vor einem Jahr gestorben. Ihr Mann hat sie bis zuletzt begleitet.
Alles schien wieder ins Lot zu kommen. Seine Frau Zorica hatte sich in den fünf Jahren nach ihrer Brust-Operation, der Chemotherapie und den Bestrahlungen gut erholt. Die Kontrolluntersuchungen zeigten jedenfalls nie etwas Verdächtiges an. Er hatte sich zuletzt vermehrt um die beiden Söhne gekümmert, die kamen gut voran. „Doch dann für uns der Hammer.“
Hermann Steinwendtner krampft es heute noch leicht zusammen, wenn er von der Diagnose im 16er-Jahr spricht. Der Prozessmanager bei den ÖBB zitiert die Worte der Ärzte: „Metastasen an der Leber.“ Nach weiteren Operationen wurde auch gesagt, dass ein Herd direkt neben der Hauptblutzufuhr zur Leber nicht mehr zu operieren ist.
Mit den „Meta Mädels“
Wir haben Hermann Steinwendtner in seinem Haus in einem Kleingartenareal in Wien-Donaustadt aus folgender Überlegung besucht: Dank der großen Fortschritte in der modernen Medizin bedeutet die Diagnose Brustkrebs kein Todesurteil mehr. Anlass zur Sorglosigkeit ist jedoch nicht gegeben. Das Risiko geht weiterhin nicht gegen Null. Nicht zuletzt hängen die jeweiligen Überlebenschancen auch von der Art des Brustkrebses ab.
Herr Steinwendtner sitzt in seinem Garten, beim Blick auf das Foto seiner Zorica sagt er: „Sie war bis zuletzt eine Kämpferin.“ Solange ihre Kräfte reichten, traf sie sich regelmäßig und sehr gerne mit anderen Frauen, die so wie sie mit der Diagnose Brustkrebs leben lernten, den „Meta Mädels“. Die Initiative wurde von einer Betroffenen und der Österreichischen Krebshilfe ins Leben gerufen, sie ist auch auf Facebook als geschlossene Gruppe aktiv. Der Mann der Verstorbenen bedankt sich nachträglich noch einmal: „Die Treffen gaben ihr zusätzlich Energie.“
Gerne erinnert sich der Witwer auch an unzählige gemeinsame Spaziergänge rund um die Untere Alte Donau: „Sie hat das lange Gehen von sich aus immer angestrebt.“ Bis zum Vorjahr ging es ihr gesundheitlich eher wie bei einer Wanderung durch den Wienerwald: mal rauf, mal runter. Alle Therapien wirkten, einigermaßen.
Doch die bösen Zellen neben der Leber ließen sich nicht mehr stoppen. „Im Juni des Vorjahres haben wir noch einmal gemeinsam Urlaub in Kärnten gemacht.“ Danach hieß es Abschied nehmen.
Jenes Organ, das dazu da ist, den Körper zu entgiften, musste die Arbeit einstellen.
Seine Buben, er selbst, seine Familie: „Wir konnten uns noch trotz Corona von meiner Frau verabschieden.“ Sie starb am 24. August 2020, mit gerade einmal 46 Jahren.
Auf die Frage, was er aus den vergangenen elf Jahren gelernt hat, was er weitergeben möchte, sagt Hermann Steinwendtner: „Man soll nichts auf die lange Bank schieben. Man soll es machen, wenn man es machen möchte. Es kann von einem Tag auf den anderen sehr schnell gehen.“ Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Meine Frau und ich haben uns auch darüber unterhalten, ob die Brust erhaltende OP die richtige Wahl war.“
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