Jährlich zwei Millionen neue Fälle: "Brustkrebs darf kein Tabu mehr sein"
Christa Bleyer weiß, wie es ist, die Diagnose Brustkrebs zu bekommen. "2003 habe ich durch Zufall einen Knoten ertastet. Kurze Zeit später war ich auch schon zum ersten Mal mit der Diagnose konfrontiert. Bei mir hatten sich zwei bösartige, schnell wachsende Tumore in der linken Brust gebildet. Es war fürchterlich, damit umgehen zu müssen."
Nur vier Jahre später fanden die Ärzte zwei weitere Karzinome, 2009 wurden dann Metastasen in der Lunge entdeckt, die linke Brust hatte dorthin gestreut. Im Jahr 2015 – nachdem weitere Knoten erkannt wurden – wurden der 64-Jährigen schließlich beide Brüste operativ abgenommen. Ihre Therapie dauert bis heute an.
Der Brustkrebsmonat Oktober ist jedes Jahr Anlass, die Vorbeugung, Behandlung und Erforschung von Brustkrebs ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. "Vor einigen Jahrzehnten war die Diagnose noch ein Todesurteil für Frauen, gute Behandlungsmöglichkeiten Mangelware. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei", sagt Susanne Erkens-Reck, Geschäftsführerin von Roche Austria. Das Pharmaunternehmen mit Hauptsitz im Schweizer Basel forscht seit vielen Jahren schwerpunktmäßig an neuen Medikamenten und Behandlungsmethoden für Brustkrebspatientinnen. "Viele Arten sind inzwischen sehr gut behandelbar", sagt Erkens-Reck. Ein Durchbruch sei kürzlich bei "Triple-negativem Brustkrebs" gelungen, auf den rund 15 Prozent aller Brustkrebsfälle entfallen und der bisher nur schwer therapierbar war.
"Schau auf deine Brüste"
Die Wichtigkeit der Brustkrebs-Vorsorge will Roche mit der österreichweiten Brustgesundheitskampagne #watchyourboobs ("Schau auf deine Brüste") in den Fokus rücken. Besonders groß sind die Chancen auf Heilung, wenn Brustkrebs früh erkannt wird, weiß Christian Singer, Gynäkologe und Brustkrebsspezialist an der MedUni Wien. Jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Da Brustkrebs im frühen Stadium meist keine Schmerzen verursacht, ist es umso wichtiger, die Symptome im Auge zu behalten. Dazu zählen etwa Rötungen oder Entzündungen der Brust, Formveränderungen und Verhärtungen des Gewebes. "Wie wichtig es ist, den Brustkrebs rechtzeitig zu erkennen, wird noch immer unterschätzt", betont Singer, "dabei kann es Leben retten".
Wird der Krebs entdeckt, noch bevor er in andere Organe gestreut hat, ist eine Genesung wahrscheinlich. "Von 100 Frauen, die heute an Brustkrebs erkranken und bei denen dieser rasch diagnostiziert wird, können bis zu 86 in zehn Jahren pumperlgsund leben." Bei der Behandlung von Krebs unterscheidet man zwischen krebsfrei und geheilt. Neue Therapien hätten dazu geführt, dass immer weniger Frauen einen Rückfall erleiden.
Laut der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon werden weltweit jährlich 2,1 Millionen neue Brustkrebs-Diagnosen gestellt. In Österreich erkranken jedes Jahr rund 5.600 Frauen an Brustkrebs und etwa 1.600 sterben an den Folgen der Erkrankung.
Brustkrebs betrifft längst nicht nur Frauen: "Auch Männer können daran erkranken und sollten auf ihre Brust schauen", mahnt Gesundheitsbotschafterin Vera Russwurm, die die #watchyourboobs-Kampagne unterstützt. Jährlich erkranken zwischen 600 und 700 Männer am eigentlich als Frauenkrankheit bekanntem Brustkrebs. Das macht rund ein Prozent aller Brustkrebsfälle aus. "Für viele wird das Gespenst Karzinom erst greifbar, wenn man jemanden kennenlernt, der davon betroffen ist oder einen geliebten Menschen an den Brustkrebs verliert. Es kann aber jeden treffen, auch ohne genetische Vorbelastung."
Stichwort Genetik: Laut Singer reicht es nicht aus, als Frau mit steigendem Alter die Brust nur selbst abzutasten. Wer in Österreich sozialversichert ist, erhält ab dem 45. Lebensjahr die Einladung zur Mammografie (Röntgenuntersuchung der Brust). Für Frauen, bei denen Brustkrebs in der Familie gehäuft auftrifft, besteht die Möglichkeit einer engmaschigen Kontrolle schon ab dem 25. Lebensjahr.
Prävention "nicht einfach umzusetzen"
Eine Wunderpille gegen Brustkrebs gibt es nicht, betont Singer, vorbeugen kann man durch gesunden Lebensstil: "Es ist nicht einfach umzusetzen", schickt Singer voraus, "aber wichtig wäre, Normalgewicht anzustreben, rund drei Mal die Woche etwa 20 Minuten Sport zu treiben – das senkt das Risiko um bis zu 40 Prozent – und den Alkoholkonsum einzuschränken".
In Zeiten von Corona hätten viele Frauen die Mammografie-Vorsorge ausfallen lassen, bedauert der Gynäkologe. Er ermutigt diese nun nachzuholen: "Die Zahl der Mammografien ist im vergangenen Halbjahr österreichweit um 40 Prozent zurückgegangen, wir holen das nun langsam auf. Die Angst vor einer Ansteckung im medizinischen Umfeld ist unbegründet, in Spitälern und Praxen ist man sehr gut aufgehoben."
"Ich weiß, dass ich unheilbar krank bin"
Christa Bleyer ist bis heute nicht krebsfrei. "Ich weiß, dass ich unheilbar krank bin", sagt die mittlerweile erfahrene Krebspatientin. Betroffenen rät sie, offen über den Krebs zu sprechen: "Brustkrebs darf kein Tabu-Thema mehr sein. Mir hat es Kraft gegeben mit meiner Familie und vor allem meinen Enkelkindern darüber zu sprechen. Sie dürfen aufgrund des erhöhten Risikos schon ab dem 18. Lebensjahr zur Krebsvorsorge." Auch der Austausch mit Gleichgesinnten – etwa über Selbsthilfegruppen oder die Patientenorganisation Europa Donna Austria – könne eine Stütze darstellen.
Der Brustkrebs habe sie verändert: "Ich leide unter körperlichen Nebenwirkungen der Behandlungen. Das ist die weniger schöne Seite. Das Positive an der ganzen Sache ist, dass ich die Vergänglichkeit des Seins erkannt habe. Ich lebe heute ein Stück weit bewusster – wenn ich morgens aufstehe, danke ich dem Krebs. Nicht dafür, dass er da ist, aber dass er mich fordert, weiterzumachen."
Die Patientenorganisation lässt Menschen mit metastasiertem Brustkrebs ihre Geschichten erzählen, um anderen betroffenen Frauen Mut zu machen.
Auf der Website findet man gesammeltes Wissen und Aufklärungsmaterial rum ums Thema Brustkrebs.
ZDF-Familienserie mit krebskranker Heldin
In "Fritzie" bekommt die Endvierzigerin Fritzie, Lehrerin an einem Berliner Schulzentrum, Ehefrau eines Polizisten und Mutter eines halbwüchsigen Sohnes, die Diagnose Brustkrebs. Das sechsteilige Projekt startet am 1. Oktober um 20.15 Uhr im ZDF.
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