Allergische Impf-Reaktion: Was die Einzelfälle bedeuten
Inzwischen werden täglich Tausende Dosen des neuen Corona-Vakzins von Pfizer-BioNTech verimpft. Unter anderem in den USA. Dort, im größten und am dünnsten besiedelten Bundesstaat Alaska, erlitt eine Pflegekraft nach der Impfung am Dienstag einen allergischen Schock.
Bei der Frau mittleren Alters setzten die Symptome – Ausschlag im Gesicht und am Oberkörper, Atemnot, erhöhte Herzfrequenz – zehn Minuten nach der Injektion in einem Spital ein. Sie erhielt mehrere Dosen Adrenalin sowie Steroide. Schließlich wurde sie zur Überwachung auf die Intensivstation verlegt. Sie könnte noch im Laufe des Donnerstags entlassen werden, hieß es.
Ein geimpfter Mann wurde im selben Krankenhaus nach kurzweiligen Schwellungen im Augenbereich, Benommenheit und einem kratzenden Hals am Mittwoch ebenso mit Adrenalin behandelt. Da es sich um keinen allergischen Schock handelte, wurde er nach einer Stunde entlassen.
"Eine anaphylaktische Reaktion, wie ein allergischer Schock auch genannt wird, ist Ausdruck einer Überempfindlichkeit des Körpers", erklärt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Ärztekammer. "Das kann bei jeder medizinischen Therapie auftreten, aber auch durch Nahrungsmittel, besonders häufig zum Beispiel bei Erdnüssen, verursacht werden."
Dabei reagiert der ganze Körper: Im Extremfall kann es zu Blutdruckabfall und einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. "Letzteres ist bei den bisherigen Betroffenen Gott sei Dank nicht passiert", sagt Markus Zeitlinger, Facharzt für Klinische Pharmakologie von der MedUni Wien.
Keine Panik
Mit der Zahl solcher Einzelfälle – auch in Großbritannien trat bei zwei mit "BNT162" geimpften Pflegekräften vorübergehend eine anaphylaktische Reaktion auf – steigt die Verunsicherung in der Bevölkerung. Ist sie berechtigt? "Nein", beruhigt Schmitzberger, "solche seltenen Reaktionen sind im erwartbaren Bereich." Auch die Zahlen aus der finalen Prüfstudie zum Pfizer-BioNTech-Impfstoff mit über 44.000 Probanden sprechen eine klare Sprache: 0,63 Prozent der Impfgruppe und 0,51 Prozent in der Placebogruppe berichteten über leichte allergische Reaktionen, Anaphylaxien blieben aus.
Bei Menschen mit schwerer Allergie-Geschichte kann es durch Impfungen häufiger zu solchen Reaktionen kommen, weiß Zeitlinger. Aus klinischen Studien werden sie meist ausgeschlossen, weil man eine Arznei möglichst breit und keine sehr seltenen Extremfälle untersuchen will. "Meist wissen Betroffene aber um ihr Risiko und tragen immer für Notfälle einen Adrenalin-Autoinjektor bei sich." Klar sei, "dass man niemanden ein zweites Mal impfen wird, der eine solche Reaktion gezeigt hat". Menschen mit schweren Allergien "sollten vorsichtshalber auf jeden Fall 24 bis 48 Stunden nach der Impfung nicht alleine sein", ergänzt Virologin und Impfstoff-Expertin Christina Nicolodi.
Müssen sich nun alle Allergiker vor Nebenwirkungen fürchten? "Nein", sagt Zeitlinger. "Vorsicht ist nur geboten, wenn man schon einmal extrem allergisch reagiert hat. Wir reden nicht vom pelzigen Gefühl auf der Zunge, nachdem man eine Ananas gegessen hat." Im Unterschied zu den beiden Fällen in Großbritannien wies die US-Amerikanerin keine Geschichte schwerer Allergien auf. Auch das sei kein Grund zur Sorge, sagt Schmitzberger: "Ein allergischer Schock kann durchaus auch selten spontan auftreten."
Sicherer Inhalt
Die Pfizer-BioNTech-Impfung enthält neben der Boten-RNA stabilisierende Lipide. Zugesetzte Salze helfen dem Körper, die Lösung zu absorbieren, einige Milligramm Saccharose schützen den Impfstoff während des Gefrierprozesses. "Allesamt Substanzen, die als Allergene keine Rolle spielen und in allen möglichen Impfstoffen vorkommen", sagt Immunologin Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien. Konservierungsmittel und Hühnereiweiß (hier wurden in der Vergangenheit bereits allergische Impf-Reaktionen dokumentiert) sind nicht enthalten.
Einzelne Impfstoffbestandteile seien auch laut Schmitzberger keinesfalls als gefährlich einzustufen: "Wenn das so wäre, dann hätte man bei den Zehntausenden bisher Geimpften eine entsprechende Häufung von allergischen Reaktionen gesehen."
Achtsam immunisieren
Zu Beginn wird der aufwendig zu lagernde Impfstoff in medizinischen Zentren verimpft werden. Auch bei einer Verlagerung in hausärztliche Ordinationen könne man im Ernstfall rasch reagieren, sagt Schmitzberger: "Das Notfallmedikament Adrenalin gehört zur normalen Ausrüstung vor Ort." Überlegt wird auch, starke Allergiker nicht in Impfstraßen zu impfen, berichtet Jensen-Jarolim.
Schlussendlich müsse man wie bei jeder medizinischen Behandlung abwägen, ob es für den Einzelnen wichtiger ist, die Impfung zu bekommen oder ob andere Risiken überwiegen – im konkreten Fall die Gefahr eines allergischen Schocks. Zeitlinger dazu: "Aus meiner Sicht spricht bei den wenigen Allergikern mit anaphylaktischer Vorgeschichte mehr gegen als für eine Impfung. Das Risiko für das Individuum ist zu groß und man sollte sich eher mit Maske und andern Hygienemaßnahmen schützen."
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