Abnehmspritze: Warum Absetzen oft nicht möglich ist
Die als Abnehmspritzen bekannten Adipositasmedikamente gelten als revolutionär und sind so begehrt, dass es immer wieder zu Lieferengpässen kommt. Bis zu einem Viertel des Körpergewichts kann man mit den Injektionen verlieren. Neben chirurgischen Eingriffen sind sie für stark fettleibige Menschen oft die letzte Hoffnung nach zahlreichen erfolglosen Abnehmversuchen und insbesondere für jene notwendig, die bereits unter Folgeerkrankungen wie Diabetes, Gelenkserkrankungen oder Herz-Kreislaufbeschwerden leiden.
Die enthaltenen Wirkstoffe regulieren den Appetit, indem sie ein Darmhormon nachahmen. Die sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten erhöhen das Sättigungsgefühl, man isst weniger und nimmt ab. Spätestens, wenn das Zielgewicht erreicht ist, stellt sich die Frage, ob die Spritzen abgesetzt werden können – auch wegen der je nach Medikament und Dosis hohen Kosten von bis zu 540 Euro pro Monat, die selbst getragen werden müssen.
Körper versucht Ausgangsgewicht wieder zu erreichen
Ihr Gewicht ohne das Medikament zu halten, gelingt aber nur wenigen, wie Johanna Brix, Leiterin der Adipositasambulanz der Klinik Landstraße, weiß. "Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die eine kontinuierliche Therapie benötigt. Setzt man die Medikamente ab, hat man dasselbe Heißhungergefühl und das fehlende Sättigungsgefühl wie zuvor. Der Körper wird versuchen, wieder auf das Gewicht, das man einmal hatte, zu kommen", sagt Brix.
Abnehmmittel
In Österreich werden vor allem zwei der neuen Abnehmmedikamente eingesetzt: Saxenda mit dem Wirkstoff Liraglutid des dänischen Herstellers Novo Nordisk und seit Juni Mounjaro (auch Zepbound) mit dem Wirkstoff Tirzepatid vom Hersteller Eli Lilly. Letzteres ahmt neben GLP-1 mit GIP auch ein weiteres Darmhormon nach und gilt als noch potenter.
Namenskunde
Bekannt sind zudem die Medikamente Ozempic und Wegovy von Novo Nordisk. Das Abnehmmittel Wegovy ist in Österreich nicht erhältlich. Ozempic enthält wie Wegovy den Wirkstoff Semaglutid, ist jedoch nur zur Behandlung von Diabetes zugelassen.
Die Ursache dafür ist evolutionsbedingt – in unseren Körpern ist eingeprägt, dass Gewichtsverlust lebensbedrohlich sein kann. Sobald man mit gewichtsreduzierenden Maßnahmen aufhört, arbeitet der Körper daran, Fettreserven einzulagern. Jeder, der Diäten hinter sich hat, kennt diesen Jo-Jo-Effekt. Sich dagegen zu wehren, sei sehr schwer, meint Brix. "Man muss sich klar sein, dass man nicht für eine gewisse Zeit ein Medikament nimmt und dann ist man schlank. Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die eine langfristige, begleitende Therapie braucht. Man kann zwar die Dosis reduzieren oder vorübergehend pausieren, aber je nach Ausmaß der Adipositas ist eine kontinuierliche Therapie nötig."
Das zeigen auch Studien. Ein internationales Forscherteam belegte etwa, dass von 700 fettleibigen Personen, die mit dem Wirkstoff Tirzepatid im Schnitt 23 Prozent ihres Gewichts abgenommen hatten, eine Hälfte nach einem Jahr, in dem sie nur ein Placebo erhielten, wieder um elf Prozent zunahmen. Die andere Hälfte der Studienteilnehmer erhielt weiterhin Tirzepatid und nahm weitere zwei Prozent ab. Nur 16 Prozent derer, die nur das Placebo-Medikament erhielten, konnten ihr Gewicht halten.
Anstieg "meist unter dem Ausgangsgewicht"
Auch bei Novo Nordisk, dem dänischen Hersteller anderer Präparate, kennt man den Effekt. "In unseren klinischen Zulassungsstudien zu den Adipositasmedikamenten Saxenda und Wegovy ist ersichtlich: Wird die gesamte Adipositastherapie unterbrochen, kommt es zu einem langsamen Anstieg des Gewichts, der jedoch meist unter dem Ausgangsgewicht bleibt", sagt Aleksandar Ciric, Geschäftsführer der österreichischen Niederlassung.
Dies treffe aber auf alle Maßnahmen einer Adipositastherapie, also auch Ernährungsumstellung oder vermehrte körperliche Aktivität, zu. Generell brauche es zusätzlich zu den Medikamenten eine Änderung des Lebensstils, um abzunehmen und das Gewicht zu halten.
Gespräche mit Krankenkassen
Immer wieder gäbe es Patienten, die sich die langfristige Therapie nicht leisten können, erzählt Brix. Die Adipositasexpertin hofft, dass es künftig zumindest für Patienten mit schweren Folgeerkrankungen eine Kostenübernahme oder Zuschüsse vonseiten der Krankenkassen gibt. "Sonst geht hier wirklich eine Schere auf, von jenen, die sich eine Therapie leisten können, und jenen, die das nicht können." Von Novo Nordisk heißt es, dass dazu Gespräche laufen. "Es ist wichtig, dass wir gemeinsam eine Lösung finden, zumindest für jene, die es am dringendsten benötigen – und so das Gesundheitssystem langfristig entlasten", meint Ciric.
Mehrere Hersteller arbeiten derzeit an anderen Verabreichungsformen, etwa einer Pille statt der wöchentlichen Spritze. "GLP-1-Rezeptoragonisten sind kurzkettige Peptide, die von der Magensäure angegriffen werden. Die Entwicklung einer oralen Verabreichungsform ist daher aufwendig", meint Ciric. In den nächsten Jahren werde es aber wesentlich mehr Therapieoptionen für Menschen mit Adipositas geben.
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