Abnehmspritze: Doch kein höheres Risiko für Selbstmordgedanken

Semaglutid (Handelsname Ozempic) ist ein Antidiabetikum, das zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und zur langfristigen Gewichtskontrolle eingesetzt wird. 
Personen, die die Mittel verwenden, hatten in einer aktuellen Studie sogar ein leicht geringes Risiko für Suizidgedanken.

Berichte über eine Häufung von Selbstmordgedanken bei Patienten, welche die Abnehmmedikamente Ozempic, Wegovy oder Saxenda verwenden, sorgten vergangenen Sommer für Aufsehen. In Island wurden Fälle dokumentiert, bei denen Patienten nach Verabreichung von Ozempic oder Saxenda Suizidgedanken oder Selbstverletzungsgedanken hatten. 

Auch in den USA gab es ähnliche Berichte. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA begann mit einer Untersuchung der unterwünschten Ereignisse, auch Hersteller Novo Nordisk nahm die Berichte sehr ernst. Laut EMA wurden rund 150 derartiger Fälle beobachtet. 

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Daten von rund 1,8 Mio. Menschen wurden aktuell untersucht

Bereits damals vermeldete der dänische Pharmakonzern in einem Statement, dass die interne Sicherheitsüberwachung keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Medikamenten und den selbstverletzenden Gedanken festgestellt habe. Dies wird nun durch eine große amerikanische Untersuchung gestützt. Die von den amerikanischen National Institutes of Health geförderte Forschung könnte Bedenken beruhigen. 

Untersucht wurden die Daten von rund 241.000 Menschen, die Wegovy oder andere Medikamente zur Gewichtsreduktion verschrieben bekommen hatten, sowie in einem zweiten Schritt die Daten von rund 1,6 Millionen Menschen, die Ozempic oder andere Medikamente zur Senkung ihres Blutzuckers einnahmen. Der in den Medikamenten enthaltene Wirkstoff Semaglutid wurde ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt. 

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Die Forscher verglichen die Häufigkeit von Selbstmordgedanken bei Menschen, die die Abnehmmedikamente einnahmen, mit der Häufigkeit bei ähnlichen Menschen, die sie nicht einnahmen, aber andere Medikamente zur Gewichtsreduktion bzw. gegen Diabetes erhielten. 

Kein höheres Risiko für Suizidgedanken bei Semaglutid gefunden

Das Ergebnis: Die untersuchten Daten belegen kein höheres Risiko für Suizidgedanken bei der Einnahme von Semaglutid im Vergleich zu Medikamenten mit anderer Wirkweise, die ebenfalls gegen Fettleibigkeit und Diabetes eingenommen werden. "Egal, wie sehr wir es versuchten, wir sahen kein erhöhtes Risiko für Selbstmordgedanken", sagte Studienatuor Rong Xu von der University of Cleveland gegenüber der New York Times

Vielmehr zeigte sich, dass die Häufigkeit von Selbstmordgedanken in der Gruppe derer, die Ozempic oder Wegovy einnahmen, leicht niedriger war als der Gruppe derer, die diese Medikamente nicht einnahm. Allerdings handle es sich laut den Autoren um eine Beobachtungsstudie, die keine Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung zulasse. Weitere Studien seien erforderlich, um zu klären, ob die Medikamente Suizidgedanken auslösen können. 

Was könnte Selbstmordgedanken auslösen, wenn es nicht das Medikament ist?

Unklar ist, wie die Fallberichte von Selbstmordgedanken interpretiert werden. Lösten tatsächlich die Medikamente die Selbstmordgedanken aus oder hatten sie die Gedanken aus anderen Gründen, die nichts mit den Abnehmmedikamenten zu tun haben? Adipositasexpertin Johanna Brix erklärte in einem Gespräch mit dem KURIER im Sommer: "Was wir wissen ist, dass wir nach bariatrischen Operationen (chirurgische Maßnahmen zur Behandlung von Fettleibigkeit, Anm.) erhöhte Selbstmordraten sehen, die offensichtlich eher mit dem Gewichtsverlust und was er für mich bedeutet, zusammenhängen. Bei dem Medikament selbst von seiner Wirkweise her schließe ich einen Zusammenhang aus.“ 

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Dennoch gab es bereits in der Vergangenheit Medikamente, bei denen nach Einnahme eine Häufung von Suizidgedanken auftrat. So wurde etwa im Jahr 2008 das Medikament Acomplia von Sanofi in Europa zurückgezogen, nachdem es mit Selbstmordgedanken in Verbindung gebracht wurde. In den USA hatte es nie eine Zulassung erhalten. Das Mittel veränderte Teile des Nervensystems, die den Appetit regulieren. Zudem gibt es einzelne, in den USA zugelassene Abnehmpillen, bei denen es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Selbstmordgedanken gibt. 

Die EMA hat noch keine abschließende Einschätzung abgegeben. Sie werde sich dazu laut einem Bericht der New York Times im April bei einer Sitzung beraten. Die Studie kann hier nachgelesen werden.

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