Zypern-Präsident: "Kommen wieder auf die Beine"
In der Nacht auf Montag kam die erlösende Meldung aus der Eurogruppe: Es gibt ein Hilfspaket, Zypern ist gerettet. „Wir haben einen besseren Deal als vergangene Woche – und das unter schwierigeren Bedingungen“, sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Er verkündete, erklärte und verteidigte die Vereinbarung in der Nacht. Am Abend tat dies Zyperns Präsident Nikos Anastasiades im heimischen TV. Er bezeichnete die Maßnahmen als schmerzhaft, aber „wir werden wieder auf die Beine kommen“. Ausgehandelt hatten den Deal in teils feindseligen Gesprächen über zehn Stunden Anastasiades, sein Finanzminister Michalis Sarris, EZB-Boss Mario Draghi, Währungskommissar Olli Rehn und IWF-Chefin Christine Lagarde mit Kommissionspräsident Manuel Barroso und Ratspräsident Hermann van Rompuy. Die Euro-Finanzminister, die im Haus warteten, mussten nur noch abnicken.
Fekter verteidigt Deal
Österreichs Finanzministerin Maria Fekter verteidigte in der ZiB 2 das EU-Krisenmanagement – und auch die Tatsache, dass größere Sparguthaben in Zypern nun auch zum Teil verloren sind. „Man kann nicht immer nur die Steuerzahler jener Länder zur Kasse bitten, die ihre Budgets in Ordnung haben. Die Einlagensicherung hängt eben auch vom jeweiligen Staat ab, ob er diese tragen kann. Bei Zypern war das nicht der Fall.“ Dass nach der Trockenlegung der zypriotischen Steuer-Oase Geld dubioser Herkunft wegen des strengen heimischen Bankgeheimnisses vermehrt in Österreich geparkt werden könnte, glaubt Fekter nicht. „Unser Bankgeheimnis hat nichts mit Zypern zu tun.“ Es gebe keinen Grund, daran etwas zu ändern.
Und das sind die wichtigsten Punkte, die auch Fekter mitverhandelt hat:
Keine Sondersteuer: Alle Einlagen unter 100.000 Euro bleiben unangetastet.
Bank-Abwicklung: Die Laiki Bank (auch Popular Bank of Cyprus), das zweitgrößte Finanzinstitut des Landes, wird in eine „Good Bank“ und eine „Bad Bank“ gespalten. Die „Good Bank“ enthält alle Einlagen unter 100.000 Euro sowie neun Milliarden an offenen Notkrediten der EZB. Sie wird Teil der Bank of Cyprus.
Die „Bad Bank“ wird aufgelöst – dabei werden Aktien, Anleihen und Einlagen über 100.000 Euro fast oder ganz einbehalten. Dies soll 4,2 Milliarden Euro der benötigten 5,8 Milliarden bringen.
Bank-Umwandlung: Die Bank of Cyprus, größtes Institut der Insel, wird rekapitalisiert. Aktien, Anleihen und Einlagen über 100.000 Euro werden in neue Bank-Aktien umgewandelt. Investoren und Sparer verlieren auch hier. Danach soll die Bank wieder normal arbeiten.
Hilfsgelder aus Brüssel: Bis zu zehn Milliarden erhält Zypern aus dem Euro-Rettungsschirm und vom Internationalen Währungsfonds, dessen Anteil bei rund einer Milliarde liegen dürfte. Im Gegenzug verpflichtet sich Zypern (per Parlamentsbeschluss) zu einem strengen Spar- und Reformprogramm – ähnlich wie dies schon Irland, Portugal und Griechenland getan haben. Wichtig: Die Hilfsgelder werden nicht zur Stützung der angeschlagenen Banken verwendet.
Notkredite der EZB: Die Zentralbank wird den Geldhahn nicht zudrehen, sondern wie bisher die „Emergency Liquid Assistance“ leisten.
Während Moskau zunächst tobte, zeigten sich in Europa – vor allem deutsche – Politiker zufrieden über die Lösung. „Das Ergebnis ist richtig“, sagte Angela Merkel. Es nehme auch die in die Verantwortung, die die Probleme mit verursacht hätten. Die deutsche Kanzlerin sprach von einer „gerechten Verteilung der Lasten“. Sie erwarte nun ein Sparpaket mit Privatisierungen, Strukturreformen und Steuererhöhungen von Zypern.
Ermüdung in Zypern
Nur hier und da gab es Demos, etwa von Bankbeamten, die jetzt zu Tausenden um ihre Jobs fürchten müssen. Mit Bankomatkarte konnte man fast nirgends bezahlen. „Erst wenn die Finanzsituation gelöst ist“, hieß es. Zyperns Banken öffnen nun doch nicht wie geplant am Dienstag. Wie die Zentralbank des Mittelmeerstaats am Montagabend mitteilte, sollen alle Banken bis Mittwoch geschlossen bleiben. Ursprünglich sollten die meisten Banken, bis auf die Bank of Cyprus und die Laiki Bank (Cyprus Popular Bank), am Dienstag wieder öffnen.
Wie geht´s weiter?
Als nächstes muss Zypern mit der Troika ausmachen, wie es das 10-Milliarden-Hilfspaket gegenfinanzieren will. Zudem soll wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt werden. Auch der deutsche Bundesnachrichtendienst hat sich der Sache angenommen. Ein großer Teil der 20 Mrd. Euro, die Russen auf zyprischen Banken geparkt hätten, seien „dem Schwarzgeld zuzurechnen“, sagte BND-Chef Gerhard Schindler dem Handelsblatt.
In Zypern muss über das Paket nicht noch einmal abgestimmt werden, weil die Abgeordneten entsprechende Gesetze schon am Samstag beschlossen hatten. Allerdings müssen andere Parlamente das Paket durchwinken – etwa Deutschland. Die Abgeordneten in Nikosia müssen dem jetzt folgenden Sparprogramm zustimmen.
Zypern soll durch Kredite der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in die Lage versetzt werden, bis 2020 etwa eine Schuldenquote von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erreichen. Es folgen Schlüsselpunkte des Programms auf der Grundlage einer Erklärung der Euro-Finanzminister:
1. Die Laiki Bank wird sofort abgewickelt. Einlagen über 100.000 Euro und Mittel aus Aktien und Anleihen werden dabei eingezogen. Nur die unversicherten Einlagen über 100.000 Euro werden eingefroren, bis eine Rekapitalisierung erreicht wurde.
2. Laiki wird in eine "Bad Bank" und eine "Good Bank" aufgeteilt. Die "Bad Bank" wird langfristig abgewickelt.
3. Die "Good Bank" wird Teil der Bank of Cyprus (BoC). Dabei werden neun Milliarden Euro an offenen Notkrediten bei der Zentralbank eingebracht.
4. Die EZB wird der BoC Liquidität bereitstellen.
5. Die Rekapitalisierung der BoC erfolgt durch eine Umwandlung der Einlagen über 100.000 Euro in Aktien. Dabei werden die bisherigen Aktionäre und Anleihen-Besitzer voll einbezogen.
6. Die Umwandlung erfolgt in der Form, dass bis zum Ende des Programms eine Eigenkapitalquote von neun Prozent erreicht wird.
7. Alle versicherten Einlagen in allen Banken genießen den vollen Schutz der entsprechenden EU-Richtlinien.
8. Die Hilfsgelder von bis zu zehn Milliarden Euro werden nicht verwendet werden, um die Laiki Bank und die BoC zu rekapitalisieren.
Russland will nun doch einen Beitrag zur Rettung des EU-Krisenstaates Zypern leisten. Kremlchef Wladimir Putin habe die Regierung angewiesen, die Bemühungen der Eurogruppe zu unterstützen, so Putins Sprecher Dmitri Peskow am Montag nach Angaben der Agentur Interfax.
Dabei geht es um die "Umstrukturierung" des 2011 ausgezahlten Kredits von 2,5 Milliarden Euro. Zypern hatte beantragt, die Rückzahlung von viereinhalb auf fünf Jahre zu strecken sowie den Zinssatz von 4,5 Prozent zu senken. In der vergangenen Woche hatte Russland eigene Hilfen von einer vorherigen Einigung auf eine Rettung innerhalb der EU abhängig gemacht.
"Präsident Putin hält es für möglich, die Anstrengungen des zypriotischen Präsidenten und auch der EU-Kommission zu unterstützen", sagte Peskow. Ziel müsse sein, die Krise in der Wirtschaft und im Bankensystem des Inselstaates zu überwinden.
Medwedew spricht von "Diebstahl"
Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew hat auf die jüngsten Beschlüsse zur Abwendung eines Staatsbankrotts Zyperns deutlich negativer als Putin reagiert. "Meiner Meinung nach geht der Diebstahl von dem, was bereits gestohlen wurde, weiter", sagte Medwedew am Montag vor Regierungsvertretern in Moskau. "Wir müssen herausfinden, was diese Geschichte auf die Dauer bringt", sagte Medwedew am Montag nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen. Es müsse "untersucht" werden, was die Beschlüsse für "Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem" hätten.
Ein Großteil der betuchten Bankkunden der Insel sind bekanntlich Russen. Auf zypriotischen Banken lagern nach den jüngsten Berechnungen der Ratingagentur Moody's russische Guthaben mit einem Nominalwert von rund 24 Mrd. Euro.
Soll die EU Ihre Mitgliedsstaaten entmündigen, weil die ohnehin nur populistisch agieren – oder ist es eine bodenlose Frechheit, wie viel Macht nach Brüssel abgegeben werden muss? Zypern ist nur ein Beispiel für das immerwährende Dilemma.
So haben nicht „EU-Bürokraten“ gefordert, auch Spareinlagen unter 100.000 Euro für die Zypern-Rettung heranzuziehen. Es war die zypriotische Regierung selbst. Man wollte nicht die russischen Oligarchen überdurchschnittlich zur Kasse bitten und das eigene Geschäftsmodell gefährden. Erst nach einem gesamteuropäischen Aufschrei war das dann wieder vom Tisch. Wobei man auch das relativieren könnte: Schließlich haben alle Zyprioten in den letzten Jahren von fast doppelt so hohen Zinsen, keiner Kapitalertragssteuer und halb so hoher Unternehmenssteuer wie in Österreich profitiert.
„Die EU-Kommissare haben kein Gespür“, kritisierte Hugo Portisch im Sonntags-KURIER. Natürlich hat er recht, man betrachte nur die Kommunikationspleiten von Glühbirne bis Wasser. Doch dahinter standen gute Absichten: Die Glühbirne wurde Umweltauflagen geopfert. Und beim Wasser ging es um transparentere Vergaben, falls sich eine Gemeinde entscheidet, ihre Infrastruktur zu privatisieren. Wahrscheinlich hat die EU nicht zu viel, sondern zu wenig in die Länder hineinregiert, zu viele Sonderwege zugelassen (wozu auch anonyme Sparbücher in Österreich zählten!) und außerdem zu viele Problemländer zu schnell aufgenommen. Mit der Aufnahme Kroatiens kommt noch eines dazu.
Die EU hat für Frieden in Europa gesorgt. Aber die fundamentalen Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa einebnen könnte sie wohl nur mit einer starken, strengen Zentralregierung. Die will aber niemand.
Der schwedische Finanzminister Anders Borg brachte es vergangene Woche auf den Punkt: „In Zypern gab es nur den Finanzsektor und Strände. Jetzt, wo der Finanzsektor am Ende ist, gibt es nur noch die Strände.“
Mit oder ohne Hilfspaket aus Brüssel, mit oder ohne Zukunft in der Eurozone: Zypern braucht ein neues Geschäftsmodell.
Der Finanzsektor, bislang verantwortlich für 45 Prozent der Wirtschaftsleistung, wird drastisch schrumpfen. Der Internationale Währungsfonds hat einen Plan für eine komplette Restrukturierung der Bankenbranche gefordert.
Kapitalflucht erwartet
Wenn die Banken wieder aufmachen, dürfte es jedenfalls Kontrollen des Kapitalverkehrs geben, um einen Bank-Run zu verhindern. Vor allem ausländische Investoren – neben russischen Oligarchen viele Briten – dürften versuchen, ihr verbliebenes Guthaben so rasch wie möglich abzuziehen.
Bei einem Austritt aus der Eurozone wäre das Land pleite. Bleibt Zypern im Euro, wird es sein bisher für Anleger äußerst attraktives Zinsniveau an europäische Standards anpassen müssen. Auch eine Erhöhung der Unternehmenssteuern von bisher zehn auf mindestens 12,5 Prozent galt seit Tagen als sicher. Weiters haben die Geldgeber in Brüssel einen ernsthaften Kampf gegen Geldwäsche sowie strenge Gesetze für mehr Transparenz bei Unternehmen und Stiftungen gefordert.
Hoffen auf Rohstoffe
In jedem Fall dürfte die Insel in den kommenden Jahren nicht um ein hartes Sparprogramm herum kommen. Denn selbst bei einem ausgewogenen Hilfspaket aus Brüssel müsste Zypern Schulden abbauen und mittelfristig die Kredite aus dem Euro-Rettungsfonds zurückzahlen – rund zehn Milliarden Euro.
Das heißt: Höhere Steuern, sparen bei Beamten und Pensionen – und allgemein niedrigere staatliche Ausgaben. Das dürfte die meisten Bürger unterm Strich mehr treffen als eine Abgabe auf Spareinlagen.
Viele Hoffnungen ruhen auf den Erdgasfeldern, die 2011 entdeckt wurden. Doch es gibt es Fragezeichen, angefangen von der tatsächlichen Menge bis zur Möglichkeit der Förderung. Außerdem hat die Türkei bereits angekündigt, die Interessen der türkischen Hälfte der geteilten Insel schützen zu wollen: Auch sie hätte Anspruch auf die Gasvorkommen.
Zu groß, zu viele griechische Staatsanleihen in den Büchern, viel zu hohe Sparzinsen: Zyperns Problem sind seine Banken, die ungehemmt mit Lockangeboten um internationale Kunden gebuhlt haben. Der Finanzsektor und finanzielle Dienstleistungen machen einen Anteil von 45 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus, zusammen mit dem Tourismus sind es 70 Prozent der Wirtschaftsleistung. Rund 8500 Menschen arbeiten direkt in Zypern in der Finanzbranche, die meisten davon bei der Bank of Cyprus und der Popular Bank (Laiki). Die beiden Banken sind de facto pleite und spielen bei der Rettung des Euro-Landes eine zentrale Rolle. Um die Pleite abzuwenden, werden mindestens zehn Milliarden Euro benötigt. Hier ein Überblick über die Problembanken:
Bank of Cyprus Die größte Bank ist auch das größte Sorgenkind, weil seit dem griechischen Schuldenschnitt schwer in der Schieflage. Der Schwerpunkt liegt zwar auf Privatkunden in Zypern und Griechenland, aber sie gilt als „Ausländerbank“, weil viele reiche Russen und Briten ihr Geld hier anlegten. Für sie könnte es durch die Zwangsabgabe auf Guthaben von mehr als 100.000 Euro teuer werden. Die Bank hat 556 Filialen, 190 davon in Russland. Größter Einzelaktionär ist die Firma Odella des russischen Oligarchen Dmitrij Rybolowlew.
Gerade um die Bank of Cyprus ist ein Mega-Streit zwischen der zypriotischen Regierung und dem IWF entbrannt. Die Last der bisherigen Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank in Höhe von 9,5 Milliarden Euro für die Laiki-Bank, die de facto pleite ist, soll nach Willen des IWF von der Bank of Cyprus übernommen werden. Dies würde aber nach Ansicht der Regierung die Bank of Cyprus in den Abgrund führen. Zypern wirft dem IWF „überhebliche“ Forderungen vor.
Cyprus Popular Bank Nach der Rettungsaktion 2012 kontrolliert der Staat 84 Prozent der Bank. Um die Bank zu retten, wird sie in einen gesunden Teil und in eine „Bad Bank“ aufgespalten.
Hellenic Bank Ihr geht es vergleichsweise noch am besten, sie ist derzeit nicht auf Nothilfen der EZB angewiesen. Ein Viertel der Anteile ist im Besitz der Orthodoxen Kirche in Zypern.
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