Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

Steuerdumping, hohe Sparzinsen und ein laxer Umgang mit Geldwäsche stürzten Zypern in die Krise. Bei den Sparkonten könnte es eine Einigung mit der Troika geben.

Eine Firma zu gründen ist in Zypern ebenso rasch wie unbürokratisch möglich. Für 3500 Euro erledigt dies einer der vielen lokalen Anwälte – Treuhänder und völlig intransparentes Bankkonto inklusive. Für Steuerhinterzieher wie Geldwäscher geradezu einladend. Rund 40.000 Briefkastenfirmen sind auf der kleinen Mittelmeerinsel registriert. Die meisten davon werden reichen Russen zugeschrieben.

Das Branchenmedium The Banker listet Zypern im Ranking der Offshore-Finanzoasen als Nummer drei hinter den Cayman Islands und Guernsey, noch vor Jersey oder den Bahamas. Ein laxer Umgang mit Geldwäsche sowie Dumping bei Unternehmenssteuern und hohe Sparzinsen zogen ausländisches Kapital magnetisch an und blähten den Finanzsektor zur Hydra auf. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Mangels wirtschaftlicher Alternative beschloss die zypriotische Regierung schon Mitte der 1970er-Jahre, die günstige geografische Lage des Inselstaates zwischen Europa, dem Nahen Osten und Afrika nicht nur für Handelsgeschäfte zu nutzen. Der Aufbau einer Steueroase sollte das zweite Standbein sein. Die ersten Steueroptimierer, die nach Zypern kamen, waren reiche Geschäftemacher aus dem damaligen Jugoslawien. Sie brachten ihr Geld beim Ausbruch des Bürgerkrieges 1991 in Sicherheit. Der große Run auf die Insel erfolgte mit dem Zerfall der Sowjetunion. Für russische Oligarchen ist Zypern der ideale Zufluchtsort. Das Land hat das umfangreichste und günstigste Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland und etlichen Nachfolgestaaten des Sowjetreiches.

EU-Beitritt

2004 trat Zypern der EU bei, was die Attraktivität als Steueroase nochmals steigerte. Das Land senkte die Einkommensteuer auf zehn Prozent und hob auf Kapitalerträge gar keine Steuer ein. Ausländisches Kapital floss in Strömen auf die Insel. Die Aufnahme in den Euro-Club 2008 wirkte als nächster Turbo für den Finanzplatz, schließlich war er nun in ein vermeintlich sicheres Umfeld einer stabilen Währung eingebettet. Der Finanzsektor wuchs von 1995 bis 2011 um 240 Prozent. Zugleich konzentriert er sich stark auf nur drei Banken: Bank of Cyprus, Cyprus Popular Bank (Laiki Bank) und Hellenic Bank.

Bergab geht es seit Ausbruch der Finanzkrise 2008. Ausländer zogen massiv Kapital ab, um Finanzlöcher zu stopfen. Der Schuldenschnitt beim Nachbarn Griechenland kostete die zypriotischen Banken rund ein Drittel ihres Kapitals, sodass sie selbst in Schieflage gerieten. Die Popular Bank gehört nun zu 84 Prozent dem Staat.

Die EU habe das Steuerparadies Zypern jahrelang untätig geduldet, kritisiert das Netzwerk Attac. „Es gibt in Zypern weder Quellensteuern auf Dividenden noch eine effektive Pflicht, Eigentumsverhältnisse über Trusts oder Briefkastenfirmen in öffentlichen Registern zu dokumentieren“, so Attac-Expertin Alexandra Strickner. Mit ihrer Strategie, voll auf die Finanzwelt zu setzen, hat sich das Land jedenfalls verzockt. Mitarbeit: C. Klafl, R. Kleedorfer

Kehrtwende in Nikosia: Nach der rigorosen Ablehnung der Zwangsabgabe auf Sparguthaben durch das zypriotische Parlament soll nun genau diese Maßnahme die Rettung einleiten. Am Samstag ließ ein Regierungsvertreter durchsickern, dass Zypern mit den internationalen Geldgebern einen Kompromiss gefunden habe: Kontoinhaber mit mehr als 100.000 Euro sollen nun einmalig zwanzig Prozent abgeben, sofern sie Kunden der Bank of Cyprus sind. Hier soll das meiste Geld aus dem Ausland parken – vorwiegend von russischen Oligarchen. Kunden anderer Banken sollen weniger beitragen: vier Prozent ab Einlagen von mehr als 100.000 Euro.

Seit Tagen warnen Experten, dass der geforderte Beitrag von 5,8 Milliarden zur Rettung der Insel nicht ohne Belastung von Anlegern möglich sein wird. Und ohne diese Eigenleistung verweigert die Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds die Hilfe von elf Milliarden Euro, die Zypern zur Abwendung des Staatsbankrotts braucht. Dass die Wohlhabenden einen Beitrag leisten müssten, vermutete schon zuvor Bank Austria-Chef Willibald Cernko.

Im ORF-Radio sprach er auch mögliche Folgen für Österreich an: Auf EU-Ebene werde wohl neuerlich diskutiert werden, ob man Sonderstellungen beim Bankgeheimnis weiter akzeptiere.Sollte der kolportierte Kompromiss, über den noch bis in die Nacht weiterverhandelt wurde, stehen, so kam er unter dem Druck der EZB zustande. Liegt kein Sanierungsplan vor, dann wird der Geldhahn Montag Nacht zugedreht. Am heutigen Sonntag treffen sich die Finanzminister der Eurogruppe, um das neue Konzept zu beraten. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades soll ebenfalls nach Brüssel reisen.

Komplikationen

Doch lupenrein war die Einigung am Samstag noch nicht. Bei den Gesprächen gab es laut Regierungskreisen noch Komplikationen. Die große Unbekannte bleibt auch noch das Votum des Parlaments. Nach dem Debakel vom Dienstag, bei der die Sondersteuer auf alle Sparguthaben keine einzige Stimme erhielt, ist der Ausgang unklar. Falls das Paket am Sonntag abgesegnet wird, können zumindest am Dienstag die Banken wieder aufsperren. Seit einer Woche waren sie aus Angst vor einem Ansturm geschlossen.

Am Freitag schon hatte Nikosia erste Maßnahmen beschlossen, um der Troika entgegen zu kommen: Einschränkungen im Kapitalverkehr wurden gebilligt; zudem soll die Laiki Bank aufgespalten werden. Maßnahmen wie der Erhöhung der Unternehmenssteuer (siehe Grafik) sollen auch zum Rettungspaket beigetragen. Gegen den Griff in die Pensionskassen, wie Zyperns Regierung ihn zuletzt vorsah, hatte sich die EU allerdings gesperrt. Dieser Plan ist inzwischen

Über das grottenschlechte Krisenmanagement der EU in Zypern wurde schon genug geschrieben. Man kann nur hoffen, dass die aktiven EU-Politiker wie Kommissionspräsident Barroso ebenso vom Chaos der letzten Wochen gelernt haben wie die völlig abwesende EU-Außenministerin Lady Ashton. Die ist zuletzt nur dadurch aufgefallen, dass sie Ende 2014 ihren Abschied nehmen will. Vom süßen Nichtstun.

Aber die großen Fehler rund um Zypern wurden schon früher gemacht. Als der Kleinstaat 2004 in die EU aufgenommen wurde, wussten allen Beteiligten, dass Zypern ein Waschsalon für russisches Schwarzgeld mit angeschlossener Zockerbude für übermütige europäische Banken war. Unterrichtsministerin Schmied wäre hier eine gute Auskunftsperson, war sie doch Vorstand der Kommunalkredit, die in Zypern eine Zeit lang viel Geld durch waghalsige Spekulationen verdiente, um dann an diesem Abenteuer zugrundezugehen. Die Rechnung dafür zahlen, erraten, wir Steuerzahler. Frau Schmied kann sich nicht genau erinnern, was da los war.

Aber die EU-Finanzminister der letzten Jahre wussten auch Bescheid. Unter ihren müden Augen zogen zyprische Banken Milliarden an Schwarzgeld aus Europa ab. Bis heute hat die EU keine Antwort darauf, dass reiche Bürger ihr Geld in Steueroasen verschieben, außer, dass sie für den wehrlosen Mittelstand die Steuern stetig erhöhen. Die Süddeutsche Zeitung hat erst in dieser Woche aufgedeckt, dass berühmte deutsche Familien, Piëchs, Quandts, Jacobs, Stiftungen und andere Konstruktionen im fernen Panama betreiben. Steuerabkommen, wie auch Österreich sie etwa mit der Schweiz abgeschlossen hat, wirken da umso hilfloser. Lieb, dass wir ein paar Millionen Fluchtgeld zurückbekommen.

Das Verhältnis EU – Russland neu ordnen

Deutliche Maßnahmen gegen den großen Steuerbetrug sind nur die erste Maßnahme, die die EU nach dem Zypern-Debakel beschließen müsste. Dann muss Europa das Verhältnis zu Russland neu ordnen. Wladimir Putin ist sicher nicht der „lupenreine Demokrat“, von dem der deutsche Ex-Kanzler Schröder, jetzt Gazprom-Aktivist, gerne spricht. Aber Putin ist der gewählte russische Präsident. Die politische Annäherung wird nur über die wirtschaftliche funktionieren. Das war in den Zeiten des Kommunismus so und das ist heute nicht anders. Aber dass der zypriotische Finanzminister auf Knien nach Moskau rutschte, war für ganz Europa peinlich.

Russland hat strategische Interessen und formuliert sie auch. Die EU sollte welche haben und diese endlich auch deutlich sagen. Die Beachtung der Menschenrechte gehört zu den Grundpfeilern der Europäischen Union. Aber es ist effektiver, darauf hinzuweisen, wenn Russland und Europa enger zusammenarbeiten.

Putin hat auch kein Interesse, dass seine Oligarchen Schwarzgeld ins Ausland schicken. Gerade in Zypern hätte eine Kooperation funktionieren können. Gemeinsam hätte man gegen Steuerflüchtlinge vorgehen können. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.

Gerüchte unterstellen Russland großes strategisches Interesse an Zypern: Moskau wolle sich mit einer zweiten Marinebasis in der Region für eine mögliche Niederlage seines Verbündeten Bashar al-Assad in Syrien wappnen. Außerdem plane Russland eine mächtige Mittelmeerflotte aufzubauen. Da reiche die eine Marinebasis im syrischen Tartus, die noch im Kalten Krieg den Zugang zum Mittelmeer sichern sollte und für deren Reaktivierung Wladimir Putin einst viel Geld lockergemacht hat, nicht aus.

Doch nicht nur Russland hat geopolitische Interessen in Zypern. Eingeklemmt zwischen der Türkei im Norden, Syrien und Libanon im Osten, Israel im Südosten und Ägypten im Süden wirkt die 9251--Insel wie der östliche Außenposten der Europäischen Union. Oft wird die Insel als „unsinkbarer Flugzeugträger“ der Nato bezeichnet: Seit 1878 sind die Briten hier stationiert, deren Militärbasen – wie Tartus für Russland – als Augen und Ohren zur Überwachung des Nahen Osten dienen. Auch für Washington.

Schon lange ist klar, dass es bei einem Bankrott Zyperns um mehr als um den Euro geht. Mehrere Staaten beobachten die Situation mit Argusaugen:

Etwa die Türkei. Zypern war vom 16. bis 19. Jahrhundert osmanisch, viele Türken siedelten sich auf der Insel an. Seit 1974 ist der Norden von fast 40.000 türkischen Soldaten besetzt, um die Annexion an Griechenland zu verhindern. Die Türkei hat neben politischen auch wirtschaftliche Interessen. Seit vor der zypriotischen Küste Gasvorkommen gefunden wurden, und die Griechenzyprer diese zu erkunden begonnen haben, sind auch die Türken auf diesem Gebiet tätig.

Gasvorkommen

Das Gas lockt aber nicht nur Ankara, sondern auch Israel. Das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Israel wurde durch das Gas noch weiter belastet. Als die provisorischen Bohrungen der Zyprioten begonnen hatten, schickte Ankara Kriegsschiffe. Denn die Regierung der Türkei erkennt die Republik Zypern – und somit deren Wirtschaftszone – nicht an. Die Israelis antworteten mit Militärjets.

Für Israel ist Zypern Urlaubsdestination, aber auch eine Brücke nach Europa. Eingebettet zwischen Feinden, sieht Jerusalem westlich, im Meer, den einzigen israelfreundlichen Staat. Die EU in unmittelbarer Nähe gibt Sicherheit. Seit Kurzem existiert zudem ein außenpolitisches Bündnis zwischen Griechenland, Israel und Zypern.

Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

Pile of euro money. Soft focus. Bildnummer: 44584…
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

Geldkoffer
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

AUSTRIA STOCK EXCHANGE
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

File photo of an anti-government protester standin
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

FILE GERMANY EU ECONOMY FINANCE
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

JAPAN FINANCE STOCK MARKET
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

A aircraft takes off from Jersey Airport near St P
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

Steuerfahndung
Steuerparadies und Pleiteinsel: Zyperns Rettung naht

REUTERSFile photo of a tennis supporter holding a Swiss national flag during a match at the Rome Masters tennis tournament May 11, 2011. Switzerland will allow banks to hand over the names of any employees and other third parties who helped wealthy Americ

Kommentare