Die Kundinnen und Kunden sind einerseits aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, aber auch, weil es zu wenige Plätze und lange Wartelisten gibt, in einer schwachen Verhandlungsposition – und bei den Arbeitnehmerinnen (mehrheitlich Frauen, Anm.) ist der grad der gewerkschaftlichen Organisation relativ niedrig.
Krenn hat im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) zusammen mit Experten von TU und WU Wien eine Studie dazu erstellt. Seine dringliche Warnung: "Es ist klar, dass der Staat mehr Geld für diesen Sektor aufwenden muss". Dabei müsse aber darauf geachtet werden, dass dieses nicht von privaten Akteuren abgeschöpft wird.
Immobilien und Steueroasen
Der größte Teil der Gewinne wird allerdings nicht durch den Betrieb der Pflegeheime erwirtschaftet, sondern durch Finanzinstrumente. Oft werden etwa die Immobilien in eigene Gesellschaften ausgelagert und von den Pflegeeinrichtunge zurück-gemietet oder -geleast. In Großbritannien, wo die Privatisierung in Europa am weitesten fortgeschritten ist (siehe Infobox), bezahlen die großen gewerblichen Anbieter verglichen mit den öffentlichen ein Vielfaches an Mieten und Zinsen.
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Die Gelder würden dann etwa über verschachtelte Firmenkonstruktionen in Steueroasen verschoben. Das macht die Unternehmen wirtschaftlich vulnerabel, wie sich etwa an der Pleite von Großbritanniens größtem Betreiber Southern Cross Healthcare zeigt.
Im Betrieb zeige sich, dass profitorientierte Unternehmen im Vergleich zu staatlichen oder Non-Profit-Organisationen nach Möglichkeit bei den Kosten sparen. Zwar gibt es einnahmenseitig die Möglichkeit, wohlhabenden Kundinnen und Kunden "Premium-Angebote" zu verkaufen, die meisten Plätze sind aber staatlich finanziert. Das gehe fast zwangsläufig auf Kosten der Qualität der Pflege, so Krenn.
Besonders gut dokumentiert ist das am Beispiel von Europas größtem Pflegeheimbetreiber. Orpea betreibt mit Tochtergesellschaften in 14 Ländern mehr als 1.000 Heime in Europa. In Frankreich sollen etwa 20 Millionen Euro staatliche Gelder nie in den Betrieb der Heime geflossen worden sein und statt Fachpersonal wurden vermehrt ungelernte Hilfskräfte eingesetzt. Die vergangenes Jahr von dem Journalisten Victor Castanet (siehe Bild) unter dem Titel "Die Totengräber" veröffentlichten Enthüllungen über Missstände in Orpea-Heimen führten zum Rücktritt der Geschäftsführung und zum Absturz der Aktie.
Situation in Österreich
In Österreich ist Orpea mit der Tochterfirma Senecura vertreten. Auch diese kommt immer wieder in die Kritik. Senecura hält in Österreich etwa 30 Prozent des privaten Marktes, der aber nur etwa ein Fünftel der gesamten Pflegebetten stellt. Österreich ist für private Betreiber nicht besonders attraktiv, denn in fünf Bundesländern gibt es für den Betrieb von Pflegeheimen eine Gemeinnützigkeitsklausel. Private Betreiber bekommen dort also keine öffentlichen Gelder.
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