Es sind Zahlen, die eindrucksvoll die aktuelle Personalnot in den heimischen Krankenhäusern dokumentieren: Österreichweit sind derzeit 2.775 Spitalsbetten gesperrt. Das sind 8,41 Prozent. Oder um rund tausend mehr als Österreichs größtes Spital, das Wiener AKH, insgesamt Betten hat. Das rechnet die GÖD-Gesundheitsgewerkschaft vor.
Es ist ein toxischer Mix aus Frust nach den Belastungen der Pandemie, einer großen Zahl pensionsbedingter Abgänge und höherem Personalbedarf in einer stetig alternden Bevölkerung, die in den Spitälern für große Lücken beim ärztlichen, vor allem aber beim Pflegepersonal sorgen.
Doch wie lässt sich das Problem lösen? Viel ist dieser Tage von Strukturreformen die Rede – auch vor dem Hintergrund der gerade laufenden Finanzausgleichsverhandlungen. Mit der schon fast gebetsmühlenhaften Forderung nach einer zentralen Finanzierung und Steuerung des Gesundheitssystems aus einer Hand, so der Tenor, ließen sich die Spitäler entlasten und der niedergelassene Bereich stärken, was die Versorgung wesentlich effizierter machen würde.
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Der Haken: Selbst wenn es einen politischen Willen dafür gäbe, würde die Umsetzung Jahre dauern. Ähnlich lange wie eine Entspannung der Situation durch die jüngste Aufstockung der Pflege-Ausbildungsplätze, wie sie etwa in Wien erfolgt ist.
Was würde also helfen, die Personalnot schnell zu lindern? Der KURIER hat drei der aktuell kursierenden Ideen mit Experten besprochen.
Geldprämien
Mit mehr oder weniger großzügigen Geldgeschenken versuchen derzeit die Spitalsträger, Personal an sich zu binden. Der Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) etwa zahlt Mitarbeitern, die einen neuen Kollegen anwerben, einen Bonus über 1.000 Euro. Die Wiener Ärztekammer fordert gleich eine Prämie von 24.000 Euro für Bestandspersonal und Rückkehrer, die sich verpflichten, für zwei Jahre im Wigev zu bleiben.
Gesundheitsökonom Thomas Czypionka bezweifelt die Wirkung solcher Einmalzahlungen. „Sinnvoller wäre ein Gesamtpaket aus einer Gehaltserhöhung und einer Entlastung der Ärzte von Verwaltungstätigkeit.“ Im Gegenzug ließe sich die Pflege motivieren, indem man ihre Arbeit aufwerte. Der Experte weist darauf hin, dass die Personalprobleme nicht flächendeckend, sondern eher punktuell an einzelnen Abteilungen auftreten würden. Für ihn ein Hinweis darauf, dass sich durchaus auch mit einem guten Management auf Abteilungsebene das Arbeitsklima so gestalten lasse, dass das Personal bleibt.
„Was jetzt nach all den Versäumnissen der letzten Jahre schnell hilft, ist tatsächlich mehr Geld“, sagt Elisabeth Potzmann, Präsidentin im Gesundheits- und Krankenpflegeverband. Auch sie plädiert für dauerhafte Lohnerhöhungen anstelle von Einmal-Prämien.
Mischbelegung
Geht es nach Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ließe sich die Personalnot lindern, wenn man die starr nach Fachrichtungen gegliederte Struktur der Spitalsabteilungen aufbricht. Er schlägt die Schaffung interdisziplinärer Betten vor, in denen Patienten mit verschiedensten Beschwerden versorgt werden. Das Problem dabei: Die jeweiligen Fachärzte können den Patienten folgen, dem Pflegepersonal ist das nicht möglich.
Es sieht sich dann mit Patientengruppen konfrontiert, für deren Betreuung es nicht ausreichend ausgebildet ist. „Es ist schon vorgekommen, dass bei chirurgischen Patienten, die auf internen Abteilungen untergebracht wurden, deshalb Blutungen übersehen wurden“, sagt Potzmann. Kurzfristig ließe sich eine solche Neustrukturierung nur schwer bewerkstelligen, weil umfassende Umschulungen erforderlich seien.
Personal im Ausland rekrutieren
Daran arbeiten derzeit die meisten Bundesländer. „Allerdings, ohne sich untereinander zu koordinieren“, kritisiert die Expertin. Unabhängig davon seien die Erfolgschancen überschaubar. „Österreich ist nicht das einzige Land, das diesen Weg geht. Andere wie zum Beispiel Schweden sind aber attraktiver hinsichtlich Anerkennung der Ausbildung und Willkommenskultur.“
Czypionka sieht wiederum ethische Probleme, wenn ein reiches Land wie Österreich Pflegekräfte anlockt, die auf Kosten des Heimatlandes ausgebildet wurden. Hinzu komme, dass gerade die östlichen Nachbarländer aufgrund ihrer Demografie selbst schon einen hohen Bedarf an Pflegekräften hätten.
Vertretbarer wäre es, in Ländern mit einem hohen Anteil an jungen Menschen, die Pflege-Ausbildung nach westlichen Standards zu finanzieren. Sie könnten dann bei uns arbeiten, mit der Möglichkeit, wieder in ihre Heimat zurückzukehren.
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