Verschiedene Pflegeheime, aber die Vorwürfe sind zusammengefasst ein und dieselben. Niederösterreich hat mit dem Senecura-Heim in Kirchberg am Wechsel seinen bereits dritten Pflegeskandal in Folge. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat drei ehemalige Mitarbeiter, zwei Frauen und einen Mann, wegen Quälens und Vernachlässigung von schutzbedürftigen Personen bis hin zu fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Laut der Anklagebehörde sollen die drei ehemaligen Pflegekräfte Heimbewohner systematisch gequält haben.
Die Liste der Vorwürfe ist lang: Besonders pflegeintensive Patienten sollen auf grausame Weise „diszipliniert“ worden sein. Beispielsweise durch die Verweigerung von Harnkathetern, das bewusste Streichen von Mahlzeiten bis zu mangelnder Körperhygiene. Die Verdächtigen sollen ihre Opfer nicht ausreichend gepflegt haben. Wie aus dem Akt zu entnehmen ist, wurde etwa wochenlang nichts gegen den Ausbruch von Krätzmilben bei Pflegebedürftigen unternommen. Und das, obwohl die Betroffenen bereits Hautausschläge, Juckreiz und schmerzhafte Ekzeme aufwiesen.
Prozess für drei Tage angesetzt
Das nö. Landeskriminalamt hat in dem Fall monatelang ermittelt. Ab dem 12. Dezember müssen sich die drei beschuldigten Pflegekräfte am Landesgericht Wiener Neustadt dafür verantworten, bestätigt Gerichtssprecherin Birgit Borns. Vorerst ist der Prozess für drei volle Tage angesetzt. Unter anderem sollen die Beschuldigten durch eine nachträgliche Manipulation der Pflegeaufzeichnungen versucht haben, diverse Zwischenfälle zu verschleiern.
Mit dem Bekanntwerden der Fälle hat Senecura die drei Mitarbeiter sofort entlassen. Auch die Patientenanwaltschaft hat sich eingeschaltet. „Wir sind sofort nach der ersten Meldung mit einem Pflegeteam proaktiv hinaus gefahren um die Zustände zu prüfen“, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger. Weitere Verdachtsmomente hätten sich daraus aber nicht ergeben.
Der Fall von Kirchberg am Wechsel reiht sich nahtlos in eine Serie von Pflegeskandalen im Bundesland. In einer Einrichtung in Kirchstetten im Bezirk St. Pölten sollen vier Mitarbeiter Patienten gequält und erniedrigt haben, die mutmaßlichen Täter wurden (nicht rechtskräftig) zu bedingten Haftstrafen verurteilt.
Ein ähnlicher Fall wird vermutlich noch heuer am Landesgericht St. Pölten verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen vier ehemalige Mitarbeiter, drei Frauen und einen Mann, aus dem Senecura-Heim in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) Anklage erhoben. Die Vorwürfe wiegen laut Leopold Bien von der Staatsanwaltschaft St. Pölten schwer: Es geht um fortgesetzte Gewaltausübung und sexuellen Missbrauch. Unter anderem sollen die Patienten nicht genügend Nahrung bekommen haben, manche Opfer habe man mit Medikamenten ruhig gestellt. Einem Opfer soll ein Duschkopf in den After eingeführt worden sein.
Heim setzte Maßnahmen
Senecura richtete im Zuge der Ermittlungen eine „Whistleblower-Website“ ein, die dem Personal für anonyme Hinweise auf Missstände zur Verfügung steht. Eine interne Untersuchungskommission wurde ebenfalls eingesetzt. Zudem kündigte die Pflegeanwaltschaft des Landes Niederösterreich an, die Senecura-Einrichtungen in Niederösterreich zu prüfen. „Insgesamt ist das Thema Gewaltprävention – das schon bisher fixer Bestandteil der Fortbildungsangebote war – in der gesamten Senecura-Gruppe seither verstärkt Gegenstand von internen Schulungsmaßnahmen“, betonte Sprecherin Karin Gastgeb. Mit Regina Sitnik wurde außerdem eine eigene Ombudsfrau eingesetzt.
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