Pflegeskandal in NÖ endete mit Schuldspruch für alle Angeklagten

Pflegeskandal in NÖ endete mit Schuldspruch für alle Angeklagten
Bis zuletzt hatten die vier Angeklagten alle Vorwürfe abgestritten.

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Mehr als vier Jahre dauerte es, bis Anklage erhoben wurde, dann wurde monatelang am Landesgericht St. Pölten verhandelt. Am Mittwoch fielen nun die Urteile im Prozess um einen Pflegeskandal, der österreichweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Die vier Personen im Alter von 30 bis 56 Jahren - ein Mann und drei Frauen - wurden schuldig gesprochen und zu unterschiedlichen bedingten Haftstrafen zwischen einem Jahr und 16 Monaten verurteilt. Zudem gibt es für alle vier Angeklagten Geldstrafen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Prozess dauerte Monate

Die Angeklagten mussten sich seit Mitte September 2020 vor Gericht verantworten. Sie sollen in der Einrichtung in Kirchstetten im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Pfleger bzw. Pflegehelfer mehrere alte Menschen geschlagen und beschimpft haben, die hilflosen Betroffenen gequält und Bewohner zu heiß geduscht haben.

Da die Opfer nicht mehr mitteilungsfähig waren, stützte sich die Anklage im Wesentlichen auf Anzeigen zweier anderer Mitarbeiterinnen des Heims und auf Protokolle einer dienstlichen WhatsApp-Gruppe.

Pflegeskandal in NÖ endete mit Schuldspruch für alle Angeklagten

In diesem Heim in Kirchstetten soll es zu den Übergriffen gekommen sein

Angelastet wurde dem Quartett das Quälen oder Vernachlässigen sowie der sexuelle Missbrauch wehrloser oder psychisch beeinträchtigter Personen. Vorgeworfen wird den Angeklagten zudem Körperverletzung, in Bezug auf den 30-Jährigen steht auch noch Urkundenfälschung im Raum. Der Fall war im Oktober 2016 angezeigt worden. Die Beschuldigten waren nicht geständig.

Opfer konnten sich nicht mehr äußern

Die Vorwürfe seien in den vergangenen Wochen intensiv durchgekaut worden, hielt die Staatsanwältin am Mittwoch fest. Die Tatsache, dass sich die Opfer nicht mehr äußern können, dürfe nun „nicht zum Vorteil der Angeklagten“ ausgelegt werden, appellierte sie an das Schöffengericht.

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Im Zuge der Ermittlungen wurden Leichen exhumiert

Besonders zu beachten sei der wiederhergestellte Verlauf der WhatsApp-Gruppe. Tonfall und die besprochenen Themen seien „an Menschenunwürdigkeit und Respektlosigkeit nicht zu überbieten“.

Es sei denkunmöglich, dass jemand, der tagtäglich solche Dinge schreibt, bei der Pflege „einfühlsam mit den Menschen umgeht“. Wäre alles eine Intrige gegen die Angeklagten gewesen, hätten sich zahlreiche Kollegen, Reinigungskräfte und Verwandte der Betroffenen zusammenschließen müssen. An ein solches umfassendes Konstrukt glaubte die Vertreterin der Anklagebehörde nicht.

"Den Chatverlauf können Sie vergessen"

„Es steht nirgends geschrieben, dass den Angeklagten weniger zu glauben ist als den Zeugen“, führte Stefan Gloß, der Anwalt der vier Beschuldigten, ins Treffen. Er vermisste unter anderem klare Zeitangaben zu den vorgeworfenen Delikten, außerdem seien die Opfer hinsichtlich der Verletzungen „nie untersucht“ worden.

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Rechtsanwalt Stefan Gloß

Darüber hinaus könne man den Chat-Verlauf vergessen: „Alles, was da drinnen steht, ist nicht geschehen.“ Das Geschriebene sei vielmehr eine Art Seelenreinigung gewesen, gab der Jurist einmal mehr zu bedenken. Es habe eine „arbeitsbezogene Überforderung“ bestanden. Handfestes hätten sich seine Mandanten jedenfalls nicht zuschulden kommen lassen.

"Furchtbare Vorwürfe"

Ins selbe Horn stieß auch der 30-jährige Angeklagte: „Es gibt keinen einzigen Beweis für irgendwas.“ Die 53 Jahre alte Beschuldigte sprach von „furchtbaren Vorwürfen“, die Leben und Familien zerstören würden. Die Anschuldigungen der Ex-Kolleginnen „haben unsere Seelen kaputt gemacht“, sagte die 34-jährige Viertangeklagte abschließend.

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