Sechs Gründe, warum die große Krise ausbleiben wird
Gasmangel, massiv gestiegene Energiepreise und in Folge eine seit 70 Jahren nicht mehr erlebte Inflation drängten heuer die Corona-Pandemie in den Hintergrund. Der Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar und der seither geführte Krieg verschärften die sich bereits bis dahin abzeichnenden negativen Entwicklungen. Selbst der Klimawandel wird seither von vielen als weniger wichtig eingestuft.
Stagnation besser als Konjunktureinbruch
Freilich: Die große wirtschaftliche Katastrophe ist ausgeblieben. Nach wie vor fließen Öl und Gas, und die Wirtschaft ist nicht kollabiert. Auch die große Rezession dürfte nicht wirklich stattfinden. Zwar wird die Wirtschaft 2023 wohl nur stagnieren, aber das ist immer noch besser als der Konjunktureinbruch nach Corona. Das zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ist gering.
Mehr noch: Viele Unternehmen suchen händeringend Personal. Wer also Arbeit sucht und gut ausgebildet ist, für den sind die Zeiten gut. Bei den Strom- und Heizrechnungen für 2023 werden Herr und Frau Österreicher noch einmal ordentlich drauflegen müssen. Gleichzeitig werden ab dem kommenden Jahr aber auch die Sozialleistungen automatisch wertangepasst. Zudem wird die „Kalte Progression“ abgeschafft und die meisten Kollektivvertragsabschlüsse gelten die Inflation ab. Fazit: Das Bierglas ist also halb voll.
Griss um Arbeitskräfte: So viele Jobs wie nie
Allen Unkenrufen zum Trotz zeigt sich Österreichs Arbeitsmarkt in guter Verfassung. Wurde in den letzten Jahren die hohe Arbeitslosigkeit beklagt, so war es in diesem Jahr der Arbeitskräftemangel, der viele Betriebe verzweifeln ließ.
Diese müssten „tanzen“, um passende Bewerber zu finden, wie es AMS-Chef Johannes Kopf ausdrückt. Gute Zeiten für all jene, die einen neuen Job suchen. Die Auswahl ist so groß wie nie. Beim AMS sind aktuell mehr als 110.000 offene Stellen gemeldet, der Wirtschaftsbund-Stellenmonitor listet sogar 220.000 Jobs auf.
Die Arbeitslosenquote lag im November mit 6,2 Prozent auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren. Und sie wird auch in den nächsten zwei Jahren weiter auf einem niedrigen Niveau bleiben, sagen die Ökonomen von IHS und Wifo voraus. Ein Grund ist auch die Demografie. Dazu kommt: Die Löhne ziehen im kommenden Jahr kräftig an.
Entspannung bei den Energiepreisen
Vor einem Jahr war Russland der wichtigste Energielieferant der EU-Staaten. Mehr als ein Viertel der Öl- und etwa 40 Prozent der Gasimporte kamen von dort. In Österreich war die Abhängigkeit von russischem Gas mit 80 Prozent besonders hoch.
Dementsprechend sind die Großhandelspreise für Gas, Strom, Öl und Ölprodukte wie Treibstoffe heuer stark angestiegen. Im Laufe des Jahres erreichten sie teilweise Rekordstände. Bei den Konsumenten kam die Teuerung erst zum Teil an. So kosteten Diesel und Benzin im März erstmals mehr als zwei Euro.
In den letzten Wochen haben sich die Preise aber wieder etwas beruhigt. So kostet ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent mit 80 US-Dollar etwa um ein Drittel weniger als im Frühsommer. Beim Gaspreis waren die Turbulenzen noch größer. Seit dem Höchststand im August ist der Preis um etwa zwei Drittel gefallen.
Gasspeicher in der EU ausreichend gefüllt
Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges Ende Februar gegen die Ukraine waren in ganz Europa bange Blicke auf die Gasinfrastruktur gerichtet worden. Der bis dato größte Lieferant Russland setzte die Lieferungen nämlich gezielt als Druckmittel ein. Die EU-Staaten vereinbarten, alle Speicher auf ihrem Territorium bis zum 1. November zu füllen – was auch gelang.
Mit diesen Reserven, so die Einschätzung von Energieexperten, sollten die EU-Staaten gemeinschaftlich über den Winter kommen, sofern laufende Importe, etwa von Flüssiggas auf dem Seeweg, nicht ausbleiben.
Ende Dezember werden die Gasspeicher der EU-Staaten noch zu 83 Prozent voll sein. Das gespeicherte Gas deckt etwa ein Viertel eines gesamten Jahresbedarfs. Österreich hat besonders große Speicher, die etwa einen Jahresbedarf aufnehmen können. Diese sind derzeit zu rund 85 Prozent gefüllt.
Sommertourismus zog kräftig an
Ein Comeback hat heuer der Sommertourismus hingelegt. Die Übernachtungszahlen lagen nur knapp unter dem Vor-Corona-Niveau. Damit konnte der heimische Tourismus wieder an die Rekorde von 2019 anknüpfen.
Mit rund 77,88 Mio. Übernachtungen lag die Sommersaison laut Statistik Austria um 1,4 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Sommer mit 78,93 Millionen Nächtigungen. Gegenüber 2021 gab es ein Plus von 17,3 Prozent. Mehr als zwei Drittel der Gäste kamen aus dem Ausland. Mehr Gäste gab es heuer aus den zwei wichtigsten Herkunftsländern Deutschland und Niederlande.
In Wien zeigt sich der Städtetourismus neu belebt. Im Oktober wurden 40 Prozent mehr Nächtigungen als im Vorjahr verzeichnet. Das entspricht 85 Prozent der Oktobernächtigungen vor der Pandemie 2019. Ein Schwung, der mitgenommen wird: Die Wintersaison startete in Österreich nämlich mit einer äußerst soliden Buchungslage.
An den Börsen gibt es auch Gewinner
Das Börsenjahr 2022 verlief zwar im Großen und Ganzen schlecht. Dennoch gab es einige Märkte und Aktien, die zum Teil deutliche Gewinne verzeichnen konnten. Im Wiener Leitindex ATX sind das immerhin vier Unternehmen. Allen voran der Ölfeldausrüster Schoeller Bleckmann. Das Kursplus beträgt satte 90 Prozent und ist auf die hohen Investitionen in die Suche und Förderung von Öl und Gas zurückzuführen, der Auftragseingang liegt auf einem Rekordhoch.
Gut lief es auch für Caterer Do&Co (plus 25 Prozent), der nach der Pandemie von der Rückkehr großer Events und dem wieder erstarkten Flugverkehr profitiert. Dritter im Bunde ist Anlagenbauer Andritz (plus 19 Prozent), Nummer vier Baukonzern Strabag (plus 7 Prozent).
International betrachtet zeigten sich einige Märkte durchaus positiv, etwa jene der Nachbarländer Slowenien und Tschechien. Größere Zuwächse gab es in manch exotischem Markt wie z.B. Mexiko.
Unternehmensgewinne legten stark zu
Auch wenn es ein Jahr großer Herausforderungen war, präsentierten viele heimische Unternehmen blendende Umsatz- und Gewinnzahlen. So hat der teilstaatliche Energiekonzern OMV in der ersten Jahreshälfte 2022 seinen Umsatz und Gewinn verdoppelt, den Gewinn im dritten Quartal sogar verdreifacht. Beim Stahlkonzern Voestalpine stieg der Gewinn im ersten Fiskalhalbjahr 2022/’23 im Vergleich zur Vorjahresperiode um fast 50 Prozent.
Der Baustoffkonzern Wienerberger hat seine Ergebnisse in den ersten drei Quartalen des laufenden Geschäftsjahres 2022 ebenfalls fast verdoppelt. Der Umsatz legte um ein Drittel zu. Beim österreichischen Baukonzern Porr stieg der Umsatz der Gruppe in den ersten neun Monaten des Jahres um 11,5 Prozent, der Periodengewinn erhöhte sich um zwei Drittel.
Bei der Raiffeisen Bank International (RBI) hat sich der Nettogewinn in den ersten drei Quartalen mehr als verdoppelt. Der Ausblick wurde erhöht.
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