Warum die Firmenpleiten europaweit wieder steigen dürften
Die Entwicklung der Firmeninsolvenzen war im Vorjahr stark von den politischen Hilfsmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie geprägt. In Westeuropa kam es lediglich zu 110.000 Pleiten, das sind etwa 50.000 Fälle weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Der Rückgang im Vergleich zum Jahr 2020 beträgt mehr als fünf Prozent.
"Die Pandemie bremste in vielen Bereichen die Geschäftsentwicklung. Zugleich halfen zahlreiche Hilfsmaßnahmen der Regierungen, die Folgen abzufedern und aufzuschieben", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch von Creditreform. "Die Hilfsmaßnahmen wirken in vielen Ländern weiter fort. Die guten Zahlen spiegeln dadurch die tatsächliche wirtschaftliche Lage nicht wieder." Das Insolvenzgeschehen in Europa war bisher ein wirtschaftlicher Gradmesser, das funktioniert aber in der Covid-Krise nicht mehr. Viele Unternehmen überleben derzeit nur, weil sie noch durch nationale Corona-Maßnahmen gestützt werden.
Nachholwelle
In Ländern wie den Niederlanden, Norwegen oder Irland, in denen die staatlichen Hilfsmaßnahmen weitergeführt werden, gingen die Insolvenzzahlen auch 2021 deutlich zurück. Ob und wann eine eventuelle Nachhol-Insolvenzwelle kommen wird, ist laut Creditreform noch unklar.
Dort wo die staatlichen Hilfen zurückgenommen wurden, wie in Dänemark, Italien oder der Schweiz, gibt es eine Zunahme der Pleiten.
"In Deutschland geht der Sinkflug bei den Insolvenzen weiter, der Rückgang in der Industrie ist deutlich", sagt Hantzsch. Auffällig ist dabei, dass fast 58 Prozent aller Pleiten in unserem nördlichen Nachbarland auf den Dienstleistungssektor entfallen. In Österreich sind es dagegen nur 46 Prozent. Der Dienstleistungssektor ist aber auch europaweit bei den Pleiten führend.
"Das sind meist kleine Unternehmen, die über wenig Resilienz verfügen", sagt der Experte. In Belgien, Italien, Portugal und Spanien sind mehr Händler als Dienstleister von Pleiten betroffen. Indes kommt die Industrie eher gut durch die Krise, nur Italien tanzt dabei aus der Reihe. Am Stiefel entfallen fast ein Viertel der Insolvenzen auf die Industrie. Im Europa-Schnitt sind die Insolvenzen in der Industrie aber um 8,5 Prozent und im Handel um zehn Prozent zurückgegangen. Nur im Bau gibt es einen leichten Anstieg von 1,2 Prozent.
Größter Zuwachs
"In Osteuropa sind die Insolvenzen um sechs Prozent gestiegen. Dabei zeigt sich, dass die Lage auch hier durch die verschiedenen Maßnahmen der nationalen Regierungen, wie Lockdowns und Hilfspakete, geprägt ist", sagt Creditreform-Experte Gerhard Weinhofer. "In der Slowakei gab es den größten Zuwachs, gefolgt von Kroatien und Tschechien."
In Polen sind die Insolvenz fast um ein Drittel gesunken. "Es gab kaum größere Insolvenzfälle, in denen viele Beschäftigte betroffen waren", erklärt der Experte. "Insgesamt waren hier im Vorjahr rund 10.000 Arbeitsplätze bedroht, im Jahr 2020 waren es noch doppelt so viele."
Der Ausblick
In Österreich sind die Insolvenzen 2021 auf den niedrigsten Stand seit 1990 zurückgegangen. "Dann sind die Stundungen der Gebietskrankenkassen und Finanzämter zurückgefahren worden und das führte im Frühherbst 2021 wieder zu einem Anstieg", sagt Weinhofer. Im ersten Quartal 2022 sind die Firmenpleiten dann um 111 Prozent gestiegen. Das Bauwesen ist an stärksten betroffen. "Wir werden 2022 das Vor-Pandemie-Niveau von 5.500 Insolvenzen erreichen", sagt Weinhofer.
Der Ausblick auf das künftige Insolvenzgeschehen in Europa lässt nichts Gutes erahnen. "Ohne eine gewisse Marktbereinigung wird es nicht gehen", sagt Hantzsch. "Wir können nicht alle Unternehmen retten. Es macht es auch für Arbeitnehmer schwierig, in maroden Strukturen zu verbleiben, wenn anderswo die Fachkräfte gebraucht werden."
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