Möglicher Blackout in China
Die durch negative Meldungen beeinflusste Stimmung in der Szene könnte durchaus ursächlich für die Kurseinbrüche gewesen sein, mehreren Experten zufolge waren am Sonntag aber auch unnatürliche Abstürze der Mining-Geschwindigkeit messbar. Krypto-Assets wie Bitcoin basieren schließlich auf der Blockchain-Technologie, was die Erzeugung von neuen digitalen Münzen durch extrem hohen Rechenaufwand möglich macht - das nennt man "schürfen".
Der Vorgang wird allerdings mit jeder neuen Bitcoin immer aufwendiger, inzwischen sind dafür ganze Rechenzentren voller Computer notwendig, sogenannte Serverfarmen. Weil deren Betrieb aber so viel Strom frisst, werden die fast ausschließlich in Ländern betrieben, in denen Strom billig erhältlich ist - vor allem in China, wo knapp 65 Prozent der weltweiten Bitcoin-Schürfleistung erbracht wird.
Dabei befindet sich der Großteil der chinesischen Serverfarmen in der Provinz Xinjiang, die in den letzten Jahren vor allem aufgrund der Unterdrückung der uigurischen Bevölkerung in den Medien präsent war. Und genau dort soll es am Sonntag aus Sicherheitsgründen nach einer Überschwemmung zur Abschaltung mehrerer Kohlekraftwerke gekommen sein.
Soll heißen: Etliche Bitcoin-Rechenzentren hatten somit ebenfalls keinen Strom mehr zur Verfügung und konnten nicht weiterschürfen, insgesamt wurden also deutlich weniger Bitcoin geschaffen als an einem normalen Tag. Erkenntlich wird das anhand der sogenannten Hashrate, die für jede und jeden online einsehbar ist.
Der chinesische Marktanalyst Willy Woo machte auf Twitter darauf aufmerksam:
Etliche Krypto-Fans scheinen diese Zahlen am Sonntag also frühzeitig interpretiert und dann mit dem Verkaufen begonnen zu haben. Das führte offenbar, bedingt durch die generell ungünstige Nachrichtenlage, zu einem Domino-Effekt.
Nur ein Dämpfer?
Der "Schwarze Sonntag" trifft die Krypto-Szene inmitten eines Hypes von bisher unerreichten Ausmaßen. Erst letzte Woche wurde mit knapp 65.000 US-Dollar ein neuer Bitcoin-Rekordwert erreicht, nachdem die weltgrößte Krypto-Handelsplattform Coinbase in den USA an die Börse gegangen war. Alleine in diesem Jahr hat sich der gemeinsame Wert aller Cyberdevisen nahezu verdreifacht, was vor allem daran liegt, dass immer mehr Großinvestoren auf den Zug aufspringen.
Allerdings liefert der rasante Kurseinbruch vom Sonntag auch zwei Erkenntnisse. Erstens: Das Ansehen der Szene ist in Politik und Finanzwelt nach wie vor beschädigt. Gerade weil Bitcoin, Ethereum und Co. vergleichsweise anonym gehandelt werden können - eine Rückverfolgung ist möglich, aber aufwendig - bleibt ihr Ruf als "Währung der Kriminellen" bestehen. Unter anderem hatte Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank, zuletzt vor Krypto-Assets gewarnt. Sie sehe zahllose Möglichkeiten für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, hieß es.
Zweitens zeigt die heftige Marktauswirkung eines kurzzeitigen Blackouts in der chinesischen Region Xinjiang, dass vor allem Bitcoin immer abhängiger von den Geschehnissen in der Volksrepublik China ist. Bedingt durch die dort vorhandene Infrastruktur und den billigen Strompreis öffnen dort immer mehr Serverfarmen. Diese Entwicklung ist gegensätzlich zur Grundidee von Bitcoin, eine dezentralisierte, digitale Währung sein zu wollen.
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