Vier von fünf Bauern leiden unter psychischer Belastung

Beginn der Getreideernte
Insbesondere die Zunahme unvorhersehbarer Wetterextreme macht den Landwirtinnen und Landwirten das Leben schwer.

Extreme Wetterereignisse sind in den vergangenen Jahren deutlich häufiger geworden. Was viele stört, ist in der Landwirtschaft existenzbedrohend. Bei den Bäuerinnen und Bauern wirkt sich das auch psychisch stark aus.

"In einem Jahr ist es die Dürre, das Jahr darauf sind es Unwetter mit Hagel, Sturm und Überschwemmungen oder Frost", sagt Kurt Weinberger von der Hagelversicherung. Dabei seien in der Landwirtschaft 80 Prozent des Ertrags vom Wetter abhängig. In einer Befragung im Auftrag der Hagelversicherung (siehe Infobox) gaben drei von vier befragte Landwirtinnen und Landwirte an, dass die psychische Belastung in den vergangenen Jahren zugenommen habe.

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Die Befragung durch das Market-Institut wurde im letzten Juni-Drittel durchgeführt. Die Unwetter der letzten Wochen wirken sich dabei also noch nicht aus. Allerdings gab es heuer Frostschäden, insbesondere bei Obstbäumen, und eine Dürreperiode im Frühling.

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Von den ingesamt 220 Millionen Euro wetterbedingten Schäden in der Landwirtschaft entfallen laut Weinberger nur etwa fünf Millionen Euro auf die Überschwemmungen im Süden Österreichs. Einerseits, weil diese etwa im Gegensatz zur Dürre punktuell sind und andererseits, weil ein Gutteil der heurigen Ernte bereits eingebracht ist. Final zu beurteilen sind die Schäden allerdings noch nicht.

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STEIERMARK: ÜBERSCHWEMMUNGEN

Die Überschwemmungen im Süden des Landes machen nur einen relativ kleinen Teil der heurigen unwetterbedingten Schäden in der Landwirtschaft aus.

"Die größten Sorgen und Bedenken haben die Befragten insbesondere durch preis- und kostengebundene Faktoren" sagte Thomas Pargfrieder von Market bei der Präsentation der Ergebnisse. Steigende Preise für Dünger und Energie stehen befürchteten Ernteausfällen und Preisverfall der Produkte gegenüber.

Vier von fünf Befragten gaben an, deswegen zumindest teilweise von psychischer Belastung betroffen zu sein. Ein Viertel gab an, Schlafstörungen zu haben, Zukunftsängste plagen etwa ein Drittel. Nur 17 Prozent gaben hingegen an, keine psychischen Probleme zu haben.

400 Interviews, online und telefonisch, durchgeführt vom Market-Institut. Die Zusammensetzung der befragten Personen ist repräsentativ für die österreichischen Landwirtinnen und Landwirte, sowohl Nebenerwerbs-, also auch Vollerwerbsbauern.

Maximale statistische Schwankungsbreite: +/- 5,00 Prozent

Die Situation auf den Bauernhöfen sei nicht immer so idyllisch, wie sie gerne dargestellt wird, sagte dazu auch die Nationalratsabgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP). Deswegen gebe es die Initiative "Lebensqualität Bauernhof", die Betroffenen mit Bildungs- und Beratungsangeboten zur Seite steht, unter anderem in Form einer Telefon-Hotline.

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Auffällig ist, dass Männer zögerlicher dabei sind, psychosoziale Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Sieben von zehn Hilfesuchenden sind Frauen, sagt Neumann-Hartberger. Sie führt das darauf zurück, dass es nicht einem traditionellen männlichen bäuerlichen Selbstbild entspricht, psychische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Thema müsse deswegen enttabuisiert werden.

Dass mehr als 80 Prozent der Befragten auch Angst vor höheren Steuern und Abgaben angaben, ist für die ÖVP-Politikerin vor allem auf die Diskussion um Vermögens- und Erbschaftssteuern zurückzuführen. Solche Abgaben würden die Hofübergabe an die nachfolgende Generation weiter erschweren.

Klimawandel

Neben dem individuellen Hilfsangebot für Betroffene gibt es aber auch Probleme, die nur politisch gelöst werden können. So müsste auch Österreich seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, denn bisher passiere hier "viel zu wenig" sagte Weinberger. "Wir sollten abgehen von dieser Einstellung, dass Klimaschutz eine Gefahr ist. Klimaschutz ist eine riesen Chance". Neben dem CO2-Ausstoß sieht der Chef der Hagelversicherung insbesondere die zunehmende Bodenversiegelung als Problem.

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