Metaller: Streik statt "kreativer Einmalzahlungen"
Nach dem Scheitern der sechsten Verhandlungsrunde zum Kollektivvertrag der Metalltechnischen Industrie am späten Montagabend hat noch in der Nacht bei Trumpf Maschinen (830 Mitarbeiter) in Pasching, Oberösterreich, der Streik begonnen. Am Dienstag wurde dann die Arbeit bei iSi in Wien, bei Voith in St. Pölten und bei Collini in Salzburg niedergelegt. Insgesamt 200 Betriebe der Metalltechnischen Industrie (130.000 Beschäftigte) werden bis einschließlich Freitag bestreikt, wobei die meisten Streiks am Donnerstag stattfinden werden. Pro Tag werden im Schnitt 50 Betriebe bestreikt.
Was dabei bisher untergegangen ist: dass parallel dazu eigentlich weiterverhandelt wird. So feilschten und feilschen die Vertreter des kleineren Metaller-Fachverbände am Dienstag und Mittwoch weiter. Dazu zählen die Gießereien und die Fahrzeugindustrie, die Sparte Bergbau-Stahl, die Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen sowie die Nichteisen-Metallindustrie.
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Weitere Streiks könnten folgen
"Falls es zu keinen Abschlüssen kommt, werden auch in diesen Betrieben die Streiks aufgenommen", sagt Pro-Ge-Sprecher Mathias Beer. Was sein Chef Reinhold Binder den Arbeitgebern vorwirft, ist, dass sie lediglich sechs Prozent Erhöhung plus eine Netto-Einmalzahlung von 1.200 Euro bieten. Damit würde nicht einmal die rollierende Inflation in Höhe von 9,6 Prozent abgegolten werden. "Ein Teuerungsausgleich ist das Mindeste", sagt Binder.
Selbst die KV-Verhandlungen der Bäcker wurden am Dienstag abgeschlossen, mit einer Erhöhung des Mindestlohnes um 9,71 Prozent. Auch die Pensionisten werden im nächsten Jahr eine Erhöhung von 9,7 Prozent erhalten. Die Forderung der Metaller-Gewerkschaften Pro-Ge und GPA beträgt nach wie vor 11,6 Prozent.
"Fairer Vorschlag"
Indes schlagen die Spartenobleute der Industrie, des Gewerbe und Handwerks sowie des Handels Alarm. Sie meinen sinngemäß, dass sich der Wirtschaftsstandort Österreich keine massiven Lohnerhöhungen leisten könne.
"Die Industrie hatte im Oktober im Export Auftragsrückgänge in Höhe von 42 Prozent", sagt Spartenobmann Sigi Menz. "Die Lohnstückkosten haben sich im Verhältnis zum Vorjahr um 10,2 Prozent erhöht und die Energiekosten sind in Österreich deutlich höher als in Deutschland."
Das aktuelle Angebot der Metaller-Arbeitgeber hält er "für einen sehr fairen Vorschlag". "Das können wir gerade noch verantworten, dagegen hat sich die Gewerkschaft nicht einen Millimeter bewegt", sagt Menz. "Wenn man die Benya-Formel ernstnehmen würde, und die rollierende Inflation in Höhe von 9,6 Prozent und das Produktionsminus von 2,7 Prozent hernimmt, dann kämen wir in der verarbeitenden Industrie auf eine Steigerung von 6,9 Prozent."
Dass steuerfreie Einmalzahlungen seitens der Gewerkschaften nicht Teil der Gespräche sind, hält er für problematisch. "Einmalzahlungen sollten fixer Bestandteil sein. Wir alle wollen, dass die Kaufkraft und auch die Wettbewerbsfähigkeit erhalten wird", sagt der Industrie-Obmann. "Diesen Balanceakt müssen wir hinkriegen. Er wird nicht gelöst, wenn man auf einer Position beharrt."
Drei Jahre Krise
Auch Handelsobmann Rainer Trefelik zeichnet ein düsteres Bild von seiner Branche, die am Donnerstag ihren Kollektivvertrag weiterverhandelt.
Im Handel sind die Umsätze im ersten Halbjahr 2023 um 3,3 Prozent zurückgegangen, im September sogar um 11,1 Prozent. Dem steht eine Forderung der Gewerkschaften von rund 11 Prozent Erhöhung plus Nebenforderungen gegenüber. "De facto haben wir drei Jahre Krise im Handel, die Realität können wir nicht ausblenden", sagt Trefelik. Den Handel dominieren derzeit die Insolvenzen und "viele schleichende Schließungen". "Wir müssen gemeinsam schauen, wie wir durch diese schwierige Situation kommen", sagt der Handelsobmann. "Wir müssen jetzt eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird. Wir brauchen einen guten Kompromiss."
"Kreative Einmalzahlungen"
Am 20. November beginnen die KV-Verhandlungen im Gewerbe und Handwerk. Dazu zählen die Branchen Elektrotechnik, Mechatronik, Kraftfahrzeuge, Spengler und Installateure. Sie alle haben im ersten Halbjahr deutlich Umsatzrückgänge zu verbuchen.
"Unsere Betriebe leiden massiv unter der Inflation und wir haben Verständnis, dass der Arbeitnehmerseite die Kaufkraft ein großes Anliegen ist. Die ist sie auch für uns", sagt Branchenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster. "Tatsache ist, dass Lohnerhöhungen nicht aus dem luftleeren Raum kommen, das Geld fällt nicht von Himmel, sondern muss erwirtschaftet werden."
Auch ihr schweben "kreative Einmalzahlungen" vor: "Wir brauchen einen sozialpartnerschaftlichen Zusammenhalt. Für die Existenz der Betriebe ist es überlebensnotwendig, die Leistungsfähigkeit im Auge zu behalten."
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Geschichte des Streiks
Historisch
Streiks waren in Österreich ab Ende des 19. Jahrhunderts ein Mittel der aufstrebenden Arbeiterbewegung. In der stark von der Sozialpartnerschaft geprägten Zweiten Republik nahm ihre Bedeutung ab.
Metallerstreiks
1962 wurde in Folge eines Streiks unter anderem der niedrigere „Frauen-Lohn“ bei den Metallern abgeschafft. Die letzten großen Metaller-Streiks gab es in Österreich 2011 (in Folge der Wirtschaftskrise) und 2018 (in Reaktion auf die Ausdehnung der Maximalarbeitszeit auf 12 Stunden).
Befristet oder unbefristet
Damals wie heute handelt es sich entgegen der Drohung um keinen "unbefristeten" Streik. Diese gibt es immer wieder in einzelnen Betrieben, aber nicht in Branchen. Die Arbeitsniederlegung wird dann so lange aufrechterhalten, bis die Forderungen erfüllt sind. Aktuell finden Streiks in „Runden“ statt, jeder Betrieb ist davon je einen Tag betroffen.
Kein Streikrecht
In Österreich gibt es kein explizites Recht auf Streik im Arbeitsrecht. Allerdings beinhaltet die Europäische Menschenrechtskonvention das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Präzedenzfällen festgehalten, dass das auch die Beteiligung an Kampfmaßnahmen abdeckt.
1,8 Minuten pro Arbeitnehmer betrug die durchschnittliche Streik-Dauer in Österreich im Jahr 2022.
Entgelt und Versicherung müssen bei Streikenden nicht weiter bezahlt werden. Sofern der ÖGB eine Streikfreigabe erteilt hat, unterstützt er seine Mitglieder finanziell. Der Versicherungsschutz bei der ÖGK gilt aufgrund der sechswöchigen Schonfrist weiter.
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