Klassenkampf auf Österreichisch

Wegen Streiks geschlossener Vorverkaufsschalter, 1965
In Österreich gibt es kein explizites Recht auf Streik - warum sich Arbeitnehmer trotzdem nicht fürchten müssen, auch, wenn die Versicherungsbeiträge eingestellt werden.

Der erste belegte Streik in der Weltgeschichte fand unter Ramses III statt. Im November 1159 vor Christus weigerten sich die Arbeiter in Deir el-Medina weiterzuarbeiten. In Österreich dauerte es etwas länger. Relevant wurden Arbeiterstreiks gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 

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Historisch bedeutsam war etwa der erste Frauenstreik im Jahr 1893, der von Arbeiterinnen selbst organisiert wurde. Während es in der ersten Republik öfter zu Arbeitsniederlegungen kam, gebot die von der Sozialpartnerschaft geprägte Zweite Republik, eine vom Konsens geprägte Zusammenarbeit. In Folge wurde in Österreich sehr wenig gestreikt. Im Jahr 2022 waren es im Schnitt nur etwa 1,8 Minuten pro Arbeitnehmer. 

Die letzten großen Metallerstreiks gab es in Österreich 2011, in Folge der Wirtschaftskrise und 2018, als die Maximalarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag ausgedehnt wurde. 

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Kein unbefristeter Streik

Um unbefristete Streiks handelte es sich damals wie heute, entgegen Ankündigungen, übrigens nicht. Gestreikt wird in Runden, pro Betrieb für je einen Tag. Unbefristete Streiks – die als so lange laufen, bis die Forderungen erfüllt sind – gibt es immer wieder in einzelnen Betrieben, aber nicht in ganzen Branchen. Das einzige historische Beispiel aus Österreich ist der Generalstreik, zu dem die Kommunisten 1950 aufgerufen hatten. Der ÖGB trug die Maßnahme nicht mit, sie scheiterte nach ein paar Tagen.

Die Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, streikende Mitarbeiter weiter zu bezahlen. Deswegen springt die Gewerkschaft ein. Sofern der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) dem Bereich die Streikfreigabe erteilt hat, werden streikende Gewerkschaftsmitglieder, denen die Bezüge gestrichen wurden, finanziell unterstützt. 

Versicherungsschutz bleibt aufrecht

Mit dem Verlust des Entgeltanspruchs geht zwar auch eine Abmeldung bei der Krankenversicherung (ÖGK) einher, der Versicherungsschutz bleibt aber aufgrund der gesetzlich geregelten Schutzfrist noch sechs Wochen aufrecht. Darüber hinaus gehende Sanktionen oder Drohungen etwa der Kündigung oder Entlassung wegen Fernbleibens sind laut ÖGB rechtlich nicht zulässig.

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Zwar gibt es im österreichischen Arbeitsrecht kein explizites Streikrecht, allerdings gilt beinhaltet die Europäische Menschenrechtskonvention das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, heißt es beim ÖGB. Der Europäische Gerichtshof habe in mehreren Präzedenzfällen festgestellt, dass das auch die Beteiligung an Kampfmaßnahmen abdeckt.

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