Diesmal reagierten die jungen Menschen anders. Sie sagten: „Jetzt erst recht“. Die Absage des Taylor-Swift-Konzerts vergangene Woche war der nächste große Dämpfer nach einer Reihe von schlechten Nachrichten – diesmal aber ließ man sich die Freude nicht nehmen.
Die Wiener Innenstadt bebte, hunderte junge Menschen versammelten sich, sangen im Chor, tanzten, tauschten Armbänder aus. Bei manchen flossen Tränen.
Etwas ganz Essenzielles, wenn es um das Meistern von Krisen geht, weiß der deutsche Jugendforscher Kilian Hampel. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz und Autor von umfassenden Jugendstudien. Seine Erkenntnis: Es gibt zwei Möglichkeiten, wie junge Menschen Krisen begegnen. Reagieren oder resignieren.
Welchen Weg man einschlägt, hängt von der Person ab, von Vorerfahrungen, vom Umfeld und – wichtig – ob man genügend Ressourcen hat, eine schwierige Situation selbst zu verbessern.
Rebellion vs. Resignation
„Man muss auf eine Situation reagieren können. Die eigenen Ressourcen und Mittel beeinflussen ganz stark die Motivation, etwas zu verändern. Fällt die Selbstbestimmung weg, wird es problematisch“, erklärt Kilian Hampel.
Im Fall Taylor Swift ging das vergleichsweise einfach. Man war bereits angereist oder hat sich zumindest die Zeit freigehalten. Zusammenzukommen und gemeinsam das Beste daraus zu machen, war also kaum eine Hürde. „Kommt aber eine wirklich große Krise, gibt es weniger Möglichkeiten, dem etwas entgegenzusetzen“, sagt der Jugendforscher und bezieht sich auf Corona, internationale Konflikte, das Klima oder die Wirtschaftslage.
Ändert sich gar nichts oder wenig an einer scheinbar ausweglosen Situation, „wird es schwierig, den Fokus zu bewahren“, erklärt Hampel. Der Wechsel von Rebellion zur Resignation kann dann schnell gehen, so der Experte. Ein aktuelles Beispiel: Die „Letzte Generation“, die sich mit kontroversen Aktionen für das Klima einsetzte. Und sich plötzlich in Österreich zurückzog. „Fehlt der Handlungsspielraum, kommt das Ohnmachtsgefühl“, so Hampel. Schlimmstenfalls die totale Resignation. Und das kann schwere Folgen haben.
„Wir haben extrem viele junge Menschen, auch im Vergleich zum Vorjahr, die angeben, in psychischer Behandlung zu sein“, sagt Hampel. Das Level an psychischer Belastung wäre seit der Pandemie stark erhöht, hielt auch das Sozialministerium fest und sieht Handlungsbedarf. Was besonders belastet, zeigt die Trendstudie „Jugend in Österreich 2024“ von Unternehmensberater Heinz Herczeg und Jugendforscher Simon Schnetzer. Aktuell sind es die Inflation, steigende Preise, der Krieg in Europa sowie die Klima- und die Wirtschaftskrise – in genau dieser Reihenfolge (siehe Kasten).
Krisenstimmung In der Studie „Jugend in Österreich 2024“ von Unternehmensberater Heinz Herczeg und Jugendforscher Simon Schnetzer kommt klar heraus: Die Jungen befinden sich weiterhin im Krisenmodus. Was sie belastet?
Die großen Sorgen Die größte Sorge ist mit 52 Prozent Zustimmung die Inflation. Platz zwei belegt der Krieg in Europa mit 40 Prozent. Die Klimakrise steht auf Platz drei (34 Prozent), darauf folgen die Wirtschaftskrise (27 Prozent) und Armutssorgen (26 Prozent)
Die Erwartungshaltung der jungen Menschen an die Zukunft ist groß, sagt Kilian Hampel. Sie sind optimistischer als die Älteren, erklärt er. Aber ihre Fallhöhe wäre dadurch auch größer. Das sorgt für Verunsicherung, macht sie vorsichtiger. Auch was die Lebensplanung betrifft. Die Jugend sei „pragmatisch anstatt revolutionär“, heißt es in einer Analyse des Bundeskanzleramts.
Für den Arbeitsmarkt bedeute das, dass die Jungen jetzt vermehrt auf „krisensichere Arbeitgeber“ zurückgreifen. Mit einem besonderen Fokus aufs Gehalt. „Wir haben eine finanzielle Notlage. Um dieser entgegenzutreten, ist es am einfachsten, sich einen langfristigen Vertrag zu holen“, sagt Hampel dazu. Fragt man junge Menschen, worauf sie bei der Jobwahl Wert legen, lautet die Antwort: bezahlte Überstunden. „Man ist bereit, mehr zu arbeiten, will das aber auch vergütet bekommen“, so der Jugendforscher.
Neben einem sicheren Einkommen gibt es noch weitere Faktoren, die die junge Generation bitter nötig hätte: Allen voran eine Vision, eine positive Grundstimmung und die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen. Ob das den Jungen gelingt und wie sie Krisen bewältigen, hat der KURIER erfragt. Und ehrliche Antworten erhalten.
„Wir sind geübt darin, mit Krisen umzugehen“
Toni (26) und Klara (27) sind vom Recruiting und Film
„Ich glaube, dass junge Menschen sehr geübt darin sind, mit Krisen umzugehen“, sagt Toni, die gemeinsam mit Klara gerade vom ungarischen Sziget Musikfestival kommt. „Passiert etwas Schlechtes, glaube ich, dass es einen guten Grund dahinter gibt. Ich versuche dann umzudenken und das Beste daraus zu machen.“
Klara belastet das Thema Umwelt seit Jahren extrem. „Ich struggle (hadere, Anm.) jeden Tag damit“, erklärt sie. „Es ist schwierig, den richtigen Weg zu finden, damit umzugehen.“ Denn die Prognosen schauen unglaublich schlecht aus, fürchtet sie. Das Leben trotzdem zu genießen, sich aber so zu verhalten und zu konsumieren, dass man keinen negativen Beitrag leistet, falle ihr schwer.
Um die Umwelt zu schonen, ernährt Klara sich vegan. Jedoch reist sie gerne. „Das bedeutet Lebensfreude für mich und da gehört Fliegen nun mal dazu“, sagt sie und erntet von Außenstehenden dafür oft Kritik. „Jeder hat eine Meinung und egal, was man macht, es ist falsch“, sagt Toni zermürbt. Klara hat dennoch einen Weg gefunden, der ihr guttut: „Ich habe mit mir den inneren Frieden geschlossen, indem ich sage: Ich leiste meinen persönlichen Beitrag, den ich als richtig empfinde. Denn schränkt man sich nur mehr ein und vergisst, dabei zu leben, warum lebt man dann überhaupt?“
„Ich lasse mich nicht fertigmachen“
Amina (22) ist Aktivistin und Studentin
„Krisen, die das Weltgeschehen beeinflussen, treffen mich nicht unmittelbar, aber sie prägen meinen Alltag“, sagt die Studentin Amina. Zum einen würden Krisen ihre Energie rauben, zum anderen motivieren. „Es passiert so viel Negatives auf der Welt, dass ich nicht in der Lage bin wegzuschauen. Anstatt zu resignieren, will ich in die Gänge kommen.“ Das sei ein Grund, warum sie Aktivistin geworden ist. „Aktivismus sehe ich als Notwendigkeit. Ich möchte zeigen, dass ich die Situation nicht akzeptiere und mich nicht fertigmachen lasse.“
Ein Thema, das sie besonders tangiert, ist Rassismus. „Man erlebt es überall. Ob in Jobinterviews oder einfach auf der Straße.“ Leicht stecke sie das nicht weg, könne es nur schwer verarbeiten. „Ich verdränge ganz viel“, sagt sie. Diese Strategie gehe oft nach hinten los: „Es staut sich auf und endet in einem Ausbruch.“ Um es nicht so weit kommen zu lassen, versucht sie darüber zu reden. Mit Freunden und Familie oder über soziale Medien.
„Mein Lebensalltag ist kaum beeinträchtigt“
Moritz (26) ist Informatiker
Herausfordernde Zeiten? Moritz nimmt es gelassen, auch wenn er sich nicht als Optimist bezeichnen würde. „Wir leben in einem Erdteil, wo – wenn man sich nicht aktiv mit Kriegen, Klimawandel und Konflikten beschäftigt – im Lebensalltag kaum davon beeinträchtigt wird“, erklärt der 26-Jährige.
„Wir haben einen relativ hohen Lebensstandard“, ergänzt er und ist sich dieses Privilegs bewusst. Sich mit globalen Krisen auseinanderzusetzen, empfindet er dennoch als wichtig. Fehlt einem aber die Zeit dafür, wäre das auch in Ordnung. „Es wird immer Krisen geben“, schlussfolgert er und führt das auf eine generell negative Berichterstattung in den Medien zurück. „Das ist seit Jahrzehnten so.“
Krisen bewältigen musste er bislang nur im privaten Umfeld. Da zog er sich zurück. „Das dauert dann eine Zeit, bis ich etwas verarbeitet habe.“
„Ich finde immer einen Weg raus“
Michael (26) ist Student
Wenn Michael an Krisen denkt, kommt ihm Corona in den Sinn: „Es hat meine Lebensgestaltung völlig verändert“, sagt er. Fast hätte er sein Studium abgebrochen und aufgrund von familiären Schwierigkeiten stand er sogar ohne Wohnung da. „Ich musste damals schnell überlegen, wie ich mein Leben finanzieren will. Dabei hat mir mein Umfeld geholfen. Ich hatte im Vergleich zu anderen sehr viel Glück“, so der Student. Er baue auf die Unterstützung von Freunden und Familie – oft auch nur, um gewisse Probleme laut auszusprechen und eine neutrale Perspektive einzuholen: „Sogar dieses Interview tut gut“, lacht er.
Michael beschreibt sich als eine Person, die in Krisenzeiten nachgibt und sich zurückzieht: „Ich versuche, mich aus Stresssituationen rauszuhalten.“ Eine Eigenschaft, an der er arbeiten will, um selbstständiger zu werden. Trotz allem bleibt er optimistisch. Letztlich weiß er nämlich: „Wenn ich in einer Krise bin, finde ich immer einen Weg raus.“
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