Generationschauvinisten: Was es mit den Generationen auf sich hat

Generationschauvinisten: Was es mit den Generationen auf sich hat
Jeder Generation werden Stereotype an den Kopf geworfen. Was der Grund dafür ist, erklärt Historikern Eliza Filby

Eben noch sprach Eliza Filby vor Hunderten Leuten auf der NWX23-Bühne. Das Thema der Generationsexpertin und Historikerin aus London sind die verschiedenen Altersgruppen auf dem Arbeitsmarkt – denn dort gibt es Konflikte. Die Babyboomer (Boomer) halten an toxischen Arbeitskulturen und veralteten Systemen fest, während die GenZ (Zoomer) zu viel verlangt und sich vor der Arbeit drückt. Das sind Stereotype, mit denen in Debatten oft argumentiert wird.

KURIER: Boomer gegen Zoomer: Sind diese Diskussionen nicht sehr stereotyp?

Eliza Filby: Wir sagen nicht, dass alle Zoomer oder Boomer das Gleiche machen. Jede Generation hat eine Geschichte, die wir zu verstehen versuchen. Was sie wertschätzen, ist ein Produkt ihrer Zeit. Napoleon sagt, wenn man einen Menschen verstehen will, muss man die Welt verstehen, in der er mit 20 Jahren lebte.

Klar, es ist generalisierend und reduzierend, aber so vermeidet man Altersdiskriminierung und Generationschauvinismus. Darunter versteht man die Überzeugung, dass die eigene Generation alles besser macht und alle ihrem Beispiel folgen sollten.

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Wie wirkt sich der Generationenkonflikt in der Arbeitswelt aus?

Früher ist man in die Arbeitswelt eingestiegen und hat von den Älteren gelernt. Jetzt kommen junge Leute, die sich mit der neuen Technik besser auskennen als ihre Chefs. Das Wissen sickert also nicht mehr nur nach unten, sondern auch nach oben. Zoomer werden gegen die Boomer gestellt, weil sie die sozialen und kulturellen Freiheiten der 1960-er-Jahre hinterfragen. Besonders die Arbeitskultur.

Boomer sind demografisch gesehen riesig und haben deswegen auch entsprechend viel Einfluss. Das Problem ist, dass sie bald in Pension gehen und wir dadurch zahlreiche Arbeitskräfte verlieren. Wir brauchen also junge Leute, die länger arbeiten und die Älteren unterstützen. Natürlich will die Jugend das aufzeigen und den Status quo stören. Das ist unvermeidbar.

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Generationschauvinisten: Was es mit den Generationen auf sich hat

Im Gespräch mit Eliza Filby: Sie ist Expertin in Sachen Generationen und Historikerin zeitgenössischer Werte

Eine Art Jugend-Rebellion?

„Lasst uns zerrütten, was vor uns liegt und die Welt nach unserem Bild neugestalten“, ist keine neue Idee. Junge Leute haben das schon immer gemacht. Jetzt eben auf eine laute und ausgefallene Art und Weise in den sozialen Medien. Das Ganze wird durch Technologie verstärkt und ist nun globaler.

Was viele vergessen, ist, dass Boomer die ursprünglichen Disruptoren (Störenfriede) waren. Sie haben den rebellischen Trend angefangen, in dem sie gegen den Vietnamkrieg, für Feminismus und für „Civil Rights“ protestierten. Die Hippies wurden dann aber zu Yuppies (Young urban Professionals; übersetzt: karrierebewusste, junge Erwachsene).

Sie sind Rebellen, die aufgehört haben, die Gesellschaft zu verändern, und angefangen haben sich auf Individuen zu konzentrieren. Mit einem Fokus auf Geld. Sie sind konservativer geworden.

Wird die GenZ später also auch konservativer?

Es wird sich zeigen, wie die GenZ sich weiterentwickelt. Wir wissen nicht, was kommt. Geopolitische Krisen oder die KI-Revolution könnten vieles verändern. Wenn überhaupt, sind eher die Millennials traditioneller unterwegs. Sie haben noch alte Statussymbole, wie akademische Titel, Karriere, Haus und Kinder.

GenZ und Millennials wird eine Anti-Arbeits-Einstellung vorgeworfen, warum?

73 Prozent der Arbeitskräfte in der EU meinen, dass sie unter Burnout leiden. 30 Prozent der deutschen Millennials sehen sich als Workaholics. Trotzdem werden diese Generationen als gierig und faul bezeichnet. Das war schon immer so. Sogar zu Aristoteles-Zeiten schimpfte man über die Jugend.

Aber die GenZ stellt die richtigen Fragen. Fragen, die auch den älteren Generationen helfen werden. Sie wollen Work-Life-Balance, weil sie in einer Technologie- und Bildungsüberlast aufgewachsen sind. Sie sind Digital Natives, aber digital ermüdet. KI im Recruiting wirkt für sie beispielsweise abschreckend. Was auch ein Grund dafür ist, warum sie auf sozialen Medien authentisch und „echt“ bleiben wollen.

Was braucht die GenZ?

Sie müssen verstehen, dass Arbeit keine Social-Media-Plattform ist und brauchen die kalte Realität, damit sie merken, wofür Arbeit eigentlich da ist. Für die Jungen aber ist der Arbeitsmarkt wie Tinder: Wenn ihre Ansprüche nicht erfüllt werden, wischen sie weiter.

Die GenZ will wissen, wofür und wie sie einen Beitrag leisten kann. Sie sind auch eine Generation, die Diversität erwartet, weil sie online von ihr umgeben ist. Auch Nebenjobs sind bei ihnen beliebter denn je, womit viele Arbeitgeber Schwierigkeiten haben. Deswegen müssen Firmen sich um sie bemühen, aber auch klare Grenzen setzen.

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