Die Regierung will der Stromwirtschaft auf die Finger klopfen, um die hohen Energiepreise und damit die Inflation zu bekämpfen. Diese reagiert pikiert, und fühlt sich überfallen. Dass die angekündigten Maßnahmen den gewünschten Effekt bringen, ist nicht wirklich abzusehen.
Denn das Kernstück ist eine schärfere Gewinnabschöpfung im Großhandel: "Preise runter, oder Abschöpfung", polterte ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Donnerstag. Statt 180 sollen die Stromkonzerne ab Juni maximal noch 160 Euro pro Megawattstunde (MWh) Strom einnehmen können (es handelt sich dabei also eigentlich nicht um eine Gewinn-, sondern eine Ertragsabschöpfung, Anm.). Ein entsprechendes Gesetz soll noch am Freitag im Nationalrat eingebracht werden.
Diese Maßnahme greift aber nicht in den Endkundenmarkt ein. Die Preise, die Haushalte und Unternehmen für ihren Strom zahlen, sinken dadurch also nicht, sondern der Staat verschafft sich zusätzliche Einnahmen, um etwa Unterstützungsmaßnahmen zu finanzieren. Einen Eingriff in die Preisbildung am Strommarkt, wie er etwa in Frankreich und Spanien die Inflation gedämpft hat, gibt es in Österreich weiterhin nicht. Die hohen Energiekosten aus dem Vorjahr führen inzwischen zu Zweitrundeneffekten, also zu Preiserhöhungen in Folge von Kostensteigerungen. Um diese zu vermeiden, hätte man also früher eingreifen müssen.
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Irreführende Annahmen
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat die Maßnahme auch damit begründet, dass die Großhandelspreise seit dem vergangenen Jahr gefallen, die Endverbraucherpreise indessen aber gestiegen sind. Dass dies geschieht, war allerdings abzusehen, denn in Österreich kommen Veränderungen bei den Großhandelspreisen bei den meisten Verbrauchern erst mit Verzögerung an. Ein positiver Effekt davon ist, dass Preisspitzen über die Zeit geglättet werden.
Während sich die durchschnittlichen Neukundenpreise im Wesentlichen parallel zu den Großhandelspreisen entwickelten, lagen die Preise für Bestandskunden im vergangenen Jahr deutlich niedriger. Durch die nachholende Tarifangleichung bezahlen Bestandskunden heuer aber mehr, als im vergangenen Jahr (siehe Grafik).
Dass die Endverbraucherpreise im Vergleich zum Großhandel derzeit generell überzogen wären, sieht Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft bei der Regulierungsbehörde E-Control, nicht. Zwar gebe es Ausreißer nach oben, viele Marktteilnehmer würden aber den Großhandelspreisen durchaus entsprechende Angebote machen.
Nehammer hat auch angedeutet, dass die Stromkostenbremse möglicherweise dazu führt, dass Versorger ihre Tarife künstlich hochhalten. Dagegen spricht, dass es inzwischen wieder mehrere Angebote deutlich unter dem maximal geförderten Preis gibt. Beurteilen müssen das Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control. Adressat der Kritik wäre gegebenenfalls aber die Bundesregierung selbst, die die Maßnahme ja gesetzt hat.
In der Strombranche fühlt man sich von der Ankündigung teils überrumpelt und teils zu Unrecht gebrandmarkt. "Manchmal hat man den Eindruck, als wären die Energieunternehmen die Ungustln der Nation", sagte etwa Verbund-Chef Michael Strugl. Die IG Windkraft spricht von einem "schwarzen Tag für die Energiewende". Wie auch die Branchenvertretung Oesterreichs Energie kritisiert sie, dass der Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energien dadurch sinken würde.
Milliardengewinne
Dass die Betroffenen mit höheren Abgaben keine Freude haben, ist naheliegend, es trifft aber keine Armen. In der Branche werden derzeit Rekordgewinne in Milliardenhöhe erwirtschaftet. Österreichs größter Stromkonzern Verbund hat etwa alleine im ersten Quartal einen Nettogewinn von 529 Millionen Euro eingefahren, wie am Donnerstag bekannt gegeben wurde – und damit noch etwas mehr als im ersten Quartal des Rekordjahres 2022. Dabei erzielte der Konzern im Großhandel einen durchschnittlichen Preis von 203 Euro je MWh.
Hier kommt die angekündigte Verschärfung zum Tragen. Zwar liegt der Spotmarktpreis inzwischen deutlich unter der Grenze von 160 Euro, in dem System gilt aber nicht das Datum des Vertragsschlusses, sondern das der Lieferung und die großen Produzenten verkaufen den Löwenanteil ihres Stroms mehrere Monate im Voraus.
Theoretisch möglich wäre, dass Konzerne den Strom in Zukunft billiger an ihre Vertriebsgesellschaften verkaufen, um der Abschöpfung zu entgehen und für Kunden attraktiver zu sein. Insbesondere bei börsennotierten Unternehmen ist allerdings fraglich, ob es rechtlich zulässig wäre, den Strom unter Marktwert zu verkaufen.
Ein gewisser inflationsdämpfender Effekt könnte sich aus der Maßnahme mittelbar ergeben, sagt Mayer, zum KURIER. Nämlich wenn die zusätzlichen Einnahmen Ländern und Gemeinden zugutekommen, die dafür auf eine Anhebung der Gebühren verzichten. Mit einem geschätzten Volumen von 40 Millionen Euro wäre der Effekt wohl aber verschwindend gering.
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