Noch stellt der Öl- und Gassektor mit seinen 12 Millionen Beschäftigten mehr als die Hälfte der weltweit verbrauchten Energie zur Verfügung. Die bekannten "Oil Majors" wie etwa Shell oder Chevron haben übrigens zusammengerechnet nur einen Marktanteil von 13 Prozent. Mehr als die Hälfte der weltweiten Förderung geht laut IEA auf große Staatsunternehmen wie etwa Saudi Aramco oder Gazprom zurück. Das bisherige Geschäftsmodell hat nach Prognose der IEA aber ein Ablaufdatum. Bis 2030 werde "Peak Oil", also der Zeitpunkt des weltweiten Fördermaximums von Öl und Gas erreicht sein. Der Kuchen wird also kleiner, für die Ölmultis bedeutet das, dass sie sich neue Geschäftsfelder erschließen müssen.
Wenn die Nachfrage abnimmt, werden voraussichtlich am ehesten die Produzenten im Rennen bleiben, die billig produzieren können. Das sind vor allem die arabischen Staatskonzerne.
Die Energiewende werde mit oder ohne die Öl- und Gasproduzenten weitergehen, meint Birol. Allerdings werde es schwieriger und teurer, wenn der Sektor nicht mithilft.
Jedes Jahr werden im Öl- und Gassektor etwa 800 Milliarden Dollar (735 Mrd. Euro) investiert. Im Geschäft mit den Erneuerbaren haben die fossilen Riesen bisher kaum Fuß gefasst. Hier investieren die Öl- und Gasfirmen zusammen etwa 20 Milliarden Dollar (18 Mrd. Euro) pro Jahr, was einem Prozent der weltweiten Investitionen in Erneuerbare entspricht. Dementsprechend stehen die Ölmultis auch immer wieder für Greenwashing in der Kritik.
Kritik an Greenwashing der Konzerne
Die IEA appelliert, die Öl- und Gasindustrie müsse stattdessen ehrlich agieren und nicht unrealistische Hoffnungen in weitgehend unerprobte Technologien wie etwa Kohlenstoffabscheidung schüren. Dass die Technologie es erlauben werde, ansonsten weiterzumachen wie bisher, sei "reine Fantasie", mahnte Birol. Die eigenen Betriebsemissionen (verkaufte Proudukte nicht mitgerechnet, Anm.), machen laut IEA etwa 15 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes aus. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen müsste der gesamte Sektor in einem ersten Schritt seine eigenen Emissionen bis 2030 um 60 Prozent reduzieren, so die IEA.
Inzwischen setzen sich viele Öl- und Gasfirmen Emissionsziele, insbesondere wenn das ihrer Reputation und somit ihrem Börsenwert dient. Durch das rein rechnerische schrittweise "ergrünen" der Ölmultis ändert sich aber nicht der weltweite Verbrauch fossiler Energie. So stehen die Konzerne etwa in der Kritik, besonders schmutzige Förderprojekte oder Geschäftsbereiche auszugliedern oder an kleinere Unternehmen zu verkaufen, die sie unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung weiterbetreiben. Die Emissionen werden dadurch aus den Büchern entfernt, aber das habe keine positiven Auswirkungen auf den Planeten, sagte etwa Andrew Baxter von der Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund (EDF) in der New York Times.
Die Öl- und Gasunternehmen haben laut der IEA durchaus gute Karten, ihr technologisches Know-how für klimafreundlichere Energieträger zu nutzen. Dazu zählen etwa Wasserstoff und wasserstoff-basierte Kraftstoffe, Geothermie (die auf Tiefenbohrungen angewiesen ist), Biomethan (chemisch CH4, also ident mit Erdgas). Die Öl- und Gasindustrie ist bereits jetzt an 90 Prozent der weltweiten Projekte zu Kohlenstoffabspaltung und -einspeicherung beteiligt. Das ist auch naheliegend, weil das CO2 typischerweise in ausgeförderten Erdgasfeldern eingespeichert werden soll.
Die Investitionen in diese Sektoren müssten laut der IEA aber deutlich angehoben werden. Unternehmen die nicht in die neuen Felder wachsen, müssten damit rechnen, ihr Kerngeschäft schrittweise abzuwickeln. Die Energiewende hingegen würde den erfahrenen und kapitalstarken Energiekonzernen neben Risiken auch große Chancen bieten.
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