Handy-Rechnung: Sammelklage wegen Servicepauschalen
Die meisten Handy-Kunden können davon ein Lied singen. Einmal im Jahr steigt die Mobilfunkrechnung um 20 bis 35 Euro, ohne dass man mehr telefoniert hätte. Bei der Durchsicht der Rechnung fällt dann auf, dass eine Servicepauschale verrechnet wurde. Wofür die gut ist und was diese umfasst, erschließt sich den Kunden auf den ersten Blick nicht.
Das hat nun den Prozessfinanzierer AdvoFin auf den Plan gerufen. Er startet eine Sammelklage für Privatkunden von Providern wie A1, Magenta oder Drei.
Basis ist das Urteil (4 Ob 59/22p) des Obersten Gerichtshofs (OGH), in dem eine Rechtswidrigkeit der Servicegebühren von Fitnessstudios festgestellt wurde. "Grundsätzlich sagt das OGH-Urteil, dass Servicepauschalen, wo keine faire und adäquate Gegenleistung gegenübersteht, unzulässig sind und ein Rückforderungsanspruch besteht", erklärt AdvoFin-Chef Gerhard Wüest dem KURIER. "Unsere Anwälte sind der Meinung, dass das, was für Fitnesscenter gilt, auch auf die Telekomprovider zutrifft."
Geht es nach dem OGH, dann würden Servicegebühren ohne Rücksicht darauf verrechnet, ob der Fitnesscenter-Kunde "die angebotenen Services in Anspruch nimmt oder nicht, sodass ihnen keine Leistung gegenüberstehe“. "In Wahrheit werde dadurch für wirtschaftlich nicht gesondert werthaltige Leistungen ein höherer Mitgliedsbeitrag eingehoben als durch das monatliche Entgelt suggeriert werde, was sachlich nicht gerechtfertigt und daher gröblich benachteiligend sei", so die Höchstrichter. "Die unübliche Verrechnung des Entgelts unter verschiedenen Positionen verschleiere einem Verbraucher darüber hinaus die Höhe des Gesamtentgelts."
488 Millionen Euro
Zurück zu den Handyverträgen. Die Servicepauschalen bei den Telekomprovidern wurden 2011 eingeführt und betragen im Durchschnitt 25 Euro pro Jahr. Laut AdvoFin können die Servicepauschalen zumindest für die vergangenen drei Jahre, wahrscheinlich sogar für zehn Jahre zurückgefordert werden. Das müssen aber erst die Gerichte klären. Unter dem Strich macht das aber Rückforderungen in Höhe von mindestens 75 Euro pro Vertrag und maximal bis zu 250 Euro. Der Prozessfinanzierer schätzt, dass 6,5 Millionen SIM-Karten von Servicepauschalen betroffenen sind. Das macht am unteren Ende Rückforderungen von zumindest 488 Millionen Euro. AdvoFin bezahlt die gesamten Verfahrenskosten, aber kassiert im Erfolgsfall von der Rückzahlung 34 Prozent.
Alles ganz anders
Indes bestreiten die Telekom-Anbieter, dass dieses OGH-Urteil auf ihre Servicepauschalen umgelegt werden kann. „Die gerichtlichen Aussagen zu den Fitnessstudio-Servicepauschalen sind nicht direkt übertragbar, da unsere Serviceentgelte und Leistungen bereits vom Sachverhalt anders gelagert sind“, teilt A1-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm dem KURIER mit.
In eine ähnliche Kerbe schlägt Magenta. "Die mit der Servicepauschale abgegoltenen zusätzlichen Service-Leistungen sind nicht Bestandteil der vertraglichen Hauptleistung und können nicht mit anderen Branchen verglichen werden", erklärt Magenta-Sprecher Peter Schiefer. "Die Servicepauschale deckt die bei Magenta durch zusätzliche Service-Leistungen entstehenden tatsächlichen Kosten ab."
Auch der Anbieter Drei meint, dass das OGH-Urteil keine Wirksamkeit auf andere Branchen habe. "Aus Sicht von Drei bestehen wesentliche Unterschiede im Hinblick auf die Inhalte der Servicepauschale bei Telekommunikationsverträgen", so Drei-Sprecher Tom Tesch.
Schützenhilfe erhalten die Mobilfunkanbieter von der Telekomregulierungsbehörde RTR. Diese meint, dass den Servicepauschalen von Telekom-Anbietern sehr wohl Leistungen gegenüberstehen. Darunter seien "Services" wie "Tausch der SIM-Karte, Wiederherstellung des Anschlusses, die Sperre von Mehrwertnummern, das Einrichten von Datensperren sowie Sperren für mobiles Zahlen".
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