ORF-Gebühr: Poker um 340 Millionen Euro Mehrwertsteuer

ORF-Gebühr: Poker um 340 Millionen Euro Mehrwertsteuer
Die Mehrwertsteuer auf die ORF-Gebühren soll EU-rechtswidrig sein – die Finanz bestreitet das.

Die 320.000 Unterschriften zur Abschaffung der ORF-Gebühren sind zwar nicht der Anlass, aber das Volksbegehren kam dennoch gut gelegen. Der Wiener Prozessfinanzierer AdvoFin hat am Mittwoch eine Sammelklage für 3,31 Millionen Fernseh-Gebührenzahler gestartet. Diese Gebühren werden über die ORF-Tochter Gebühren Info Service GmbH (GIS) eingehoben.

„Auf das Programmentgelt, das der ORF erhält, werden zehn Prozent Umsatzsteuer aufgeschlagen“, sagt AdvoFin-Vorstand Gerhard Wüest. „Wir sind aber der Ansicht, dass diese Umsatzsteuer gegen europäisches Recht verstößt.“ Nachsatz: „Es gibt in der EU kein Land außer Österreich, in dem noch Mehrwertsteuer auf die TV-Gebühr verrechnet wird.“ Pro Gebührenzahler macht die Umsatzsteuer 20,65 Euro im Jahr aus, für die vergangenen fünf Jahre will AdvoFin diese Steuer von der GIS bzw. dem ORF zurückfordern. Umgerechnet auf alle Gebührenzahler macht das insgesamt rund 340 Millionen Euro. Sollten die Klagen Erfolg haben, hat der ORF ein Budgetproblem.

68 Millionen pro Jahr

ORF-Gebühr: Poker um 340 Millionen Euro Mehrwertsteuer

AdvoFin-Vorstand Gerhard Wüest

„Die GIS ist das Inkassobüro, aber der ORF wird dadurch rund 68 Millionen Euro Vorsteuerabzug im Jahr verlieren“, sagt Wüest. Das heißt, der ORF könnte künftig die Umsatzsteuer auf Rechnungen, die er zu bezahlen hat, in dieser Höhe nicht mehr gegenverrechnen.

Laut AdvoFin-Anwalt Ulrich Salburg scheint die rechtliche Ausgangslage Erfolg versprechend zu sein. Salburg beruft sich nämlich auf das Urteil C11/15 des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juni 2015 gegen den öffentlich-rechtlichen Hörfunk Tschechiens bzw. die tschechische Finanzdirektion. Schon damals ist der EuGH zum Schluss gekommen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Rundfunkgebühr Tschechiens „allein an den Besitz eines Rundfunkgeräts gebunden ist“, und nicht an die Nutzung des tschechischen Hörfunks durch den Gebührenzahler. „Was für den tschechischen Rundfunk gilt, gilt auch für den ORF“, sagt AdvoFin-Anwalt Wolfgang List.

Untermauert wird diese Ansicht mit einem Rechtsgutachten von Thomas Kühbacher vom Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Uni Innsbruck. Kühbacher argumentiert darin, dass die Verpflichtung zur Entrichtung des ORF-Programmentgelts für den Besitzer eines TV-Geräts auch dann besteht, wenn „sein Gerät technisch gar nicht in der Lage ist, die Programme des ORF zu empfangen“. Damit fehle dem Rechtsverhältnis zwischen Gebührenzahler und Rundfunk „die Freiwilligkeit“ und „der steuerbare Leistungsaustausch“, was aber das EU-Recht voraussetzt. Der Experte geht davon aus, „dass das ORF-Programmentgelt nicht mit Umsatzsteuer zu belasten ist“.

Der Konter

„Wir sind davon überzeugt, dass die Einhebung der Umsatzsteuer den österreichischen Gesetzen entspricht“, sagt GIS-Chef Harald Kräuter zum KURIER. Das Finanzministerium hat dazu ein Gutachten bei zwei Uni-Professoren eingeholt. „Unser Gutachten bestätigt, dass die derzeitige Praxis rechtskonform ist“, sagt Johannes Pasquali vom Finanzministerium. „Wir werden aber das EuGH-Urteil analysieren.“ Der ORF schließt sich dem an.

Entschieden wird dieser veritable Rechtsstreit am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Prozessfinanzierer kassiert im Erfolgsfall 27 Prozent Prämie

Ob WEB-Skandal, AvW-Krimi oder Meinl-European-Land-Desaster – der Wiener Prozessfinanzierer AdvoFin um Gerhard Wüest und Franz Kallinger  hat in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit Massenklagen gesammelt. Rund 260 Millionen Euro hat AdvoFin für 24.000 Geschädigte gerichtlich zurückgeholt.

Die SammelklageMehrwertsteuer auf GIS-Gebühr“ ist für den Prozessfinanzierer aber eine neue Dimension. 3,31 Millionen Gebührenzahler sind betroffen, zumindest die 320.000 Teilnehmer des GIS-Gebühren-Volksbegehrens  will Wüest für diese Sammelklage gewinnen. Sein Haus übernimmt alle Kosten und trägt das finanzielle Prozessrisiko, sprich bezahlt die Klagen und Anwälte.

Eine Klage wurde bereits beim Wiener Bezirksgerichts für Handelssachen eingebracht.  Sollte der Prozessfinanzierer den Fall am Ende verlieren, bleibt er auf seinen Kosten sitzen.  Ist er aber  erfolgreich, dann streift er 27 Prozent Prämie vom Prozesserlös ein. Oder anders gesagt: Von 100 Euro gehen dann 27 Euro an AdvoFin. Die Gebührenzahler können sich unter www.advofin.at/gis  bei der Sammelaktion kostenlos anmelden.

Die AdvoFin Prozessfinanzierungs AG gehört zu rund 88 Prozent der Telor International Ltd. (Isle of Man) und zu je fünf Prozent Kallinger und Wüest. Hinter Telor steckt der deutsche Ex-Banker  und Investor  Karl-Heinz  Hauptmann.

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