Flaute am Bau: Handwerk und Gewerbe leiden mit
Die gebremste Wirtschaftsentwicklung bekommen Gewerbe und Handwerk deutlich zu spüren. Besonders triste Stimmung herrscht im Bausektor.
"Wenn der Baubereich mit den nachgelagerten Gewerken schwächelt, hat das natürlich Auswirkungen auf die gesamte österreichische Wirtschaft - der Bau spielt mehr als die Hälfte des Umsatzes von Gewerbe und Handwerk ein", so die WKÖ-Bundesspartenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster.
Sie will von der Regierung einen "Booster" für den Bausektor.
Bauwirtschaft gilt als Frühindikator
Die Bauwirtschaft sei "ein Frühindikator für die übrigen Branchen", betonte die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich am Dienstag bei einer Pressekonferenz.
"Insgesamt haben wir eine negative Entwicklung", sagte Christina Enichlmair mit Blick auf die Auftragseingänge und Umsätze, die im ersten Halbjahr 2023 wertmäßig um insgesamt 2,1 Prozent gesunken seien, mengenmäßig aber um 9 Prozent. Die Preise seien um 7 Prozent gestiegen.
"Am schlimmsten" sei es im Baubereich mit einem nominellen Rückgang von 11,6 Prozent, real - bezogen auf die Menge - seien es sogar minus 17,2 Prozent gewesen.
Überdurchschnittlich schlecht lief es den Angaben zufolge heuer im ersten Halbjahr auch bei den Kunststoffverarbeitern mit minus 8,6 (nominell) bzw. 12,2 Prozent (real), im Holzbau (minus 8,1 bzw. 14,3 Prozent) sowie bei den Tischlern und im Holzgestaltenden Gewerbe (minus 6,7 bzw. 13,2 Prozent).
Bei den Umsätzen und Auftragseingängen zumindest nominell leicht im Plus lagen lediglich die Elektrotechniker mit 2,8 Prozent. "Doch real war in allen Branchen ein Minus zu beobachten", berichtete die Projektleiterin von der KMU Forschung.
Im dritten Quartal 2023 brach der Auftragsbestand gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr in Gewerbe und Handwerk um 11,9 Prozent ein. "Das ist noch stärker als im ersten Corona-Jahr", strich Enichlmair hervor. Im dritten Quartal 2020 hatte es einen Rücksetzer von 10,8 Prozent gegeben.
Fast alle Branchen im Minus
"Fast alle Branchen haben ein Minus, viele zweistellig." Bei den Tischlern und Holzgestaltern schrumpfte der Orderbestand heuer im dritten Quartal gegenüber der Vorjahresperiode laut KMU Forschung Austria um 19,7 Prozent, bei den Kunststoffverarbeitern um 19,1 Prozent.
"Da gab es nicht mal zu Corona-Zeiten ein solches Minus", so Enichlmair. Im Baugewerbe - mit einer Abschwächung von 18,7 Prozent "ausgehend von einem hohen Niveau - gab es "noch niemals seit Beginn unserer Erhebungen 2011 so einen starken Rückgang". Bei den Hafnern, Platten- und Fliesenlegern und Keramikern verringerte sich der Auftragsbestand um 15,3 Prozent.
Auch heuer im Zeitraum Juli bis September waren die Elektro-, Gebäude- Alarm- und Kommunikationstechniker die Einzigen, die im Plus waren - mit einem um 2,7 Prozent größeren Orderpolster als ein Jahr davor. Das sei in erster Linie der Installation von Photovoltaikanlagen sowie mehr Wartung Reparatur - Stichwort Reparaturbonus - zu verdanken.
PV-Anlagen: Erst Lieferengpässe, jetzt zu wenig Netzkapazität
Bei den PV-Anlagen zeichnet sich aber auch eine Bremse ab: Bis vor wenigen Monaten habe es bei Teilen für die PV-Anlagen noch Lieferengpässe gegeben, so Scheichelbauer-Schuster. "Das Material haben wir, jetzt gibt es einen Engpass an Netzkapazität." Dadurch könne der private Strom nicht eingespeist werden.
Insgesamt sei der Auftragsbestand in Wochen gerechnet im dritten Quartal zurückgegangen. Fast ein Drittel der Betriebe (30 Prozent) ist nur eine Woche bis vier Wochen ausgelastet. "Dieser Anteil ist gestiegen", hielt Enichlmair fest. Im Bau- und Bauhilfsgewerbe hätten 5 Prozent überhaupt keinen Auftragsbestand. Das sei zuletzt 2019 mit 4 Prozent der Fall gewesen. Ansonsten seien die Betriebe im dritten Quartal "normalerweise immer ausgelastet".
Auch die letzten Monate des heurigen Jahres lassen keine Entspannung erkennen. Die Erwartungen der Betriebe mit Blick auf das Herbst/Winter-Quartal seien "durchwegs negativ" und sinken in den investitionsgüternahen Branchen weiter.
Bei den konsumgüternahen Branchen seien die Umsatzerwartungen insgesamt auch knapp negativ, mit einzelnen Ausnahmen. Etwas Zuversicht herrscht im Bereich Mode und Bekleidungstechnik, bei den Fußpflegern, Kosmetikern und Masseuren, im Kunsthandwerk und bei den Friseuren. Hier kämen zum Jahresende hin der Advent, Weihnachten und Veranstaltungen zum Tragen.
"Wir sehen ganz deutlich die Auswirkungen des massiven Abschwungs im Wohnbau - ein reales Minus von 9,1 Prozent im ersten Halbjahr spricht eine deutliche Sprache", fasste Scheichelbauer-Schuster zusammen. Dass der Auftragsbestand in investitionsgüternahen Branchen, vor allem im Baunebengewerbe, so stark zurückgehe, sei "wirklich ein Alarmzeichen". Es verzeichneten mehr Betriebe Umsatzrückgänge als Zuwächse. "Insgesamt stehen wir, wie in Deutschland, vor einer Rezession."
Booster für Bauwirtschaft gefordert
Die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk richtete einen dringenden Appell an die Regierung, möglichst rasch "einen starken wirtschaftspolitischen Impuls zu setzen". "Das brauchen wir jetzt, einen Booster in der Bauwirtschaft", meinte Scheichelbauer-Schuster und schlug unter anderem die "Neuauflage eines erweiterten, eines großen Handwerkerbonus" vor.
Konkret meinte sie damit eine Dotierung von "mindestens 100 Mio. Euro für zwei Jahre". Bei einer Förderhöhe von 25 Prozent könnten damit pro Person und Jahr 5.000 Euro zur Verfügung stehen. Das wäre "budgetverträglich". "Der letzte Handwerkerbonus war für den Finanzminister aufkommensneutral", kostete also unter dem Strich keine Steuergelder.
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