Fällt der umstrittene Pakt der Mercosur-Staaten mit der EU ins Wasser?
Puerto Iguazú ist eine sehr idyllische Stadt. Sie liegt bei den spektakulären Iguazú-Wasserfällen im Dreiländereck Argentinien, Brasilien, Paraguay. Dort trafen sich dieser Tage die Außenminister und Staatschefs der südamerikanischen Mercosur-Länder.
Warum das auch für Österreich wichtig ist? Weil ein Thema in Puerto Iguazú das geplante Freihandelsabkommen mit der EU war. Für Ökos und Landwirtschaft in einigen EU-Ländern ist das Abkommen ja eine Art Teufelszeug, für die Industrie hingegen Heilsbringer.
Wie also steht es mit Abkommen, was ist Mercosur überhaupt und wie sind die Positionen in Österreich dazu?
Hier ein kompakter Überblick, über die Fragen, die in diesem Artikel beantwortet werden:
- Wofür steht Mercosur?
- Was ist der Sinn und Zweck von Mercosur?
- Wie groß und mächtig ist Mercosur?
- Wie weit sind die Länder mit ihrer Gemeinschaft?
- Wo liegen die Probleme von Mercosur?
- Was steckt hinter dem Abkommen mit der EU?
- Wie stehen die Verhandlungen mit der EU?
- Wird das Abkommen überhaupt etwas?
- Wie ist die Position Österreichs?
Wofür steht Mercosur?
Mercosur ist eine internationale Wirtschaftsgemeinschaft im südlichen Lateinamerika. Der Name steht für Mercado Común del Sur. Übersetzt "Gemeinsamer Markt des Südens".
Die Gemeinschaft wurde am 29. November 1991 von den Gründungsländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ins Leben gerufen.
Chile, Bolivien, Peru, Kolumbien, Ecuador, Guyana und Surinam haben den Status assoziierter Staaten ohne Stimmrecht. Bolivien befindet sich im Beitrittsprozess.
Venezuela trat dem Staatenbund 2012 bei, 2016 wurde das Land aber von den anderen Staaten wieder rausgeworfen, weil Freihandel und Venezuelas "real exitierender Sozialismus" nicht wirklich zusammen passen.
Was ist der Sinn und Zweck von Mercosur?
Mercosur soll schrittweise eine Wirtschafts-Union werden. Also wie die EU.
Die Staaten hatten bei der Gründung das Ziel, einen Binnenmarkt mit dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmern zu schaffen.
Dazu gehört etwa auch, Zölle im Handel zwischen den Mercosur-Staaten abzuschaffen und dafür einen gemeinsamen Außenzoll und eine gemeinsame Handelspolitik mit Drittstaaten einzuführen.
Wie groß und mächtig ist Mercosur?
Mit mehr als 260 Millionen Menschen leben rund 62 Prozent der Einwohner Südamerikas in den Mitgliedsstaaten des Mercosur-Bundes.
67 Prozent des südamerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird dort erwirtschaftet.
Aber: Mercosur zählt zwar zu den größten Wirtschaftsgemeinschaften der Welt, hat im Jahr 2021 nur rund 3,21 Prozent zum globalen BIP beigetragen.
Und? Wie weit sind diese Länder mit ihrer Gemeinschaft?
Mercosur ist bislang nicht mehr als eine löchrige Zollunion, analysiert das deutsche ifo-Institut.
Es gibt noch immer Zölle zwischen den Ländern und auch das Handelsvolumen zwischen den Mercosur-Staaten ist nicht gewachsen.
Auch der gemeinsame Außenzoll hat zahlreiche Ausnahmen, es gibt kein Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung, geschweige denn eine koordinierte Wirtschaftspolitik.
Was ist das Problem?
Die Übermacht von Brasilien. So macht Brasiliens Wirtschaftsleistung nach Angaben des ifo-Instituts rund drei Viertel des BIP im Block aus, wodurch der Staat vor allem seine eigenen Interessen durchsetzt.
Außerdem kracht es gerade. Uruguay will wirtschaftliche Beziehungen mit China.
Bilaterale Beziehungen mit Drittstaaten sind den Mercosur-Staaten aber laut Gründungsabkommen von 1991 eigentlich untersagt.
Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sucht da einen Ausweg und sagt, dass er ein Abkommen zwischen Mercosur und China in einem "Plan zur Modernisierung und Öffnung des südamerikanischen Handelsblocks für andere Regionen" befürworte.
Übersetzt: Wenn uns die Europäer blöd kommen, dann machen wir eben verstärkt Geschäfte mit China.
Was steckt hinter dem Abkommen mit der EU?
Der Vertrag zwischen Mercosur und EU würde die größte Freihandelszone der Welt mit 780 Millionen Menschen schaffen. Er soll vor allem Zölle abbauen und damit den Handel ankurbeln.
Allerdings ist es sowohl in Südamerika als auch in Europa umstritten.
Einige Länder wollen ihre Märkte schützen, andere fürchten dagegen die Aufweichung von Arbeits- oder Umweltstandards.
Die EU will zusätzlich eine Zusatzvereinbarung, die Umwelt, Klima und Menschenrechte besser schützen soll.
Das nervt vor allem Brasilien und Argentinien. Sie fordern auf dem Gipfel "gleichberechtigte Beziehungen" mit der EU.
Und wie stehen die Verhandlungen mit der EU aktuell?
Fast 20 Jahre dauerten die Verhandlungen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten über ein gemeinsames Handelsabkommen.
Am 28. Juni 2019 konnte zwar eine Einigung erzielt werden. Passiert ist seitdem aber nicht viel: Seit dem Abschluss der Verhandlungen liegt das Abkommen auf Eis.
Grund ist der Umweltschutz. Weil sich der inzwischen abgewählte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro nicht davon abbringen lies, die Abholzung des Regenwalds am Amazonas zuzulassen, wurde das Abkommen bislang nicht ratifiziert.
Mit dem neuen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva sollten die Verhandlungen frischen Wind erhalten: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollte das Abkommen mit Mercosur bis Ende des Jahres abschließen.
Doch auch mit Lula droht der Pakt zu scheitern. Weil der zwar viel von Umweltschutz redet, die Abholzung des Regenwaldes aber unvermindert weitergeht.
War es das also mit dem Abkommen?
Lula da Silva hat zuletzt die von der EU geforderte Zusatzerklärung zu Umwelt und Klima als "Bedrohung" für das geplante Freihandelsabkommen kritisiert.
Konkret bezog sich Lula auf den Nachtrag der EU zum Abkommen, der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzverpflichtungen festlegt und Strafen für Nationen einführt, die die im Pariser Abkommen von 2015 festgelegten Klimaziele nicht einhalten.
Brasilien und Argentinien wollen jetzt an einem Gegenvorschlag arbeiten. Sieht also nach diplomatischem Endlos-Gezerre aus.
Wie ist die Position Österreichs?
Kommt ganz drauf an, wen man fragt. Die Positionen von Landwirtschaft und Industrie sind so konträr wie polemisch vorgetragen. So warnen Bauernvertreter davor, dass der heimische Markt mit billigem Rindfleisch aus Mercosur-Staaten geflutet werden wird.
Experten sagen jedoch, man müsse die Kirche im Dorf lassen. Das Abkommen erlaubt etwa den Import von 99.000 Tonnen Rindfleisch aus Mercosur, mit einem Zoll von 7,5 Prozent. Diese Menge entspricht 1,2 Prozent der gesamten EU-Rindfleischproduktion.
Für den Fall, dass die Importmengen in die Höhe schießen und die EU-Marktstruktur ins Wanken bringen, gibt es eine Klausel, nach der die Handelsliberalisierung ausgesetzt werden kann. Für zwei Mal zwei Jahre.
Währenddessen drängen Industrielle auf Mercosur. Zu ihren Standardargumenten gehört die Arbeitsplatzsicherung, schon jetzt würden 32.000 Jobs in Österreich an Exporten in die Mercosur-Region hängen.
Fazit:
Das ganze Abkommen zieht sich. Der Linkspopulist Lula unterscheidet sich bei Klima und Umweltschutz nicht vom Rechtspopulisten Bolsonaro. Und nach dem jüngsten Mercosur-Gipfel scheint es eher unwahrscheinlich, dass es noch heuer zu einer Lösung kommt. Nächstes Jahr sind dann EU-Wahlen. Das Abkommen steht also in den Sternen.
Quellen: Deutsche Presse-Agentur, ifo-Institut, ZDF, O Globo
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