Mercosur & Co: Warum der freie Handel so ein Reizthema ist
Die EU hat 79 Wirtschaftsabkommen abgeschlossen, aber jedes einzelne Vertragswerk blieb bis zur endgültigen Unterschrift heftig umstritten. Das ist auch bei dem Mercosur-Abkommen mit Ländern Lateinamerikas nicht anders. Vielfach geht es dabei um die unterschiedlichen Interessen der Lobbys aus Industrie, Landwirtschaft oder dem Umweltschutz. Oft steht aber auch die (Welt-)Politik im Weg.
Welche Abkommen gibt es bereits?
Die EU hat Abkommen verschiedenster Qualität und Tiefe mit Ländern wie Mexiko, Ägypten, Chile, Südafrika, Türkei und – im Rahmen der „östlichen Partnerschaft“ – mit Georgien, Moldau und der Ukraine (seit 2017) abgeschlossen. Als jüngstes, prominentes Beispiel gilt das CETA-Abkommen mit Kanada – ebenfalls bis zum Schluss hoch umstritten, etwa in Frankreich.
Dieser Vertrag ist auch nur vorläufig in Kraft, weil er zwar unterzeichnet, aber noch nicht in allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Seit Inkrafttreten sind die EU-Exporte nach Kanada um 26 Prozent gestiegen, die österreichischen Exporte stiegen überdurchschnittlich um rund 48 Prozent. Nach Schätzungen wurden 70.000 Jobs in der EU geschaffen.
Welche Abkommen werden derzeit verhandelt?
Hier einen vollständigen Überblick zu geben, ist unmöglich. Weil sich Verhandlungen oft über Jahre ziehen, aber auch immer wieder ausgesetzt und erst später wieder fortgesetzt werden. Die für die Handelspolitik zuständige EU-Kommission verhandelte zuletzt unter anderem mit Indonesien, Neuseeland und Australien über Freihandelsabkommen. Die 2021 unterbrochenen Gespräche mit Indien sollten bald wieder aufgenommen werden, hieß es im vergangenen Sommer.
Was wurde aus dem Abkommen mit den USA?
Der Startschuss zu den Verhandlungen für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP erfolgte bereits Anfang 2013 in der zweiten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama. Die EU und die USA wollten damals die tatsächlich größte Freihandelszone der Welt schaffen. Probleme zeigten sich bald: Streit über Subventionen (z. B. für Boeing bzw. Airbus), Chlorhühner, Gentechnik, Hormonfleisch, Datenschutz etc. Im Jahr 2017, nach dem Amtsantritt von Donald Trump, wurden die Gespräche ausgesetzt. Die Hoffnungen auf eine Wiederbelebung unter US-Präsident Joe Biden haben sich nicht erfüllt. Auch hat Biden mit seinem Inflationsbekämpfungsgesetz und Milliarden-Förderungen für neue Fabriken in den USA die protektionistische Karte gespielt.
Wie sieht es im Verhältnis zu China aus?
Mit China gelang ein Investitionsabkommen, aber kein umfassendes Freihandelsabkommen. Erst im Herbst forderten EU-Abgeordnete, die Kommission solle angesichts der „andauernden Provokationen“ aus Peking besser ein Abkommen mit Taiwan verhandeln. Der Krieg in der Ukraine hat das europäische Verhältnis zu China nicht eben entspannt. Stattdessen will die EU trotz aller Differenzen etwa in Fragen der Menschenrechte nun enger mit den ASEAN-Staaten in Südostasien (wie z. B. Thailand, Vietnam) zusammenarbeiten und damit auch den Einfluss von China und Russland begrenzen. Das wurde auf einem Gipfel Mitte Dezember vereinbart.
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