Nicht nur Gas: Europas enorme Abhängigkeit

Nicht nur Gas: Europas enorme Abhängigkeit
Europas Wohlstand ist an den Zugang zu importierten Ressourcen gebunden, bei vielen davon dominiert China den Weltmarkt.

Der Krieg in der Ukraine hat Europa seine massive Abhängigkeit von russischen Energieimporten aufgezeigt. Aber auch in anderen Bereichen basiert unser Wohlstand darauf, dass wir bestimmte Materialien vergleichsweise billig zukaufen können.

Das wird auch vorläufig so bleiben, wenn nicht sogar noch ausgeprägter werden. Zwar sollen neue Möglichkeiten der Digitalisierung und der Energiewende Europa insgesamt unabhängiger machen: E-Autos und erneuerbare Energieträger brauchen keine fossilen Treibstoffe. Allerdings brauchen die dafür benötigten Solarzellen, Computerchips etc. mineralische Rohstoffe, die teilweise nur in anderen Erdteilen in großem Maßstab verfügbar sind. Wer sich diese sichert, hängt im Wesentlichen von geopolitischen Machtstrukturen ab. Europa müsse deswegen die Geopolitik der Lieferketten erlernen, so EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Rohstoff-Macht China

Der Status als Kolonialmacht, etwa in Afrika, hat Europa hier lange Zeit eine Vormachtstellung verschafft. Mit dem schwelenden Konflikt um Taiwan stellt sich aber die Frage, wie stark Europa inzwischen von China abhängig ist. Insbesondere bei Mikrochips spielt Taiwan weltweit eine führende Rolle. Nach Einschätzung von Infineon-Chef Jochen Hanebeck wäre es auch innerhalb von fünf oder zehn Jahren nicht möglich, die dortige Produktion im benötigten Umfang mit neuen Fabriken in anderen Ländern zu ersetzen.

Nicht nur Gas: Europas enorme Abhängigkeit

Kupferkabel

Dazu kommt: China könnte in Zukunft auch ohne einen politischen Konflikt mit dem Westen weniger Rohstoffe exportieren, wenn diese im Land gebraucht werden – etwa um seine wirtschaftliche Position bei Schlüsseltechnologien zu festigen oder auch um den Erneuerbaren-Ausbau im eigenen Land zu beschleunigen.

China hat den Rohstoff-Abbau seit den 1990ern als Teil seiner wirtschaftspolitischen Strategie staatlich subventioniert. Die Umweltauflagen gelten als vergleichsweise lax – das drückt die Kosten und dementsprechend hat sich China bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten in eine weltweit führende Stellung gebracht.

Die EU stuft 30 Rohstoffe als "kritisch" ein. Das bedeutet, dass sie für die wirtschaftliche Entwicklung von hoher Relevanz sind und ein hohes Versorgungsrisiko besteht. 19 der 30 aufgelisteten Rohstoffe werden hauptsächlich aus China eingeführt.

Christian Helmenstein vom liberalen Economica-Institut bescheinigt im Gespräche mit dem KURIER auch der österreichischen Volkswirtschaft ein „sehr hohes Maß an Abhängigkeit“. Zur "direkten Abhängigkeit" in Form von Importen komme dabei noch die "indirekte", etwa bei Importen aus Staaten in Afrika, wo sich chinesische Unternehmen einen hohen Marktanteil gesichert haben.

 

Nicht nur Gas: Europas enorme Abhängigkeit

Nickel-Aufbereitung

"Ohne ein bewusstes Gegensteuern wird sich die Abhängigkeit von China daher weiter erhöhen", schreibt Jürgen Matthes, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Das IW drängt deswegen darauf, die Handels- und Investitionsbeziehungen in Asien zu diversifizieren.

Europäische Strategie

Manche Produktionen werden in Europa aus Kostengründen nicht betrieben. Es ist für die Unternehmen schlicht billiger, sie zu importieren. Wie schon bei Energiethemen zeigt sich: Versorgungssicherheit kostet Geld.

Breton schlägt einen Ansatz in drei Schritten vor, um der Abhängigkeit zu begegnen. Der erste ist, Ressourcen effizienter zu verwenden. Zweitens soll das Recycling ausgebaut werden. Da die Nachfrage nach Rohstoffen wächst, kann sie aber nicht mit Recycling gedeckt werden. Drittens, so Breton, könnten europäische Produktionen etwa 20 bis 30 Prozent des Bedarfs decken. Dagegen stehen aber oftmals auch Umweltbedenken – so gab es etwa in Spanien, Portugal und Serbien Proteste gegen den Abbau von Lithium.

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