"Aufgrund der EPR-Regelung kann in folgende Länder kein Versand mehr erfolgen", heißt es auf mehreren deutschen Buchhandelsplattformen. Auf der Liste der betroffenen Länder findet sich neben Bulgarien, Frankreich, Griechenland oder Spanien auch Österreich. Hinter dem Kürzel EPR verbirgt sich die sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung, die Hersteller und Inverkehrbringer von Produkten in Verantwortung nimmt und auch die Entsorgung von Verpackungen umfasst.
Seit Anfang vergangenen Jahres müssen Online-Händler einen bevollmächtigten Vertreter für Verpackungen in Ländern bestellen, in die sie liefern wollen. Dazu müssen sie sich im jeweiligen Land registrieren und einen Vertrag mit einem Bevollmächtigten abschließen. Die Kosten dafür belaufen sich auf mindestens 100 bis 150 Euro im Jahr. Für kleinere Händler, die vielleicht nur wenige Waren nach Österreich liefern, rechnet sich das nicht.
"Zu teuer und zu kompliziert"
"Zu teuer und zu kompliziert", sagt der Buchhändler Wolfgang Rüger, der in Frankfurt ein Antiquariat betreibt. Er liefert deshalb auch keine Bücher mehr nach Österreich. "Die EU und der Binnenmarkt werden ad absurdum geführt", sagt er.
Gegen die Regelung selbst hat Rüger nichts. Wer Abfall produziere, solle auch dafür sorgen, dass er beseitigt werde. Schließlich sollten damit vor allem die Großen getroffen werden, sagt er. Die Umsetzung in einigen Ländern sei allerdings "schwachsinnig".
Wollte er in alle EU-Länder liefern, müsste er sich in jedem Land einem Umweltverband anschließen und dafür Mindestgebühren bezahlen. In vielen Ländern würden aber nur wenige Gramm Abfall durch seine Lieferungen anfallen.
Weil es sich um eine EU-Richtlinie handelt, obliegt es den nationalen Regierungen, wie sie konkret umgesetzt wird. Bis auf zehn Länder, darunter auch Österreich, haben alle eine Bagatellgrenze vorgesehen.
Sie ermöglicht es auch Händlern wie Rüger, Kunden in diesen Ländern zu beliefern. "Die anderen haben nicht begriffen, dass sie mit den EPR-Regelungen den innereuropäischen Warenverkehr für Klitschen wie mich ausradieren", sagt der Frankfurter Buchhändler, der seinen Laden alleine betreibt.
Die Bücher privat zu verschicken, wie es manche seiner Kollegen tun, ist für ihn keine Option. Denn wenn man seine Waren über eine Plattform anbiete, hinterlasse man Spuren. "Wenn geprüft wird, kommt man dran." Frankreich lasse sich etwa von allen Plattformen jedes Jahr alle Transaktionen mitteilen, Polen drohe im Fall von Verstößen sogar mit Gefängnisstrafen, erzählt Rüger: "Diejenigen, die seriös arbeiten, halten sich an die Gesetze und liefern nicht mehr."
Getöse um chinesische Online-Händler
Als die Richtlinie Anfang 2023 in Kraft trat, gab es auch in Österreich Getöse. Vor allem Bastler, die billige Elektronikteile aus China bestellt haben, saßen plötzlich auf dem Trockenen, weil chinesische Anbieter sich das Prozedere nicht antun wollten.
Mittlerweile hat sich die Situation entspannt. Große Plattformen wie AliExpress greifen Händlern offenbar bei der Erfüllung der Auflagen aktiv unter die Arme.
Die Zahl der Anfragen zu der Verpackungsregelung sei deutlich zurückgegangen, sagt Karl Ungersbäck, Spartengeschäftsführer Handel in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Ausnahmen für kleinere Händler hält er nicht für sinnvoll. Beim Thema Verpackung sei das aus der historischen Erfahrung nicht umsetzbar. Denn wer nicht registriert sei, könne auch nicht überprüft werden.
Dann könne es auch passieren, dass die Ausnahme in Anspruch genommen wird, aber tatsächlich viel größere Mengen nach Österreich geliefert werden. Für die Entsorgung würden dann österreichische Händler mitbezahlen, argumentiert Ungersbäck: "Alle früheren Versuche, die Trittbrettfahrerproblematik in den Griff zu bekommen, haben nicht funktioniert."
Haben auch österreichische Händler, die ins Ausland exportieren wollen, solche Probleme? Vor allem für kleine Händler sei es ein wesentlicher Schritt, dass sie Bestimmungen einzelner Länder beachten, sagt Ungersbäck. Man müsse sich registrieren, sonst gebe es eben keinen Export. Dass es in Österreich komplizierter sei als in anderen EU-Ländern, könne er nicht nachvollziehen: "Jeder EU-Staat hat das so zu organisieren, dass Verpackung erfasst werden und sichergestellt ist, dass sie gesammelt werden."
Aus dem für die nationale Umsetzung zuständigen Klimaschutzministerium verweist man gegenüber dem KURIER auf Anfragen ausländischer Händler aber auch Bürgerinnen und Bürger zur Rechtslage und den Voraussetzungen zur Bevollmächtigung. Änderungen der Regelung seien derzeit auf nationaler Ebene aber keine geplant, so eine Ministeriumssprecherin. Die Regelung sei an die EU notifiziert worden. Beanstandungen habe es keine gegeben. Aktuell seien bereits über 10.000 Bevollmächtigungen in der entsprechenden Datenbank eingetragen.
Auf europäischer Ebene werde derzeit aber der Entwurf einer Europäischen Verpackungsverordnung verhandelt, der Auswirkungen auf die nationale Regelung der Bevollmächtigten haben könne, so die Ministeriumssprecherin weiter.
Beschwerden über die Regelung hat es auch bei der EU-Kommission gegeben. Mehr als 100, teilt eine Sprecherin dem KURIER auf Anfrage mit. Eine Untersuchung der österreichischen Bestimmungen auf eine mögliche Verletzung der Warenverkehrsfreiheit durch die Generaldirektion für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU laufe derzeit, heißt es weiter. Das weitere Vorgehen hänge vom Ergebnis der Analyse ab.
Österreich schieße sich mit der Umsetzung der EU-Regelung selbst ins Knie, meint der Frankfurter Buchhändler Rüger. Von der Regelung betroffen seien immerhin alle Einzelhändler, die über Längergrenzen hinweg liefern wollen, egal ob sie Bücher, Handschuhe oder Ostereier verkaufen.
Früher habe er für die von ihm nach Österreich gelieferten Bücher Steuern an den Staat bezahlt, sagt Rüger: "Jetzt gibts kein Geld mehr. Wenn das alle so halten wie ich, dann macht sich die Summe auch im Haushalt bemerkbar."
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