Was ist der Energiecharta-Vertrag?
Der ECT ist ein völkerrechtlicher Vertrag mit mehr als 50 Mitgliedsstaaten. Er deckt vier Teilbereiche ab: Den Schutz von Auslandsinvestitionen, nicht-diskriminierende marktwirtschaftliche Standards, die Förderung von Energieeffizienz und die Lösung von internationalen Streitfällen vor Schiedsgerichten.
Warum gibt es den Vertrag?
Der ECT wurde nach dem Ende des Kalten Kriegs geschmiedet. Er sollte die Integration der Energie-Sektoren in den ehemaligen Osteuropäischen und post-sowjetischen Staaten in den Markt ermöglichen. Im Kern ging es darum, den (westlichen) Energieunternehmen ein sicheres Geschäftsfeld zu ermöglichen.
Was ist die Kritik daran?
Der Vertrag gibt den Unternehmen Macht. Denn sie können Staaten vor Schiedsgerichte bringen, wenn die Politik Vorgaben macht, die ihre Investitionen gefährden. Das betrifft zum Beispiel strengere Auflagen zum Umweltschutz oder Verbote für bestimmte Technologien. Der ECT schränkt deswegen den Handlungsspielraum der Politik ein, insbesondere bei Themen wie Energiewende, Umwelt- und Klimaschutz. Zwar kann das Schiedsgericht der Politik keine Handlungsanweisungen geben, es kann den Staat aber zu Schadensersatzzahlungen verurteilen.
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Gab es schon solche Verfahren?
Ja, auf der Website des ECT sind 150 Streitfälle aufgelistet, die Inhalte werden zumeist nicht öffentlich. Bekannt wurde aber beispielsweise, dass Vattenfall Deutschland wegen des Atomausstiegs verklagt hat. Deutschland zahlte dem schwedischen Konzern in einem Vergleich schließlich 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz. Die deutschen Konzerne Uniper und RWE wiederum haben die Niederlande wegen des angepeilten Kohle-Ausstiegs geklagt. Italien wurde 2016 zu einer Zahlung von 190 Millionen Euro verurteilt, weil es der britischen Firma Rockhopper die Ölförderung in der Adria untersagt hatte. Zwar wollte das Unternehmen mit 33 Millionen Euro nur einen Bruchteil dieser Summe investieren, kompensiert werden musste aber der durch die Entscheidung unterbundene Profit des Unternehmens.
Sind schon Staaten aus dem ECT ausgestiegen?
Ja, Italien ist 2016 ausgestiegen. Russland hat den Vertrag zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert und die vorläufige Anwendung wieder ausgesetzt. In Europa haben inzwischen Polen, Spanien, die Niederlande, Frankreich, Slowenien, Deutschland und Luxemburg den Ausstieg eingeleitet oder angekündigt.
Wie schnell und einfach geht das?
Staaten können jederzeit austreten, allerdings sind sie damit noch nicht vom Haken. Denn der ECT hat eine "Sunset-Klausel" mit einem Zeitraum von 20 Jahren, in denen noch Ansprüche geltend gemacht werden können. Das erklärt sich daraus, dass Investitionen in Energie-Infrastruktur teuer und dementsprechend langfristig angelegt sind. Ein Investitionsschutzabkommen funktioniert deswegen nur, wenn Staaten die Regeln eben nicht kurzfristig ändern können. Zwar gab es Pläne, die Gültigkeit der Klausel in einer reformierten Version des Vertrags deutlich zu verkürzen, es wurde aber kein Konsens gefunden. Der EU-weit koordinierte Rückzug würde das endgültige Scheitern der Reform bedeuten, eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten gibt es dazu noch nicht.
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Wie ist die österreichische Position?
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) befürwortet den schnellstmöglichen Ausstieg aus dem ECT. Man sei "dazu in engem Austausch" mit dem Wirtschaftsministerium von Martin Kocher (ÖVP) und arbeite an einer gemeinsamen Positionierung, heißt es auf Anfrage des KURIER. Übrigens wurde Österreich, soweit bekannt, noch nie auf Basis des ECT verklagt. Sehr wohl haben aber österreichische Unternehmen gegen Staaten geklagt.
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