Die neue Arbeitsrealität: Wo Homeoffice bleibt
von Anita Kiefer, Anita Staudacher, Johannes Arends, Lorena Danner und Martin Meyrath
Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Daran haben nach den coronabedingten Lockdowns nur noch die wenigsten Experten Zweifel. In welcher Ausprägung das Arbeiten daheim erhalten bleibt, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden, wie ein Rundruf unter allen 20 im österreichischen Börse-Leitindex ATX gelisteten Firmen zeigt.
Vorausgeschickt sei an dieser Stelle: Es geht bei Fragen rund um Homeoffice selbstredend um Bereiche, in denen ein solches überhaupt möglich ist. Zuerst zu den Homeoffice-Fans unter den Unternehmen.
Von allen ATX-Unternehmen ist die Uniqa jenes, das mit dem meisten Homeoffice in der Zukunft plant. Aktuell ist eine maximale Bürobelegung von 25 Prozent plus Rotationsprinzip vorgegeben – der Großteil der Mitarbeiter ist aber nach wie vor im Homeoffice tätig, heißt es von dem Konzern – bis alle die Möglichkeit zur Impfung hatten. Anwesenheit im Büro ist bis dahin freiwillig.
Auch vor der Pandemie war Homeoffice laut eigenen Angaben gelebte Praxis. Genaue Rahmenbedingungen für die Zukunft werden aktuell bei Uniqa erarbeitet, man sieht sie jedenfalls „eindeutig in einem hybriden Arbeitsmodell“.
Auch der Faser-Konzern Lenzing AG will relativ umfangreiches Homeoffice anbieten – nämlich bis zu 50 Prozent, nach individueller Vereinbarung mit den jeweiligen Vorgesetzten, wie es heißt. Die Bawag Group hat bereits 2020 beschlossen, eine „flexible Arbeitsumgebung dauerhaft in unsere Unternehmenskultur zu integrieren“. Heißt konkret: „Jeder Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin in den zentralen Bereichen kann entsprechend der eigenen Bedürfnisse entscheiden, ob er/sie vom Headquarter oder von zu Hause aus arbeitet.“ Empfohlen wird ein Büro-Tag pro Woche, um soziale Kontakte zu pflegen.
Aus reinem Altruismus macht das die Bawag natürlich nicht: Man erhofft sich damit, eine noch breitere Gruppe an motivierten Arbeitskräften anzusprechen, heißt es. Auch der Versicherungskonzern Vienna Insurance Group bietet künftig mobiles Arbeiten bis zu einem Ausmaß von 60 Prozent der Arbeitszeit an. Bei der Raiffeisen Bank International gibt es bereits eine Empfehlung eines flexiblen Homeoffice-Modells für die Zeit nach der Krise. Für Vollzeitbeschäftigte werden drei Präsenztage pro Woche empfohlen, für Teilzeitkräfte zwei.
Ähnlich wird das auch der Kartonhersteller Mayr-Melnhof handhaben. Drei Präsenztage pro Woche sind seit Aufhebung einer Teamteilung und in Zukunft die Vorgabe. Beim Leiterplattenhersteller AT&S war Homeoffice schon vor der Pandemie möglich, aktuell und in Zukunft sind zwei Tage pro Woche erlaubt.
Auch die Erste Group gibt an, dass Homeoffice schon vor Covid möglich war, und sich in Zukunft ausweiten werde. Es handle sich aber um individuelle Vereinbarungen mit der jeweiligen Abteilungsleitung. Eine Konsequenz daraus: Die Erste Group hat die Reduktion von Büroflächen geplant. Auch die Bawag hat auf Desk Sharing umgestellt, AT&S plant dies.
Viele der im ATX gelisteten Unternehmen arbeiten aktuell an Homeofficevereinbarungen und wollen einige Tage Homeoffice beibehalten. Bei Andritz etwa gab es schon vor der Pandemie Homeofficemöglichkeit, aktuell ist die Belegschaft in zwei Teams geteilt. Eine mögliche Ausweitung der vor Covid bestehenden Homeofficeregelung wird geklärt.
EVN, Post, CA Immo und OMV arbeiten aktuell an einer Homeoffice-Regelung für die Zukunft. voestalpine sowie Verbund nutzten bereits vor der Krise Homeoffice. Wie die Zukunft aussieht, ist noch nicht klar, die Unternehmen arbeiten derzeit an neuen Homeoffice-Regelungen.
Skeptische Stimmen
Wenig begeistert scheint Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (SBO) von Heimarbeit zu sein. Seit Juni 2020, also über einem Jahr, herrscht bei SBO wieder normaler Bürobetrieb. Das heißt: Alle Beschäftigten sind zurück im Büro. Eine Homeoffice-Regelung ist nicht geplant. Damit ist SBO das einzige ATX-Unternehmen, das Homeoffice nicht in den Arbeitsalltag integrieren wird.
Einen „klaren Schwerpunkt der Tätigkeiten auch weiterhin im Büro“ sieht auch Immofinanz für die Zukunft. Man habe bereits jetzt wieder Normalbetrieb im Büro, heißt es von dem Unternehmen, das als Büroimmobilienanbieter auch für die Mieter spricht. Man arbeite jedoch an einem Post Covid-Homeoffice-Angebot. Auch S Immo hat die Mitarbeiter bereits komplett aus dem mobilen Arbeiten zurückgeholt. Es gebe aber eine Regelung, die „einzelne Homeoffice Tage weiterhin möglich“ mache. Nur tageweise wird Homeoffice auch bei Do&Co möglich sein.
Von allen 20 ATX-Unternehmen wollte sich einzig Wienerberger zu der Homeoffice-Thematik nicht fristgerecht äußern. Mit dem Hinweis, dass sich die zuständigen Human Resources-Verantwortlichen aktuell nicht im Haus befinden.
Im April haben sich die Sozialpartner auf neue Rahmenbedingungen für das Arbeiten von zu Hause aus geeinigt. Die zehn wichtigsten Fragen und Antworten.
Kann ich auf Homeoffice bestehen?
Nein, es gibt kein Recht auf Homeoffice in Österreich. Arbeit im Homeoffice muss immer schriftlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden.
Kann mich der Chef zum Homeoffice zwingen?
Nein, Arbeit im Homeoffice darf nicht einseitig angeordnet werden, sondern ist immer Vereinbarungssache. Die Sozialpartner haben dafür eine eigene Mustervorlage erstellt. In Betrieben mit Betriebsrat kann eine Betriebsvereinbarung allgemeingültige Regeln vereinbaren. Zwingend ist diese nicht.
Muss ich im Homeoffice zu Hause sein?
Beim Homeoffice handelt es sich um eine regelmäßige Arbeitsleistung in der Wohnung, es darf also kein beliebiger Ort gewählt werden. Ob es ein Haupt- oder Zweitwohnsitz ist, ist irrelevant. Als Homeoffice-Tag gilt ein ganzer Arbeitstag zu Hause.
Kann Homeoffice zeitlich befristet werden?
Ja, die Homeoffice-Vereinbarung kann auch befristet geschlossen werden.
Darf mich der Chef jederzeit ins Büro ordern?
Grundsätzlich ja, etwa zu wichtigen Besprechungen. Auch Dienstreisen können angeordnet werden. Allerdings darf er nicht an jedem vereinbarten Homeoffice-Tag ins Büro bitten.
Wer bezahlt die benötigten Arbeitsmittel?
Der Arbeitgeber muss die nötige digitale Ausstattung (Laptop, Tastatur, Maus, Monitor) zur Verfügung stellen. Nutzt der Arbeitnehmer eigenes Equipment, muss der Arbeitgeber dafür eine angemessene Homeoffice-Pauschale bezahlen. Das inkludiert etwa Internet-Kosten, aber keine Stromkosten.
Muss ich im Homeoffice ständig erreichbar sein?
Nein. Im Homeoffice gelten die gleichen arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen wie bei Arbeiten im Betrieb, inklusive Pausen. Es müssen auch Arbeitszeitaufzeichnungen geführt werden. Wird die Tätigkeit überwiegend in der Wohnung ausgeübt, können auch Aufzeichnungen nur über die Dauer der Tagesarbeitszeit (Tagessaldo) geführt werden, sofern dies vereinbart wurde.
Darf der Arbeitsinspektor im Homeoffice kontrollieren?
Nein, das Arbeitsinspektorat hat kein Betretungsrecht für private Wohnungen.
Wer haftet bei Unfällen im Homeoffice?
Unfälle im Homeoffice im Zusammenhang mit der Beschäftigung gelten als Arbeitsunfälle und sind somit unfallversichert. Die Versicherung greift auch dann, wenn Kinder vom Homeoffice in die Schule bzw. den Kindergarten gebracht werden. Für Schäden, die durch Haushaltsangehörige oder Haustiere verursacht werden, muss der Arbeitnehmer aufkommen.
Was ist bei der Steuererklärung zu beachten?
Sollte der Arbeitgeber die Mehrkosten im Homeoffice, etwa für ergonomisches Mobiliar, nicht ersetzen, können diese im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung bis zu 300 Euro pro Jahr als Werbungskosten geltend gemacht werden.
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