KURIER:Sie haben im Zuge der Corona-Krise auf Homeoffice umgestellt. Wie waren Ihre Erfahrungen?
David Wippel: Wir hatten davor schon immer wieder Homeoffice Tätigkeiten bei den meisten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, daher war der Umstieg relativ problemlos.
Sie haben beschlossen, nicht auf fixe Arbeitszeiten und die Erbringung der vollen Stundenverpflichtung zu bestehen – warum?
Wir wollten den mentalen Druck, der in der Situation auf dem Team lastet, nicht dadurch erhöhen, dass sie 38,5 Stunden abliefern müssen. Viele haben Familien und Betreuungspflichten. Diesen Stressfaktor wollten wir nicht.
Ist dadurch die Produktivität zurückgegangen?
Eigentlich gar nicht. Die, die konnten, haben teilweise mehr gearbeitet, um das für die auszugleichen, die weniger machen konnten. Man hat sich im Team gegenseitig gestützt.
Hat sich dadurch die Arbeitslast nicht ungleich verteilt?
Ja, das ist so gewesen.
...und das hat nicht zu Unmut geführt?
Im Gegenteil! Das hat das Team-Gefühl und das Miteinander deutlich gestärkt.
Tritt die Zielerreichung gegenüber den Arbeitsstunden in den Vordergrund?
Als Firma müssen wir natürlich für unsere Kunden Ziele erreichen und Gehälter bezahlen. Aber in der Phase war wichtiger, dass wir an unseren Zielen arbeiten, als dass wir jede einzelne Stunde rausquetschen.
Steigt bei entgrenzter Arbeitszeit die Gefahr von Burn-out?
Wir haben nicht die Arbeitszeit aufgehoben, sondern nur die Minus-Stunden abgeschafft, weil uns wichtiger war, dass unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mental gesund durch die Krise kommen. Überstunden wurden weiter angerechnet, wir machen nur keine. Die verrechenbaren Stunden sind am Anfang gestiegen, weil die Leute statt der Anfahrtszeit schon gearbeitet haben. Die Teammitglieder in Single-Haushalten haben teilweise übermäßig lang und fokussiert gearbeitet, da mussten die Führungskräfte in Einzelgesprächen darauf hinweisen, dass das nicht notwendig ist.
Gab es einen Einbruch bei der Auftragslage?
Wir haben viele Aufträge aus dem öffentlichen und semi-öffentlichen Bereich, deswegen haben wir bis auf ein paar Schulungen nichts gemerkt.
Haben Sie Kurzarbeit, gesicherte Kredite oder andere Staatshilfen in Anspruch genommen?
Nein, wir kommen auf eigenen Beinen durch die Krise.
Kommt bei der Koordination via Internet nicht die soziale Komponente im Team zu kurz?
Wir haben dieses Problem recht rasch identifiziert und deswegen eine tägliche halbe Stunde für den sozialen Austausch eingeführt. Wir haben auch einen fixen virtuellen Raum erstellt, wo man sich bei Bedarf an sozialer Interaktion austauschen kann, um den Flurfunk ein bisschen zu ersetzen. Das hat erstaunlich gut funktioniert.
Kann das langfristig gut gehen oder nur zum Übertauchen?
Ich bin persönlich davon überzeugt, dass das das Arbeitsmodell der Zukunft ist. Jedes Unternehmen, das sich in den nächsten Jahren nicht in diese Richtung bewegt, wird ein massives Recruiting-Problem kriegen. Im IT-Sektor gibt es keine faktischen Gründe gegen das Homeoffice und man läuft als Arbeitgeber dem Talent hinterher. Die Talentierten werden sich das Arbeitsumfeld aussuchen. Die IT-Branche ist da sicher vorreitend. Wir wollen das Modell also nicht nur aufrechterhalten, sondern weiter ausbauen.
Sollte es ein Recht auf Homeoffice geben?
Die Firma existiert nicht mehr im Büro, das Büro ist nur eine Möglichkeit, teilzunehmen. Es gibt weder Recht noch Pflicht auf Homeoffice, jede und jeder sollten selbst entscheiden dürfen, ob sie Lust haben, im Büro oder zu Hause zu arbeiten.
Brauchen IT-Unternehmen künftig weniger Bürofläche?
Aus meiner Sicht ja. Wir werden unsere Bürofläche auch in absehbarer Zeit verkleinern. Unser Team ist durch diese Entwicklung freier in der Wahl des Wohnorts, wenn sie nicht jeden Tag pendeln müssen.
Sind für Sie Mietzuschüsse denkbar, wenn Mitarbeiter ihr eigenes Büro stellen?
Das möchten wir machen! Ich bin gerade dabei, mit unserer Steuerberaterin herauszufinden, welche Modelle es dafür gibt, ohne, dass die Angestellten das versteuern müssen und dadurch im Endeffekt vielleicht sogar weniger Gehalt haben. Wir haben bislang einzelne Posten bezahlt, sobald das geklärt ist, wird es Ausgleichszahlungen für jeden geben. Ich möchte für eine vernünftige Internetleitung, Büroeinrichtung und so weiter etwas dazu bezahlen.
Könnte man dann nicht mit globalen Freelancern arbeiten, statt in Österreich Anstellungen mit Lohnnebenkosten zu bezahlen?
Ich bin ein großer Freund von regionaler nachhaltiger Wertschöpfung und möchte in Österreich produzieren. Aber der primäre Faktor ist die Kommunikation. Ich habe in der Vergangenheit schon oft erlebt, was für Probleme entstehen, wenn man in Projekten mit Menschen in unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenarbeitet. Und der Aufwand, das zu betreiben, kann sich bei größeren Projekten rechnen, wenn man jemanden hat, der diesen Kommunikations-Gap auflöst. Wir arbeiten sehr eng mit unseren Kunden, dabei ist es oft ein Asset, dass wir in Österreich produzieren.
Was wäre aus Ihrer Perspektive jetzt wirtschaftspolitisch wichtig bzw. was würden Sie sich vom Staat wünschen?
Entbürokratisierung. Zuerst helfen, dann nachrechnen. Wir in unserer Branche sind allgemein nicht sehr stark von dieser Krise betroffen, aber viele KMUs und EPUs schon. Es wurde medial kommuniziert, dass allen geholfen wird, aber was dann passiert ist, war typisch österreichisch: Massive Bürokratie, minimal Kohle raus, anstatt dass man zuerst hilft und nachher überprüft. Ich bin froh, dass ich nichts davon gebraucht habe.
Was würden Sie anderen Unternehmen empfehlen?
Wenn ich von Unternehmen höre, die Kontrollsoftware installieren oder Menschen mit Webcams überwachen, bekomme ich die Krise. Vielleicht kann unsere Geschichte andere inspirieren, nicht auf Kontrolle zu setzen. Wir haben nicht gewusst, ob das funktioniert. Die Krise hat uns einen Schubs gegeben und es ist wunderbar aufgegangen.
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