Seit 2019 kaufte Gupta mehrere Stahlwerke in Osteuropa zusammen, etwa in Rumänien, Tschechien, Polen und Ungarn. Wien biete sich wegen der relativen Nähe zu den Werken und der guten Infrastruktur als Standort an, sagte Gangl. In Europa erwirtschafte der Konzern mit 17.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen Umsatz von drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr, weltweit soll es "ein zweistelliger Milliardenbetrag" sein. Der Konzernsitz von Liberty bleibt in Dubai.
Genaue Geschäftszahlen gibt es nicht, weil Liberty nicht börsennotiert ist und deswegen keine konsolidierten Bilanzen legt. Gangl, der seit 1998 bei der OMV war, verspricht sich von der Unternehmensstruktur, dass Entscheidungen "viel unmittelbarer und schneller" getroffen werden können, als bei börsennotierten Konzernen mit unterschiedlichen Eigentümerinteressen.
Die Ziele, die sich das Unternehmen gesetzt hat, dürften jedenfalls nach schnellen Entscheidungen verlangen. In den europäischen Stahlwerken sollen Lichtbogenöfen gebaut werden, um "grünen Stahl" für den europäischen Markt zu produzieren. Auch die Voest will ab 2027 Lichtbogenöfen in Betrieb nehmen - bis zur Klimaneutralität gibt sich das Unternehmen aber Zeit bis 2050.
"Der Schritt Richtung Grünstahl ist eine enorme Herausforderung, aber machbar", gab sich Gangl zuversichtlich. Für das Ziel der Klimaneutralität könnten auch CO2-Kompensationen nötig sein, räumte er ein. Diese sollen aber möglichst gering ausfallen, der Großteil über CO2-Reduktionen erreicht werden. Als Energieträger soll dabei auch Wasserstoff zum Einsatz kommen, wann das effektiv möglich ist, ist aber noch unklar.
Zwist um angepeilte Fusion
Bis Ende Juni steht Gangl aber noch der Borealis vor. Dass er die Kunststofftochter der OMV verlässt, wurde Mitte März bekannt. Zu den Gründen äußerten sich weder die OMV noch Gangl öffentlich, der Haussegen soll aber spätestens schief gehangen haben, seitdem Gangl im März 2023 zunächst die Entlastung verweigert wurde. Dem Vernehmen nach war auch das Verhältnis zu OMV-Chef Alfred Stern nicht das beste. Stern war vor Gangl Borealis-Chef, 2021 sollen sich beiden Hoffnungen auf den OMV-Chefposten gemacht haben. Noch unter Rainer Seele soll Gangl als OMV-Vorstandsmitglied einer der Treiber hinter der mehrheitlichen Übernahme der Borealis gewesen sein.
In seine Zeit als Borealis-Chef fällt unter anderem die Verlängerung der Joint-Venture-Vereinbarungen von Borealis mit Borouge, der Kunststofftochter der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Just in diesem Punkt verlässt Gangl das Unternehmen zu einer heiklen Zeit. Denn OMV Adnoc verhandeln seit geraumer Zeit über eine Fusion ihrer der beiden Petrochemietöchter (siehe Grafik).
Die OMV betont immer wieder, eine Lösung "auf Augenhöhe" anzustreben und besteht dem Vernehmen nach darauf, das Hauptquartier des Konzerns in Wien zu halten. Das ist schwierig, nicht nur weil Borouge größer ist als Borealis, sondern auch weil Adnoc als zweitgrößter Anteilseigner der OMV auch im OMV-Vorstand sitzt.
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