Bei Kurzarbeits-Kontrollen entdeckt: "Jeder Zehnte ein Schwarzarbeiter"
Neben der Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings muss die Finanzpolizei in Zeiten der Corona-Krise auch dem Missbrauch bei der Kurzarbeit auf den Grund gehen. „Wir haben bei allen Hilfsprogrammen gesagt, die wir aufgesetzt haben, wir wollen so kulant wie möglich sein, aber es braucht so viel Kontrollen wie notwendig, um die Möglichkeit von strukturellen Missbrauch zu vermeiden“, sagt Finanzminister Gernot Blümel. „Der allergrößte Teil der Unternehmer ist vorbildlich, aber es gibt einige schwarze Schafe.“
Rund 350 Finanzpolizisten haben seit Mitte April in Sachen Kurzarbeit 2.666 Betriebe und 11.664 Personen, darunter 3.212 Ausländer, kontrolliert. Am Ende kam es (Stand: vergangener Freitag) zu 148 Anzeigen wegen Missbrauchs der Kurzarbeitsregelung und zu 50 Anzeigen nach dem Finanzstrafgesetz. In letzteren Fällen handelt es sich um Steuervergehen.
„Durch die mediale Berichterstattung, dass es spezielle Kontrollen der Finanzpolizei geben wird, haben wir sehr viele Anzeigen und Hinweise auf Fördermissbrauch bekommen“, sagt Johannes Pasquali, Sprecher des Finanzministeriums, zum KURIER. Die Kontrollen brachten zum Teil kuriose Fälle ans Tageslicht.
„Es gibt Unternehmer, die alle ihre Mitarbeiter freigesetzt haben und zugleich mit Schwarzarbeitern eins zu eins weitergearbeitet haben, teilweise mit den identen Personen“, sagt Wilfried Lehner, Chef der Finanzpolizei. „Es gibt aber auch Unternehmer, die ihre Mitarbeiter auf 90 Prozent Kurzarbeit gesetzt haben und die aber normal weitergearbeitet haben, zum Teil sogar mit mehr Stunden.“
Förderbetrug
Diese Problemfälle reicht die Finanzpolizei an das Arbeitsmarktservice (AMS) weiter, das die Kurzarbeit abrechnet. „Dort, wo es ganz konkrete Verdachtsfälle auf Förderbetrug gibt, leiten wir diese an das Innenministerium weiter“, sagt Lehner. Genauer gesagt an die dort angesiedelte „Task Force Sozialleistungsbetrug (Solbe)“. Der Lockdown und die damit verbundenen Grenzschließungen führten dazu, dass keine Billigarbeitskräfte aus dem Ausland nach Österreich kommen konnten.
Doch viele Unternehmer wussten sich zu helfen und setzten auf Schwarzarbeiter. „Zu Beginn des Lockdowns war ein überproportionaler Anstieg der Schwarzarbeit feststellbar. Jeder zehnte Mitarbeiter, der kontrolliert wurde, arbeitete schwarz“, sagt BMF-Sprecher Pasquali. „Es betraf vor allem die Risikobranchen Bau und Baunebengewerbe, Transport und Zulieferbetriebe.“ Es wurden aber auch Unternehmen kontrolliert, deren Mitarbeiter gar nicht wussten, dass sie in Kurzarbeit sind. Auf einer Baustelle wurde von der Finanzpolizei ein Arbeiter entdeckt, der meinte, er sei nur „ehrenamtlich“ auf der Baustelle tätig.
Problem Entsendungen
In den vergangenen zwei Monaten hat die Finanzpolizei aber auch 1.243 Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumpinggesetz festgestellt. Das Strafvolumen beträgt rund 3,5 Millionen Euro.
Ein großes Problem stellen mittlerweile die Entsendungen ausländischer Arbeitskräfte zur Arbeit nach Österreich dar. Waren es 2009 nur 9.100 Personen, die beruflich nach Österreich geschickt wurden, so waren es im Vorjahr bereits 239.000 Personen.
Im vergangenen Jahr hat die Finanzpolizei daher 1.889 Betriebe überprüft, bei denen entsendete ausländische Arbeitskräfte werkten. Die Kontrollen führten wegen fehlender Lohn- und Meldeunterlagen zu 2.099 Strafanträgen mit Strafen in Höhe von insgesamt 8,43 Mio. Euro. „Es gibt eine erschreckend hohe Zahl an Fällen von Unterentlohnung“, sagt Lehner. Jeder zehnte kontrollierte Arbeitnehmer war davon betroffen.
Die Kurzarbeit
Erstmals seit dem Höhepunkt der Corona-Krise fiel die Zahl der Kurzarbeiter in Österreich in der Vorwoche wieder unter eine Million. Vergangenen Dienstag befanden sich noch 812.745 Menschen in 58.500 Firmen in Kurzarbeit. Im Mai waren es noch rund 1,3 Millionen. Prinzipiell ist die Kurzarbeit auf drei Monate ausgelegt, sie kann um drei weitere verlängert werden. Mitte Juni ist (nach Beginn des Lockdowns Mitte März) in vielen Betrieben die Kurzarbeit ausgelaufen. In diesen kann sie bis Mitte Juli nachträglich verlängert werden.
Schon jetzt aber laufen Gespräche in der Regierung und mit den Sozialpartnern über eine deutliche Erstreckung über den Sommer hinaus. Denn in vielen Bereichen werden die Corona-Auswirkungen noch Monate spürbar sein. Etwa im Tourismus, wo sich nach Ende der Sommersaison wieder ein großes Loch bei den Buchungen auftun wird. Oder in der Industrie, die die rückläufige Auftragslage erst mit Verzug zu spüren bekommt.
Bis jetzt uneins sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Ausgestaltung der verlängerten Kurzarbeit. Die Gewerkschaft fordert ein dauerhaftes Modell mit 80 Prozent Arbeitszeit bei 90 Prozent Entlohnung. Die Wirtschaftskammer lehnt dies ab.
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