Was ein Ausstieg aus russischem Gas für die Konsumenten bedeuten würde
Zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs ist Österreich noch immer von russischen Gaslieferungen abhängig. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) will die Gasversorger mit Quoten zwingen, diesen Anteil schrittweise zu senken. Die Folge wäre laut Experten ein Preisanstieg.
Aber warum eigentlich? Die Großhandelspreise an der Börse sind in Deutschland derzeit etwas niedriger als in Österreich, sagt Leo Lehr von der Abteilung Volkswirtschaft bei der Regulierungsbehörde E-Control zum KURIER. Und auch die Haushalte zahlen laut dem Household Energy Price Index (HEPI) durchschnittlich weniger pro Kilowattstunde Gas (exkl. Steuern und Abgaben) als die österreichischen. Dabei könnten auch die Größe des Marktes und mehr Wettbewerb Faktoren sein.
Deutschland, das seit der Zerstörung der Ostseepipeline Nord Stream russisches Gas vor allem durch Importe von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG) ersetzt hat, steigt derzeit also besser aus als Österreich mit dem vermeintlich "billigen Russen-Gas".
Dass die Preise in Österreich bei einem Verzicht auf russisches Gas trotzdem steigen würden, erklärt sich aus den zusätzlichen Transportkosten und der deutschen "Gasspeicherumlage". Diese ist effektiv eine Exportabgabe von zwei Euro je Megawattstunde, auch Italien – das andere Land, aus dem Österreich Erdgas in relevanten Mengen importieren könnte – will eine solche einführen. "Das bedeutet, man kann kein Geld damit verdienen, Gas aus Deutschland zu importieren", sagt Lehr, denn die Preisunterschiede an den Energiebörsen seien gering.
Für die OMV ist es deswegen wirtschaftlich sinnlos, Gas aus ihrer Produktion in Norwegen oder dem LNG-Terminal Rotterdam nach Österreich zu bringen, solange die russischen Lieferungen am Knotenpunkt Baumgarten ankommen. Für die Abnehmer ist russisches Pipelinegas also per se nicht billiger als etwa LNG aus den USA. Zwar sind die Gestehungskosten bei LNG höher, am Markt ist Gas aber gleich Gas. Wie viel die OMV für das russische Erdgas bezahlt, ist wie bei anderen bilateralen Verträgen nicht öffentlich einsichtig.
Vertragsausstieg
Leonore Gewessler hat angekündigt, dass geprüft werden soll, ob ein Ausstieg aus den Verträgen, die noch bis 2040 laufen, möglich und sinnvoll ist. Die Auflösung müsste vor einem internationalen Schiedsgericht verhandelt werden. Nach Einschätzung von Florian Stangl, Experte für Energierecht, verschlechtern sich die Chancen dafür aber, je länger man wartet. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn wäre die Argumentation, dass das Vertrauensverhältnis zerstört ist, schwierig, zumal Gazprom inzwischen auch wieder regelmäßig liefert.
"Ein Ausstieg kostet mit Sicherheit Geld", sagte Franz Angerer von der Österreichischen Energieagentur (EAA) im Ö1-Interview. Dafür erhalte man aber Versorgungssicherheit und einen gewissen Schutz vor Marktverwerfungen. So haben die Lieferverknappungen durch Gazprom im Jahr 2022 zu Gaspreisen geführt, die zehn Mal so hoch waren, wie sie aktuell sind.
Im Falle eines plötzlichen russischen Lieferstopps wäre jedenfalls mit stark steigenden Preisen zu rechnen. Betroffen wären davon neben Österreich vor allem Ungarn, Slowenien und die Slowakei.
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