„Wir sehen aktuell ein klares Marktversagen. Es gibt genug nicht-russisches Erdgas – aber die Energieunternehmen kaufen dieses nicht“, begann die Ministerin am Montag einen Rundumschlag gegen die heimische Gaswirtschaft. „Wenn der Markt versagt, muss der Staat eingreifen. Ich bin der Überzeugung: Die Zeit für eine gesetzliche Diversifizierungspflicht ist gekommen.“
Gewessler präsentierte einen 3-Stufen-Plan:
- Andere Quellen Energieunternehmen, die österreichische Kunden mit Erdgas versorgen, sollen durch ein reformiertes Gaswirtschaftsgesetz verpflichtet werden, den Ausfall der größten einzelnen Bezugsquelle durch andere Bezugsquellen zu ersetzen. Demnach soll ein Ausfall des größten Lieferanten jederzeit durch andere Lieferverträge kompensiert werden können. Des Weiteren, so der Plan der Grünen, müssen die Gasversorger einen schrittweise ansteigenden Anteil an nicht-russischem Erdgas nachweisen.
- OMV-Verträge 2018 wurde bekanntlich zwischen OMV und Russland ein Gasliefervertrag bis 2040 unterschrieben. Der Vertrag ist geheim, auch für Gewessler, öffentlich kann niemand sagen, welche Mengen zu welchen Preisen vereinbart wurden. Gewessler sieht diesen als „Knebelvertrag“, der „möglichst rasch im Sinne der Versorgungssicherheit“ und weil „ökonomisch vernünftig“ beendet werden soll. Dazu soll das WIFO eine Analyse der wirtschaftlichen Gefahren einer längeren Abhängigkeit sowie der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Vertragskündigung ausarbeiten.
- Sicherheitsstrategie Weil Russland seine Energieexporte „als Waffe“ einsetzte, will Gewessler eine neue Sicherheitsstrategie, in der eine „unabhängige Energieversorgung“ berücksichtigt wird. Das betreffe die vollständige Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen genauso wie die Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten von anderen Ländern.
Auf Nachfrage bei der OMV bestätigt diese, dass das Unternehmen „im Bedarfsfall seine Kunden in Österreich zu 100 Prozent mit nicht-russischem Gas beliefern“ könne. Russisches Erdgas unterliege in Europa keinen Sanktionen und werde von mehreren Ländern importiert – über Pipelines oder LNG-Terminals. „Sofern der Gesetzgeber einen Ausstieg aus russischem Gas vornehmen möchte, müssen zuerst die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden“, erklärte die OMV zum KURIER.
Die Gaslieferverträge würden allerdings „der Vertraulichkeit beider Vertragsparteien“ unterliegen.
Verfassungsgesetz
Gewessler appellierte zudem an alle Parlamentsparteien – denn für ein Gesetz, nicht-russisches Gas einkaufen zu müssen, ist eine Verfassungsmehrheit im Parlament notwendig: „Ich appelliere auch an alle Verantwortlichen im Parlament – setzen wir nun den nächsten Schritt.“
Die ÖVP will erst einen konkreten Vorschlag prüfen, dürfte aber, wie auch die FPÖ, so einem Gesetz nicht zustimmen, da für heimische Betriebe ein Wettbewerbsnachteil drohe. Und die SPÖ? „ÖVP und Grüne sollen sich einmal auf einen Vorschlag einigen, erst dann kann man seriös darüber reden. Alles andere sind Wünsche an den Osterhasen“, kritisierte SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll das Vorgehen der Energieministerin.
Wie der KURIER bereits vor drei Wochen berichtete, bietet derzeit kein Landesenergieversorger explizit Erdgas an, das nicht aus Russland kommt. Gas werde zum Großteil an der Börse gekauft, dort gehe es durch mehrere Hände, somit könne man den Ursprung des Energieträgers nicht nachvollziehen.
Wäre Gas aus nicht-russischen Quellen teurer – schließlich war der Preis für europäisches Erdgas am Montag auf den tiefsten Stand (25,82 Euro /MWh) seit über einem halben Jahr gefallen? Kurzfristig wäre das offensichtlich der Fall, sonst würden es die Firmen bereits einkaufen.
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