99,9 Prozent „unbekannt“
Das bestätigt auch die staatliche Regulierungsbehörde E-Control. Alfons Haber, Vorstand der E-Control, sagte im Gespräch mit dem KURIER, dass seine Behörde im Vorjahr erstmals gemäß der Gaskennzeichnungsverordnung für das Jahr 2022 zu erheben versuchte, woher das Gas stammt.
Ergebnis: „Wir konnten erheben, dass 0,1 Prozent des Gases heimisches Biomethan ist, der Rest, also 99,9 Prozent waren unbekannter Herkunft.“ Das darf zurecht verwundern, denn anders als beim Strom, landen beim Gas ja echte Moleküle aus fossilen Gaslagerstätten in den Brennkammern der Gasthermen. Österreichs Gasnetz hat nur wenige grenzüberschreitende Pipelines, an diesen Knotenpunkten wird sehr wohl gemessen, wie viel Erdgas hinein- und hinaus fließt.
Auf der Webseite energie.gv.at, dem Infoportal des Klimaministeriums zur Energiesituation, werden die Gasimporte Österreichs transparent. Etwa, dass im vergangenen Oktober 90 Prozent der Gasimporte aus Russland stammten, im November 76 Prozent. Rechnet man alles zusammen, hat die Gesamtmenge der Gasimporte aus Russland von Oktober 2022 bis September 2023 einen Anteil von 55,9 Prozent. Daten für das ganze Jahr 2023 sind noch nicht veröffentlicht, aber da die russischen Importe zum Jahresende noch einmal gestiegen sind, muss mit einem russischen Anteil von mehr als 60 Prozent gerechnet werden. Immerhin, denn als der Krieg im Februar 2022 begann, lag der Anteil russischer Gasimporte noch bei 79 Prozent. Dennoch bleibt Österreich neben Ungarn der treueste Abnehmer von russischem Gas.
Das freut Russland und die Kriegskasse von Wladimir Putin. Lukas Sustala von den Neos hat auf Basis der Außenhandelsstatistik berechnet, dass aktuell etwa 200 bis 250 Millionen Euro pro Monat an Moskau überwiesen werden. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine haben die Österreicher eine zweistellige Milliardensumme nach Moskau überwiesen. „Blutgeld“ nannte das der EU-Botschafter in Österreich, Martin Selmayr.
Aber besteht für Gaskunden in Österreich die Möglichkeit sicherzustellen, dass kein russisches Erdgas verwendet und bezahlt wird? Theoretisch ja, heißt es dazu aus dem Energieministerium von Leonore Gewessler. „Richtig ist, dass es für Erdgas aktuell noch keine geregelten Herkunftsnachweise gibt. Selbstverständlich kann aber schon heute jeder Energieversorger Gas mittels bilateraler Verträge (OTC) kaufen und einen Nachweis verlangen, dass das Gas aus nicht-russischen Quellen stammt. Damit wäre auch der Verkauf von Erdgas, das aus nicht-russischen Quellen bezogen wird, an Endkund:innen möglich.“
Alfons Haber von der E-Control konkretisiert das Vorhaben: „Wir haben in diesem Jahr eine neue Datenerhebung gestartet, damit die Lieferanten nun monatlich bekannt geben müssen, aus welchen Herkunftsländern Gas bezogen wird.“ Haber bezieht sich auf die Energielenkungsdaten-Verordnung, wo das in §5a klar geregelt ist. Allerdings rechnet Haber, dass diese Daten erst im Herbst 2024 (für 2023) vorliegen werden.
Der Importanteil nicht-russischer Quellen setzt sich zu einem großen Teil aus norwegischem Gas und Flüssiggas und zu einem kleinen Teil aus Gas aus Nordafrika und Zentralasien zusammen. Die Importe aus anderen Quellen erfolgen über Routen durch Deutschland und Italien.
Biogas aus Österreich
Neben der Inlandsproduktion von Erdgas sollte eigentlich längst auch mehr in Österreich produziertes, klimaneutrales Biogas ins Gasnetz einfließen. Doch die Verhandlungen zum EGG – Erneuerbaren Gase-Gesetz – stocken, weniger zwischen ÖVP und Grünen, sondern ÖVP-intern, zwischen Wirtschaftskammer und Bauernbund. Der EEG-Entwurf sieht vor, dass ab 2024 ein steigender Biogas-Anteil (0,7 Prozent heuer bis 7,7 Prozent oder 7,5 TWh im Jahr 2030) von den Gasfirmen zugekauft werden muss. Wer das nicht tut, muss Strafe zahlen. Zu erfahren war, dass einerseits die Höhe der Strafen (18 Cent pro Kilowattstunde, bei einem aktuellen Einkaufspreis von 4 bis 5 Cent für fossiles Gas) als auch das Handelsmodell für Biogas wild umstritten sind.
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