Warum (Flüssig-)Gas so klimaschädlich ist

Eine Gasfackel
Erdgas verbrennt sauberer als Öl und Kohle, bei Förderung und Transport entstehen aber erhebliche Umweltschäden. Europa kauft vermehrt Fracking-Gas aus den USA.

Europa setzt seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vermehrt auf Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG). Dieses steht aber zunehmend in der Kritik. Denn schlimmer als verbranntes Erdgas ist für das Klima: unverbranntes Erdgas (siehe Infobox). Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) gehen etwa 30 Prozent der globalen Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter darauf zurück.

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Laut manchen Statistiken hat Methan wegen unbeabsichtigter Verluste (Methanschlupf) sogar eine schlechtere Klimabilanz als Kohle. Daniel Münter vom Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) in Heidelberg hält diese Zahlen für überzogen. Auch sei es „völlig unsinnig, Gas und Kohle zu vergleichen“, schon alleine, weil niemand ernsthaft erwägen würde, Raumwärme und Industrie in Europa auf Kohle umzustellen. Das ändere aber nichts daran, dass „die Methanemissionen aus der Gas- und Ölförderung ein Problem sind und abgestellt gehören“.

Laut der IEA könnte hier viel gewonnen werden, denn etwa drei Viertel der Methanemissionen aus der Energiewirtschaft seien mit verfügbaren Technologien relativ billig vermeidbar. Das betrifft etwa die Praxis des „Abfackelns“: In der Förderung wird immer wieder überschüssiges Gas verbrannt, etwa zehn Prozent des Methans entgehen den Flammen aber. Würde dieses Gas aufgefangen, könnte es zudem genutzt werden.

Die EU sagt dem Methanschlupf jetzt den Kampf an. Sie will die Infrastrukturbetreiber zwingen, ihre Anlagen besser zu überwachen und schneller zu reparieren. Allerdings liegen die problematischsten Abschnitte oft nicht in Europa und die Überprüfung ist schwierig. Inzwischen werden Methanaustritte auch mit Satelliten gemessen.

Marode Infrastruktur

Wie gut oder schlecht die Klimabilanz von LNG bzw. Erdgas im Allgemeinen ist, unterscheidet sich stark davon, wo es herkommt. Nicht nur wegen des Methanschlupfs, sondern auch, aufgrund des Energieaufwands etwa bei Kühlung und Verschiffung. Sind viele Anlagen in schlechtem Zustand, wie etwa in Algerien oder Turkmenistan, ist die Belastung hoch. Die beste Klimabilanz unter den EU-Importquellen hat laut einer IFEU-Studie Pipelinegas aus Norwegen.

FILE PHOTO: Gas bubbles from the Nord Stream 2 leak reaching surface of the Baltic sea in the area shows disturbance of well over one kilometre  diameter near Bornholm

Die Zerstörung der Ostseepipeline Nord Stream führte zu der wahrscheinlich massivsten Methan-Freisetzung der Geschichte

Etwa die Hälfte der europäischen LNG-Importe kommt aus den USA, wo Erdgas großteils unter Einsatz der umstrittenen Fracking-Technologie gewonnen wird.

In den USA gebe es eine „Riesendiskrepanz“ zwischen den Ergebnissen unabhängigen Messungen und gemeldeten Emissionen, sagt Münter zum KURIER. Das liege daran, dass es „Hunderttausende Bohrlöcher“ gibt, die nicht ausreichend kontrolliert und dokumentiert würden. Insbesondere an den sogenannten verwaisten Bohrlöchern zeige sich „die unrühmliche Seite des Kapitalismus“. Diese seien oft von großen Entwicklern an kleine Firmen weiterverkauft worden. Als diese zusperrten, blieben oft unsachgemäß verschlossene Bohrlöcher zurück. 

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LNG wird weltweit verschifft. Beim Entladen wird das flüssige Gas wieder gasförmig.

Die Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund hat in den USA 120.000 solcher verwaister und nicht verschlossener Öl- und Bohrlöcher dokumentiert. Sie schädigen nicht nur das Klima, sondern auch Grundwasser, Boden und Luftqualität.

Russisches Pipelinegas

Während Europa sich stark Richtung LNG entwickelt hat, ist für Österreich unverändert Russland der wichtigste Lieferant. Wie hoch Methanaustritte und Umweltbelastung bei Pipelinegas aus Russland sind, ist umstritten. Laut der schweizerischen Ökobilanz-Datenbank Ecoinvent sind die Emissionen sogar in der gleichen Größenordnung wie bei Flüssiggas.

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Die OMV, die die Importverträge für russisches Gas, aber auch Geschäftsanteile in Norwegen hält und mit LNG handelt, wollte sich auf Anfrage des KURIER nicht zu dem Thema äußern.

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