Schuldenberg wächst weiter
Fast 500 Pleiten erschütterten heuer bereits die Baubranche, die Mega-Pleite des Baukonzerns Alpine (4900 Mitarbeiter) sprengt dabei alle Rekorde. Laut Hans-Georg Kantner vom Gläubigerschutzverband KSV1870 wird der Schuldenstand der Alpine Bau von derzeit 2,56 Milliarden Euro noch auf bis zu drei Milliarden klettern. Denn: Es dürften mehr Haftungen und Gewährleistungsansprüche aus Bau-Aufträgen schlagend werden, als im Insolvenzantrag berücksichtigt wurden.
50 bis 70 Folgepleiten
„Es wird zweifellos auch Folgeinsolvenzen geben, es werden 50 bis 70 Unternehmen betroffen sein“, sagt Kantner. „Ich erwarte aber, dass schnell geklärt wird, welche Generalunternehmer welche Baustellen fortführen werden. Damit steigen die Chancen, dass die Subunternehmen, die dort schon gearbeitet haben, wieder eingesetzt werden.“
Am Dienstagnachmittag tagte der Alpine-Gläubigerausschuss. Dem Vernehmen nach sollen Insolvenzverwalter Stephan Riel und sein Team bereits erste Übernahmemodelle für Bundesländer-Zweigstellen der Alpine durch lokale Bauunternehmen vorgestellt haben.
„Sie arbeiten mit Stabsstellen in der Alpine-Zentrale in Wien-Oberlaa an diesen Lösungen“, weiß ein Insider. Laut Riel sollen die Interessenten dabei die Projektverträge übernehmen und die dafür benötigten Baufahrzeuge der Alpine abkaufen. „Das beschleunigt die Abwicklung der Baustellen“, sagt ein Insider. Bauherren, die zur Fertigstellung ihrer Projekte nun eine neue Baufirma engagieren müssen, werden nun deutlich höhere Kosten haben und daher Zahlungsgarantien der Banken in Anspruch nehmen.
Für die 8000 Gläubiger schaut es düster aus. Kantner schätzt, dass die Gläubigerquote bei der Alpine Bau weniger als zehn Prozent betragen wird. Die Besitzer der Anleihen (290 Millionen Euro) müssen sich auf einen Totalverlust einstellen.
Ausfälle.Bis zu 7000 Klein- und Mittelbetriebe, allesamt Zulieferer und Sub-Auftragnehmer des kollabierten Baukonzerns Alpine, könnten von dessen Pleite mehr oder weniger hart betroffen sein. Diese Einschätzung hat am Dienstag der Spartenobmann Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich, Konrad Steindl, abgegeben. „Zur Stunde ist aber unbekannt, wie hoch die Ausfälle für einzelne Betriebe sind.“ Das Fortführen von Baustellen der Alpine sei „leichter gesagt als getan“. Es habe bisher einen „mörderischen Wettbewerb am Bau und in dessen Nebengewerben gegeben“.
Insgesamt geht es diesem Wirtschaftszweig, der für 600.000 Beschäftigte und ein Viertel der Wirtschaftsleistung Österreichs steht, nicht rosig. Die erhoffte Konjunkturerholung blieb bisher aus, die politischen Forderungen nach Entlastungsmaßnahmen – zum Beispiel nach einem „Handwerkerbonus“ – blieben unerhört.
Insofern ist die Freude groß, dass die Bundesregierung jetzt mit einem Konjunkturprogramm auf die Alpine-Pleite reagiert. Die Mittel müssten aber in der Breite der Klein- und Mittelbetriebe und nicht nur bei großen Infrastrukturprojekten ankommen.
Auch wenn es kaltschnäuzig klingt: Die Riesenpleite der Alpine ist für Mitarbeiter, Zulieferer und Gläubiger schmerzhaft, für die heimische Bauwirtschaft aber ein Segen. Durch ein Chaos-Management schwer in Schieflage gekommen, hat die Alpine dem Billigpreiskampf in der Branche noch eines draufgesetzt. Die Mitbewerber sollten sich mit Kritik allerdings zurückhalten. Seit etlichen Jahren stöhnt die Bauwirtschaft über den enormen Preisdruck, doch alle machen mit – entgegen jeglicher wirtschaftlicher Vernunft.
Österreichs Bauwirtschaft ist völlig überdimensioniert. Eine mächtige Allianz aus Großunternehmen und Gewerkschaft macht Druck auf die Politik, die volkswirtschaftlich wenig sinnvolle Großprojekte durchwinkt. Der Beschäftigungseffekt von milliardenteuren Tunnelbauten ist bekanntlich minimal.
Die Politik sollte auch die öffentliche Ausschreibungspraxis überdenken. Ein schwieriger Spagat, zugegeben. Einerseits muss im Interesse der Steuerzahler möglichst kostenschonend gebaut werden, andererseits erweisen sich Billigstbieter sehr oft nicht nicht als Bestbieter – siehe das Beispiel Alpine.
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