Alpine: Ringen um jede Baustelle

Rang 1: Alpine Bau Wals (4,515 Mrd. Euro) Der negative Rekord ist also letztlich auf die Riesenpleite der Alpine Bau zurückzuführen, die Alpine-Firmengruppe insgesamt hat Passiva in Höhe von 4,62 Mrd. Euro. Der Alpine-Konkurs gilt als neue Rekord-Wirtschaftspleite nach 1945. Die bisher größte Insolvenz hatte die Konsum-Firmengruppe mit Passiva in Höhe von rund 1,9 Mrd. Euro im Jahr 1995 hingelegt
Durch regionale Übernahmelösungen sollen viele Jobs gerettet werden.

Dass die Alpine auf ihrer Homepage noch immer offene Stellen anbietet, klingt beinahe wie ein Hohn. Denn neue Jobs gibt es dort sicher keine mehr. Der Baukonzern Alpine ist Geschichte. Tausende Alpine-Mitarbeiter wissen nicht, wie es weitergeht. Montagvormittag musste Insolvenzverwalter Stephan Riel die Schließung und somit die Liquidation der Alpine Bau GmbH (4900 Mitarbeiter in Österreich) beim Handelsgericht Wien beantragen. In der Nacht zuvor war die geplante „große Auffanglösung“ unter Federführung von Porr und Strabag gescheitert. Mehrere Bauunternehmen, die bei dieser großen Lösung mit im Boot gewesen wären, hätten dieses Modell letztendlich dann doch nicht mitgetragen, sagt Porr-Chef Karl-Heinz Strauss zum KURIER. Eine Rettung nur durch Porr und Strabag wäre kartellrechtlich nicht möglich gewesen.

Regional

Nun setzt Riel darauf, dass die Bauwirtschaft den Großteil der inländischen Alpine-Baustellen (mit Alpine-Mitarbeitern) in Form von regionalen Übernahmelösungen auffängt. Nicht nur Porr, Strabag, Swietelsky und Habau wollen ein Stück vom Kuchen. Insgesamt geht es um 4300 Baustellen im In- und Ausland, darunter sind 400 Arbeitsgemeinschaften mit Mitbewerbern. „Wir werden den Auftraggebern der Alpine anbieten, dass wir Projekte übernehmen und fertigstellen“, sagt Strabag-Sprecherin Diana Klein zum KURIER. „Jedes einzelne Projekt, das wir übernehmen sollten, wird kaufmännisch und technisch von unserer Preiskommission geprüft.“ Nachsatz: „An oberster Stelle stehen bei uns die Arbeitsgemeinschaften mit der Alpine. Die Prüfungen werden sicherlich bis Mitte Juli dauern.“ Dabei hat die Strabag auch ausländische Alpine-Aufträge im Visier.

Alpine: Ringen um jede Baustelle
Die Porr will sich aufs Inland konzentrieren: „Wir haben am Wochenende gerechnet und uns angeschaut, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Porr-Chef Strauss. Er überlegt zudem, „die eine oder andere Alpine-Firma zu übernehmen, die noch nicht insolvent ist“.

Mit dem Zusammenbruch der Alpine, bisher der zweitgrößte Baukonzern Österreichs, liegen nun viele Baustellen brach. Wie kann es hier weitergehen?

Großbaustellen Diese werden in der Regel an Arbeitsgemeinschaften (Arge) vergeben. In diesen Arge besteht eine sogenannte Solidarhaftung. Heißt: Fällt ein Bauunternehmen aus, müssen die anderen Arge-Teilnehmer einspringen.

Private Bauten Der Auftraggeber muss sich nun überlegen, welches Unternehmen den begonnen Bau fertigstellt und einen neuen Auftrag dafür erteilen.

Öffentliche Bauten Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Der Auftrag kann neu ausgeschrieben werden – was allerdings viel Zeit kostet. Oder der Auftrag geht an den Zweitbieter – der in der Regel rasch einspringen kann.

„Nach Klärung des Schicksals der inländischen Bauvorhaben“ wird Insolvenzverwalter Riel laut eigenen Angaben „sämtliche bestehende Aufträge und Verträge auflösen“. Und: Er wird eine Abwicklungsmannschaft aus Alpine-Mitarbeitern zusammenstellen.

Im nächsten Schritt sollen die Beteiligungen und das bewegliche Firmenvermögen (Fahrzeuge, Maschinen, Baustoffe) verwertet werden. Mit der Koordinierung hat er das Industrie-Auktionshaus Karner & Dechow beauftragt.

Am Dienstagnachmittag wird der Gläubigerausschuss die weitere Vorgangsweise beraten.

„Die regionalen Übernahmelösungen müssen schnell unter Dach und Fach gebracht werden“, sagt Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform zum KURIER. „Sonst besteht die große Gefahr, dass die Gläubiger noch mehr zu Schaden kommen.“

War die große Auffanglösung doch nur Illusion?

Nein. Seit vergangenem Donnerstag verhandelten Masseverwalter Stephan Riel und Kollegin Ulla Reisch mit Strabag und Porr sowie weiteren Baufirmen über die Gründung einer Auffanggesellschaft. Der Großteil der Bauaufträge, der Maschinenpark und die Leasingverträge sollten in die neue Firma vom Masseverwalter eingebracht werden. Am Freitag unterzeichnete Riel dazu einen Rahmenvertrag mit der Porr. Zwei Probleme gab es: die Bewertung der Risiken, die die Auffanggesellschaft übernehmen sollte, und die Finanzierung. „Die offenen Fragen schienen am Sonntagnachmittag durchaus lösbar“, hielt Riel in einem Bericht fest. Am Sonntag gegen 22.00 Uhr fielen dann in der Besprechung mit Banken, Gewerkschaften und der Baubranche die Würfel. Riel: „Es wurde deutlich, dass die anwesenden Vertreter der Bauwirtschaft die vorbereitete Auffanglösung nicht mittragen werden.“ Das Risiko war ihnen zu groß.

Welche Rolle spielten dabei die Banken?

Rund 90 Millionen Euro pro Monat benötigt der Baukonzern für Zahlungen, davon 31 Millionen Euro fürs Personal. Einnahmen hatte die Alpine so gut wie keine, die offenen Forderungen sind an die Banken verpfändet. Die führenden Banken – die Erste Bank und UniCredit Bank Austria – sollen laut Riel verpfändete Kontoguthaben und Forderungen nicht zugunsten der Insolvenzmasse freigegeben haben. Eine Finanzierung eines kurzfristigen Fortbetriebs wäre für sie nur gegen „vollständige Besicherung“ denkbar gewesen. Porr-Chef Strauss: „Wir hatten zwar noch keine Zusage, aber die Finanzierung, die am Sonntagabend auf dem Tisch lag, war in Ordnung.“

Was passiert mit den Alpine-Mitarbeitern?

Mit der am Montag beantragten Schließung der Alpine Bau enden die Arbeitsverhältnisse noch nicht. Nach der Genehmigung des Antrags durch das Handelsgericht bleiben sie für ein Monat weiter aufrecht. Die Löhne und Gehälter werden vorerst aus dem Insolvenzentgeltfonds bezahlt. Die Gewerkschaft Bau-Holz führt noch 31 Betriebsversammlungen durch, um über rechtlichen Möglichkeiten zu informieren. Vor einem Übertritt in eine Übernahmegesellschaft sollten sich Betroffene die finanziellen Auswirkungen durchrechnen lassen, rät die Gewerkschaft.

Die Alpine Bau ist an vielen Großprojekten beteiligt. Bei der Mega-Baustelle Wiener Hauptbahnhof gehören die Salzburger neben Strabag, Porr und Pittel+Brausewetter zur Arbeitsgemeinschaft. Die Arge übernimmt auch den Alpine-Teil. Einer der großer Auftraggeber der Salzburger ist der Autobahnbetreiber Asfinag. Im Jänner 2013 erhielt Alpine einen Elf-Millionen-Euro-Auftrag für Trassierungsarbeiten an der Wiener Südosttangente A23. Und gemeinsam mit den Mitbewerbern Porr und Gebrüder Haider ergatterte sie den 70-Millionen-Euro-Auftrag der Asfinag für den fünf Kilometer langen „Abschnitt 3“ der Schnellstraße S10 bei Kefermarkt im Mühlviertel.

Erst im Februar 2013 hat die Alpine-Tochter BeMo Tunneling den Zuschlag für die Generalsanierung des Bosrucktunnels der Pyhrn-Autobahn A9 erhalten. Auftragsvolumen: rund 55 Millionen Euro. Bauzeit: bis 2015. In Linz sollten die Salzburger auch die Westbrücke sanieren und auf der Tiroler Inntalautobahn bei Hall ein Teilstück der Fahrbahn erneuern. Bereits Mittwochmittag wurde eine Großbaustelle in der Salzburger Alpenstraße dichtgemacht, wo der Baukonzern ein Shoppingcenter errichtete. Die Alpine hat auch viele Aufträge im Ausland; so ist sie am Bahnprojekt Stuttgart 21 beteiligt.

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