Tabu-Thema Fehlgeburt: "Du bist nicht allein"
"Wir sprechen nicht einmal annähernd oft genug über den frühzeitigen Verlust eines Kindes während der Schwangerschaft", sagt Melissa Rauch - und sie hat recht. Ungefähr jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens eine oder mehrere Fehlgeburten. Genaue Zahlen sind schwierig zu ermitteln, da Fehlgeburten in den ersten Schwangerschaftswochen oft unbemerkt bleiben und als Unregelmäßigkeit im Menstruationszyklus fehlinterpretiert werden.
Nur wenige Frauen sprechen über das Erlebte. Paare ziehen sich nach dem Verlust eines ungeborenen Babys häufig zurück, um zu trauern. Auch innerhalb der Beziehung wird die psychische Belastung oft nicht ausreichend besprochen. Frauen erleben die Zeit nach einer Fehlgeburt oft als enorm intensiv - und einsam. Wie wichtig es ist, dass Betroffene wissen, dass sie nicht alleine sind, spricht auch Melissa Rauch in ihrem Video, das sie in Zusammenarbeit mit dem Magazin Glamour produzierte, an.
"Du bist nicht allein"
Im Video kommen neben Rauch 14 anderen Frauen zu Wort. Sie alle haben ein odere mehrere Kinder frühzeitig verloren. "Ich litt an Depressionen" - "Der Herzschmerz war unerträglich" - "Ich fühlte mich als Versagerin" - "Ich habe mich geschämt": In dem knapp einminütigen Clip nehmen die Frauen kein Blatt vor den Mund. Warum? Um anderen Frauen, die Ähnliches durchmachen, Mut zu machen.
"Du bist nicht allein, es ist nicht deine Schuld, es ist okay, sich nicht okay zu fühlen" ist die finale Botschaft der Frauen, mit der sie sich an Betroffene wenden.
Fehlgeburten: Kein Einzelschicksal
Von einer Fehlgeburt spricht man laut der Weltgesundheitsorganisation WHO dann, wenn die Schwangerschaft endet, bevor das ungeborene Kind lebensfähig ist. Unterschieden werden meist zwei Arten von Fehlgeburten: embryonaler und fetaler Abort. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche nennt man das Kind Embryo, danach Fetus. Kommt das Kind nach der 23. Schwangerschaftswoche und mit einem Gewicht von über 500 Gramm tot zur Welt, spricht man in der Regel von einer Totgeburt. Studien zeigen, dass rund zwölf bis 15 Prozent aller Schwangerschaften in einer Fehlgeburt vor der 20. Schwangerschaftswoche enden. Bei 80 Prozent der Frauen passiert die Fehlgeburt vor der 12. Woche.
Fehlgeburten sind nach wie vor mit einem gesellschaftlichen Tabu behaftet. Auch der Belastungsdruck von außen, der den Frauen nahelegt, möglichst schnell über eine Fehlgeburt hinwegzukommen, gilt als problematisch. Hinzu kommt, dass Fehlgeburten bei den betroffenen Frauen sehr häufig mit einer enormen psychischen Belastung oder gar Traumatisierung einhergehen. Laut WHO erleben 30 bis 50 Prozent der betroffenen Frauen nach einer Fehlgeburt ernstzunehmende Angstzustände beziehungsweise Schuld- oder Versagensgefühle, zehn bis 15 Prozent sind mit Depressionen konfrontiert, die bis zu vier Monate andauern können. In einem Bericht der WHO wird zudem kritisiert, dass Ärzte und Pflegepersonal oft nicht ausreichend psychologisch geschult seien, um entsprechend auf die Traumatisierung und Trauer der Frauen zu reagieren.
Und dennoch: Immer mehr Frauen sprechen immer öfter über den Verlust ihrer ungeborenen Kinder. Kürzlich wurde der Instagram-Account der Psychologin Jessica Zucker aus Los Angeles von Medien aufgegriffen. Zucker hat selbst eine Fehlgeburt erlitten und will andere Frauen mit dieser Erfahrung dazu ermutigen, offen darüber zu sprechen und sich auszutauschen (mehr dazu hier).
Vor etwas mehr als zwei Jahren sprach Mark Zuckerberg öffentlich über die drei Fehlgeburten seiner Frau Priscilla Chan. "Die meisten Menschen reden nicht über Fehlgeburten, weil sie befürchten, andere distanzieren sich oder denken zu viel über sie nach – so als ob man defekt wäre oder etwas getan hat, das dazu geführt hat. Deshalb kämpft man auf eigene Faust", schrieb der Facebook-Gründer damals.
Mit der Fotoserie "Lost" kehrte Fotografin Dianne Yudelson vergangenes Jahr die innere Trauer über ihre elf Fehlgeburten nach außen (mehr dazu hier).
Kommentare